# taz.de -- Atomausstieg der Regierung: Die Gretchenfrage der Grünen
       
       > Wie halten es die Grünen mit dem schwarz-gelben Atomausstieg? Vor ihrem
       > Sonderparteitag spitzt sich der Konflikt zwischen Befürwortern und
       > Gegnern zu.
       
 (IMG) Bild: Winfried Kretschmann befeuert die Atomdebatte.
       
       BERLIN taz | Die schwarz-gelben Atomausstiegspläne spalten die Grünen.
       Während die Parteiführung immer stärker dazu neigt, zumindest einigen der
       acht Gesetzentwürfe der Bundesregierung im Bundestag zuzustimmen, macht die
       Parteilinke immer stärker dagegen mobil.
       
       Linke Basisfunktionäre und die Grüne Jugend fordern ein deutliches
       Entgegenkommen der Regierung bei mehreren strittigen Themen. Andernfalls
       sollten die Grünen dem Atomausstieg ihre Zustimmung verweigern.
       
       Der Druck auf die Parteiführung steigt. Der Bundesvorstand der Grünen
       Jugend verabschiedete am vergangenen Montag einen Beschluss zum
       Atomausstieg, der der taz vorliegt. Darin urteilt der Parteinachwuchs: "Dem
       bisher vorliegenden Ausstiegsbeschluss sollten wir Grüne keine Zustimmung
       erteilen." Schwarz-Gelb müsse den Grünen beim Enddatum des Atomausstiegs
       entgegenkommen.
       
       Die Regierung plant die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke für das
       Jahr 2022. Der Grünen-Länderrat plädiert hingegen für einen Ausstieg
       innerhalb der nächsten Legislaturperiode, also bis spätestens 2017. Die
       Grüne Jugend hält gar 2015 für möglich.
       
       Der Atomausstieg ist Kernziel der Grünen. In der Opposition hat die Partei
       wieder die Nähe zu Umweltverbänden und Antiatominitiativen gesucht. Die
       traditionell enge Verbindung hatte Schaden genommen, als Rot-Grün 2001 eine
       Einigung mit den AKW-Betreibern verkündete, die einen Ausstieg binnen 20
       Jahren vorsah.
       
       ## Verbände drängen zu harter Haltung gegenüber Schwarz-Gelb
       
       Die seither mühsam neu geknüpften Bande will die Partei nun nicht erneut
       aufs Spiel setzen. Die Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Gesine Agena,
       sagte der taz: "Wir haben in den vergangenen Jahren den Schulterschluss mit
       der Bewegung und den Umweltverbänden hinbekommen. Warum sollte uns ihre
       Meinung jetzt egal sein?"
       
       Verbände und Initiativen drängen zu einer harten Haltung gegenüber
       Schwarz-Gelb. Die Grünen-Spitze wiederum will gegenüber ihrer gewachsenen
       Sympathisantenschar nicht dastehen als schlechte Gewinnerin, die es übel
       nimmt, wenn ausgerechnet ihre alten ideologischen Gegner ihre Forderung
       umsetzen. Die Auseinandersetzung wird auch den Sonderparteitag am 25. Juni
       in Berlin bestimmen. Dann wollen sich die Grünen auf eine Haltung zu den
       Gesetzentwürfen der Regierung festlegen.
       
       Den Druck auf die Parteiführung erhöht zudem ein Aufruf von
       Grünen-Funktionären, der der taz ebenfalls vorliegt. Darin fordern die 38
       Erstunterzeichner "eine beschleunigte Energiewende und Endlagersuche ohne
       Gorleben". Zu den Initiatoren zählen zwei Fraktionsvizes im
       niedersächsischen Landtag und die Vorstandssprecherin des Kreisverbands
       Lüchow-Dannenberg, Martina Lammers. In dem Landkreis liegen das umstrittene
       atomare Zwischenlager und die erkundete Endlagerstätte Gorleben.
       
       ## "Unüberbrückbare Gräben aufgerissen"
       
       Als sei der Druck auf die kompromissbereite Grünen-Führung nicht bereits
       groß genug, verschärfen Äußerungen Winfried Kretschmanns die parteiinterne
       Diskussion. Baden-Württembergs Ministerpräsident hatte am vergangenen
       Wochenende erklärt, mit der Atomkraft-Kehrtwende der Union sei "eine
       wesentliche Hürde" gefallen. "Die Verlängerung der Laufzeiten hat
       unüberbrückbare Gräben aufgerissen, die werden nun wieder eingeebnet", so
       Kretschmann.
       
       Führende Grüne beklagen, solche Worte verknüpften ohne Not die Atomfrage
       mit der Debatte über schwarz-grüne Koalitionen. Dies könne die Partei dazu
       zwingen, beim Atomausstieg noch fordernder aufzutreten, um nicht als
       Taktierer dazustehen.
       
       14 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte Schwarz-grüne Perspektiven: Ein Traumgespinst
       
       Nach Merkels Atomausstieg scheint die Bahn frei zu sein für die Vollendung
       einer heimlichen Liebe: die Allianz von Union und Grünen. Aber das kann für
       beide böse enden.
       
 (DIR) Kommentar Grüne und Atomausstieg: Verweigerung bringt nichts
       
       Die Grünen können mit ihrer Zustimmung zur stufenweisen Abschaltung der
       AKWs kaum etwas verlieren. Aber sie können einiges gewinnen.
       
 (DIR) Zustimmung zum Atom-Kompromiss: Grüne beugen sich
       
       Die Parteispitze der Grünen will dem Atomgesetz der Regierung nun doch
       zustimmen. Auf einem Sonderparteitag soll auch die Basis noch überzeugt
       werden.
       
 (DIR) Hermann Gröhe über den Atomausstieg: "Auf Schmerzgrenzen achten"
       
       Die AKW-Laufzeiten sind kein Grundpfeiler christdemokratischer Politik,
       sagt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Und gibt vorsichtig Fehler der
       Atompolitik zu.
       
 (DIR) Grüner Flirt mit der Union: Kretschmann lobt die Kanzlerin
       
       Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident sieht neue Chancen für
       Schwarz-Grün auf Bundesebene und warnt seine Partei vor der Ablehnung des
       Atomausstiegs. Andere Grüne bleiben da skeptischer.
       
 (DIR) Ausstiegsszenario bei der CDU: Die grün lackierte Kanzlerin
       
       Nach Fukushima vollzog Merkel eine Wende in der Energiepolitik. Manche in
       der Union wollen ihrer Parteichefin nicht mehr folgen. Szenen einer
       Entfremdung.
       
 (DIR) Zwei Regierungen, zwei Atomausstiege: Der Knick im Konzept
       
       Rot-Grün wollte den Ausstieg kontinuierlich vollziehen, Schwarz- Gelb legt
       acht Meiler auf einmal still - dann kommt lange nichts. Halbherzig, klagen
       Umweltverbände.
       
 (DIR) Energiewende in Deutschland: Noch zehn Jahre Zittern
       
       Die letzten Atomkraftwerke in Deutschland sollen im Jahr 2022 vom Netz,
       dann beginnt die energiepolitische Zukunft. Aber bis dahin dürfen 9 von 17
       Meilern weiterlaufen.