# taz.de -- Westerwelle vor der UN-Vollversammlung: Neue Brille, aber nur wenig Klarheit
> Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung versteckte sich Westerwelle
> hinter dem Nahost-Quartett. Besonderen Eindruck hat er jedenfalls nicht
> hinterlassen.
(IMG) Bild: Eine Rede, die kaum jemand hörte: Westerwelle vor der UN-Vollversammlung.
BERLIN taz | Wenn etwas in Erinnerung bleiben sollte von Guido Westerwelles
Auftritt vor der UN-Vollversammlung am Montag, dann dürfte es seine neue
Brille sein. Es ist ein eckiges, kantiges Modell, das seinem Gesicht
stärkere Konturen verleiht. Von seiner Rede vor dem UN-Parlament kann man
das hingegen nicht behaupten. Die Konturen der deutschen Nahost-Politik
blitzten darin nur äußerst unscharf auf.
Einerseits betonte der deutsche Außenminister in seiner Ansprache, auch
Deutschland unterstütze die Gründung eines palästinensischen Staats, "der
unabhängig, souverän, zusammenhängend, demokratisch und politisch wie
wirtschaflich lebensfähig ist" - und das auch "nicht irgendwann, in einer
unbestimmten Zukunft", sondern bald. Andererseits erhob Westerwelle die
Sicherheit Israels zur "Staatsräson" seines Landes, während er über die
fehlende Sicherheit der Palästinenser unter israelischer Besatzung kein
Wort verlor. Es ist diese Einseitigkeit, mit der sich der Westen im Rest
der Welt immer wieder um seine Glaubwürdigkeit bringt.
Der Frage, wie sich Deutschland konkret zum Antrag der Palästinenser
verhalten will, wich Westerwelle aus. Eine Vollmitgliedschaft Palästinas in
der UNO lehnt die Bundesregierung ab, das hat die Kanzlerin schon im Mai
klar gemacht. Wie genau Deutschland sich aber verhalten wird, wenn es
darüber im UN-Sicherheitsrat zu einem Schwur kommt, ob es dagegen stimmt
oder sich mal wieder enthält, lässt Westerwelle weiter offen. Selbst auf
den möglichen Kompromiss, für den sich Frankreichs Präsident Nicolas
Sarkozy in seiner Rede am Mittwoch an gleicher Stelle stark gemacht hatte,
ging er mit keiner Silbe ein.
Vorerst kommt Deutschland um das Dilemma herum, im UN-Sicherheitsrat Farbe
bekennen zu müssen. Bis zu einer Abstimmung über den Antrag der
Palästinenser könnten Monate vergehen. Es ist aber kein Geheimnis, dass
Deutschland selbst einer Aufwertung der Palästinenser zum
"Nichtmitgliedsstaat", die leichter möglich wäre, ablehnend gegenüber
steht. Israel befürchtet, dass schon diese Satusveränderung die
Palästinenser zum Beispiel in die Lage versetzen könne, vor dem
Internationalen Gerichtshof gegen Israels Besatzungsregime zu klagen.
Deutschland hat für diese Bedenken volles Verständnis.
## Rede vor wenig Publikum
In seiner Rede versteckte sich Westerwelle hinter der Erklärung des
"Nahost-Quartetts", bestehend aus den USA, Russland, der UNO und der EU,
das am Freitag einen ambitionierten Zeitplan für neue Friedensverhandlungen
vorgelegt hatte. Viele Beobachter halten den für unrealistisch, weil er
offen lässt, wie man Israels Regierung zu echten Zugeständnissen bewegen
will. Ohne die aber sieht Israel in solchen "Friedensverhandlungen", wie
die Erfahrung lehrt, wenig mehr als ein nützliches Ablenkungsmanöver, um
mit dem Siedlungsbau und seinem Besatzungsregime weiter ungebremst
fortzufahren.
Bestenfalls halbvoll waren die Ränge in der UN-Vollversammlung, als Guido
Westerwelle dort am Montag seine rund 20-minütige Ansprache hielt - nach
den Rednern aus Laos, China und Marokko. Immerhin titulierte ihn der Leiter
der Sitzung, Kuwaits UN-Botschafter Mansur Alotaibi, durchwegs irrtümlich
als "Vizekanzler". Dabei war es gerade der Tatsache geschuldet, dass
Westerwelle dieses Amt verloren hat, warum er auf der Rednerliste so weit
nach hinten rutschte: Im vergangenen Jahr war er, als Vizekanzler, bei der
UN-Vollversammlung noch deutlich früher zu Wort gekommen.
Das Understatement ist gewollt. Obwohl Deutschland im Nahost-Konflikt eine
nicht unwichtige Rolle spielt, zumal es derzeit als nicht-ständiges
Mitglied im UN-Sicherheitsrat sitzt, hält sich Westerwelle betont zurück.
Damit versucht er zu verbergen, dass die Bundesrepublik mit ihrer Haltung
die europäische Union bereits tief gespalten hat. Bei dem gescheiterten
Versuch, den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas davon abzuhalten,
einen Antrag auf Vollmitgliedschaft zu stellen, war Deutschland eine
treibende Kraft; auch bei der Suche nach einem Kompromiss drückt es jetzt
wieder auf die Bremse. Auch diese Haltung könnte man, wenn man es wollte,
als einen "Sonderweg" bezeichnen.
27 Sep 2011
## AUTOREN
(DIR) Daniel Bax
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Debatte Libyenkrieg: Der Nato-Einsatz bleibt falsch
Anspruch und Realität der Intervention in Libyen klafften weit auseinander.
Die Berliner Regierung hat mit ihrer skeptischen Haltung recht behalten.
(DIR) Nahost-Konflikt: USA warnen Israel vor Isolation
Klare Worte von Verteidigungsminister Panetta: Er mahnt Israel, die
Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufzunehmen und am Verhältnis
zu Ägypten und der Türkei zu arbeiten.
(DIR) Frankreich kritisiert deutsche Libyen-Politik: Breitseite gegen "Deutschland AG"
Ungewöhnlich scharf kritisieren französische Medien die Enthaltung Berlins
bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution. Tenor: Die Drecksarbeit
dürfen die anderen machen.
(DIR) Haltung Deutschlands zum Krieg: Libyen befreien? Nicht mit uns!
Zu gefährlich der Einsatz, zu unabsehbar die Folgen, zu willkürlich die
Gründe: Die Bundesregierung verteidigt ihre Ablehnung der
Libyen-Resolution. Doch die Kritik bleibt.
(DIR) UN-Resolution Libyen: "Alle notwendigen Maßnahmen"
Die Libyen-Resolution ist die weitestgehende Ermächtigung zur Gewalt gegen
einen Mitgliedsstaat, die der Sicherheitsrat seit dem Golfkrieg beschlossen
hat.