# taz.de -- Grünen streiten um Atomausstieg: Die Dafür-Partei
       
       > Die Parteiführung der Grünen will dem Atomausstieg zustimmen. Das erzürnt
       > die Anti-Atom-Bewegung und die Parteijugend. Sie fürchten um ihre
       > Glaubwürdigkeit.
       
 (IMG) Bild: Nur nichts falsch vorlesen: Claudia Roth verkündet den Beschluss der Parteiführung.
       
       BERLIN taz | Bis zum Freitagmorgen hatten sie getagt. So oft hatte die
       Parteiführung Formulierungen hin und her gewälzt, dass Claudia Roth bei der
       Vorstellung des Leitantrags am Freitag ab und zu nachschauen musste, was
       genau sie eigentlich beschlossen hatten. Denn auf jedes Wort kam es an beim
       Antrag des Bundesvorstands für den Sonderparteitag.
       
       Schließlich einigte sich die Parteiführung: Ja zur Abschaltung der letzten
       Atomkraftwerke 2022; Nein zu einem atomaren Endlager in Gorleben, zum Bau
       neuer Kohlekraftwerke und einem Anteil erneuerbarer Energien an der
       Stromerzeugung von 35 Prozent im Jahr 2020.
       
       Am 25. Juni berät ein Sonderparteitag in Berlin über die Haltung zu den
       Atomausstiegsplänen der Regierung. Die Parteiführung will mit ihrem
       Leitantrag ein Dilemma lösen: Eine rigorose Ablehnung des Atomausstiegs
       würde die Grünen als Verhinderer dastehen lassen, eine grundsätzliche
       Zustimmung aber die Beziehungen zu Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbänden
       ruinieren.
       
       ## "Grundsätzlich bereit"
       
       Das Ergebnis klingt so: Zwar bedaure die Partei, dass Schwarz-Gelb nicht
       bereits 2017 das letzte AKW vom Netz nehmen will. Aber: "Für uns Grüne ist
       der breite Konsens möglichst aller Parteien im Bundestag für den Ausstieg
       aus der Hochrisikotechnologie Atom ein Wert an sich. Damit wird ein
       erneutes Aufbrechen der Vereinbarung politisch nahezu unmöglich." Darum
       seien die Grünen "grundsätzlich bereit", die Änderung des Atomgesetzes im
       Bundestag "mitzutragen". Nicht zustimmen werde die Partei voraussichtlich
       den Plänen "zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Leitungsnetze und
       Speicherkapazitäten".
       
       Den Leitantrag unterzeichnet hat auch Bundesfraktionsvize Bärbel Höhn. "Ich
       hätte mir noch weitergehende Änderungen bei der Atomgesetz-Novelle
       gewünscht", sagt die Ex-Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen. "Aber
       nach der Rücknahme der Laufzeitverlängerung von Schwarz-Gelb sehe ich
       keinen Koalitionspartner für 2013, mit dem wir einen ehrgeizigeren Ausstieg
       hinbekämen."
       
       Ähnlich urteilt der energiepolitische Fraktionssprecher Hans-Josef Fell:
       "In der Atomnovelle ist die Regierung weitgehend auf die Grünen
       zugegangen." Dazu zählten feste Abschaltdaten für AKWs statt einer
       Festlegung auf Reststrommengen. Zudem könne man nach einem
       Regierungswechsel 2013 die Sicherheitsstandards für AKWs erhöhen.
       
       ## "Schulterschluss mit Initiativen wäre hinfällig"
       
       Davon hält die Sprecherin der Grünen Jugend, Gesine Agena, nichts. "Das
       Datum des Atomausstiegs liegt viel zu spät, ein früherer Ausstieg ist
       möglich. Da müssen Grüne sagen: Das tragen wir nicht mit." Sie werbe dafür,
       dass die Delegierten dem Leitantrag nicht zustimmen. "In den vergangenen
       Jahren haben wir den Schulterschluss mit vielen Initiativen wieder
       hinbekommen und ungute Gefühle bereinigt. Wenn der Parteitag die jetzt
       vorgegebene Linie beschließt, wäre all das hinfällig."
       
       Entsprechend droht der Sprecher des Anti-Atom-Bündnisses ".ausgestrahlt",
       Jochen Stay, mit einem Bruch zwischen Grünen und Bewegungen: "Wer einem
       Weiterbetrieb der Reaktoren bis 2022, einem AKW im Stand-by-Betrieb und
       reduzierten Sicherheitsanforderungen zustimmt, verliert seine
       Glaubwürdigkeit und kann sich nicht mehr Teil der Anti-Atom-Bewegung
       nennen." Die Grünen-Spitze wolle ihre Basis austricksen. Denn es sei gar
       nicht möglich, im Parlament für das Ende von acht Reaktoren zu stimmen und
       "gleichzeitig gegen Kaltreserve und mangelnde AKW-Sicherheit" zu votieren.
       "Denn beides steht in ein und demselben Gesetz."
       
       Höhn gibt sich gelassen: "Sicher verlieren die Grünen einige Leute in der
       Anti-Atom-Bewegung. Es ist richtig, dass die Bewegung weiter kämpft, auch
       Grüne werden beim nächsten Castor-Transport mitdemonstrieren, weil die
       Endlagerfrage nicht gelöst ist." Aber die Partei habe einen anderen Job als
       die Bewegungen. "Wir sitzen im Parlament und müssen auch den Wert einer
       parteiübergreifenden Entscheidung abwägen."
       
       17 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) M. Lohre
 (DIR) U. Schulte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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