# taz.de -- NRW-Innenminister Jäger: Vorratsdatenspeicherung plus X
       
       > Nachdem sich Baden-Württembergs Innenminister Gall mit einem umstrittenen
       > Kompromissvorschlag zur Vorratsdatenspeicherung zu Wort meldete, legt
       > SPD-Innenminister Jäger noch einen drauf.
       
 (IMG) Bild: Wer Sicherheit will, braucht Polizei – da ist sich Ralf Jäger wohl sicher. Beim Rechtsstaat kennt er sich dafür nicht so aus.
       
       DÜSSELDORF/STUTTGART dpa/taz | Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen
       will bei der Innenministerkonferenz an diesem Dienstag einen Kompromiss zur
       Vorratsdatenspeicherung vorlegen.
       
       Alle Telekommunikations- und Internetdaten sollten sechs Monate lang
       gespeichert werden, erläuterte Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf Anfrage
       der Nachrichtenagentur dpa. Die Inhalte von Gesprächen oder Internetseiten
       sollten jedoch nur unter strengen Auflagen von Sicherheitsbehörden
       abgerufen oder gespeichert werden.
       
       Einen ähnlichen Vorschlag hatte am Montag bereits der Innenminister im
       grün-rot regierten Baden-Württemberg, Reinhold Gall (SPD), gemacht. Er
       forderte, die gespeicherten Daten sollten nur im Fall besonders schwerer
       Verbrechen genutzt werden. Dies halte er für mehrheitsfähig, so Gall.
       
       Grüne Netzpolitiker aus Baden-Württemberg wiegeln ab. Bei Twitter schreiben
       SPDler, Gall handele "auf eigene Faust". Ein Ministeriumssprecher wies auf
       taz-Nachfrage darauf hin, der Minister habe lediglich seine "persönliche
       Position" deutlich gemacht. Einen Vorstoß auf der Innenministerkonferenz
       durch Baden-Württemberg in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung werde es
       nicht geben. Dies wurde auch durch einen Sprecher der Landesregierung
       bestätigt.
       
       ## Innenministerkonferenz diskutiert über Anti-Terror-Gesetze
       
       Der AK Vorratsdatenspeicherung ruft anlässlich nun zu Demonstrationen gegen
       die Innenministerkonferenz auf. Gleichzeitig wirft die
       Nichtregierungsorganisation Union und SPD "Radikalität und
       Einfallslosigkeit" vor, dies sei symptomatisch für das Agieren der beiden
       Parteien in den Innenministerkonferenzen. Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis
       Vorratsdatenspeicherung fordert, dass bei der IMK "endlich ein Umdenken
       einsetzt. Stumpfes Fordern von immer mehr Überwachung" solle "durch eine
       grundrechtskonforme Sicherheitspolitik ersetzt" werden.
       
       Die Innenministerkonferenz beschäftigt sich in Frankfurt zwei Tage lang mit
       der umstrittenen Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze und der
       Vorratsdatenspeicherung. Vor rund drei Wochen hatten sich SPD-Innenminister
       auf einen Kompromissvorschlag bei der Vorratsdatenspeicherung verständigt.
       Die Jusos in Baden-Württemberg wiesen den Vorschlag ihres Parteigenossen
       Gall [1][harsch zurück]. Ihr Vorsitzender Frederick Brütting meinte, der
       SPD-Innenminister solle "nicht länger den Hilfssheriff für die
       CDU-Hardliner in der Innenministerkonferenz spielen." Auch die Grüne Jugend
       Baden-Württemberg [2][schoss jetzt gegen Gall]: Der Minister habe "seit
       seinem Amtsantritt vor vor allem mit seinen Überlegungen zur Einführung
       eines Alkoholverbots auf öffentlichen Plätzen von sich reden gemacht", so
       der Jugendverband der Grünen. Gall bewege sich "auf Abwegen", die CDU lache
       sich wahrscheinlich gerade "ins Fäustchen".
       
       Schon länger sei zu beobachten, dass "eine Große Koalition aus SPD und
       Union" die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vorantriebe, sagt der
       grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht. Das sei jedoch "völliger
       Schwachsinn", die Initiative mache keinen Sinn, denn die EU-Kommission
       werde innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Reform-Vorschlag vorlegen,
       der in der Folge in nationale Gesetze umgesetzt werden müsse. "Das kostet
       auch viel Geld", so Albrecht. Allein die erste Umsetzung der
       Vorratsdatenspeicherung habe 300 Millionen Euro gekostet. So äußerte sich
       auch der innen- und netzpolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag,
       Matthi Bolte. Im Moment gebe es aus Sicht der Grünen-Fraktion im
       NRW-Landtag "keinen politischen Entscheidungsdruck für das Land", da die
       EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung weiterhin evaluiert werde.
       
       Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht die Regelung zur
       Vorratsdatenspeicherung kassiert. Die Richter hatten vom Gesetzgeber
       restriktive Kriterien für die Nutzung und bessere Sicherheitsvorkehrungen
       zur Speicherung der Daten verlangt.
       
       "Der Wegfall der Mindestspeicherfrist für Telekommunikationsdaten hat zu
       einer gravierenden Schutzlücke im Kampf gegen Terrorismus,
       Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie bei der
       Aufklärung von Mord und Totschlag geführt", kritisierte Jäger. Der Streit
       innerhalb der schwarz-gelben Bundesregierung um eine gesetzliche Regelung
       dürfe nicht länger auf dem Rücken potenzieller Opfer ausgetragen werden.
       
       ## "Kampf gegen Kinderpornografie und Terrorismus"
       
       Die Pressestelle des Innenministeriums teilte auf taz-Nachfrage mit, Jäger
       hätte das Mitschneiden der Inhalte von Telefonaten lediglich erwähnt, um
       "ganz deutlich" zu machen, dass es hierum nicht gehe. "Es geht nur um die
       Verkehrsdaten". In der oben zitierten Presseaussendung unter dem Titel
       "Kompromiss aus NRW soll Schutzlücke im Kampf gegen Kinderpornografie und
       Terrorismus beseitigen" begründet NRW-Innenminister Ralf Jäger seinen
       Vorstoß mit einer Studie des Bundeskriminalamts (BKA).
       
       "Dass viele Straftaten nur mit vorhandenen Telekommunikationsdaten
       verhindert oder aufgeklärt werden können, belegte kürzlich eine
       Untersuchung des BKA: In etwa 75 Prozent der Fälle bekam die Polizei
       aufgrund der derzeit bestehenden Rechtslücke keine Auskunft vom
       Telekommunikationsanbieter. Dadurch wurden 56 Prozent der Straftaten gar
       nicht, 18 Prozent nur unvollständig und 25 Prozent nur wesentlich erschwert
       aufgeklärt".
       
       Dem widerspricht der Grüne Malte Spitz: Es gebe keinerlei Anhaltspunkte,
       dass durch die Vorratesdatenspeicherung nennenswerte Erfolge bei der
       Kriminalitätsbekämpfung oder der Terrorismusabwehr erzielt werden können.
       Spitz weiter: "Konkrete Belege für die Notwendigkeit bleiben die
       Befürworter der Vorratsdatenspeicherung bislang schuldig".
       
       Jägers Kollegin im NRW-Landtag, die Grüne Monika Düker, Vorsitzende des
       Innenausschusses, kritisiert den Vorstoß. "Es ist ja jetzt noch gar kein
       Gesetzentwurf da". Wenn dieser vorliege, werde man ihn genau ansehen – und
       sich dann als Land NRW im Zweifel im Bundesrat enthalten. Es sei aber auch
       denkbar, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger etwas Zustimmungsfähiges
       vorlege. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
       will Daten erst bei einem konkreten Anfangsverdacht speichern. "Wo nichts
       ist, kann auch nichts gespeichert werden", hält der SPDler Jäger dagegen.
       Auch die EU verlange eine sechsmonatige Mindestspeicherung.
       
       21 Jun 2011
       
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