# taz.de -- Deutscher Atommüll in die USA: Strahlend um die halbe Welt
       
       > 1.000 Tonnen schwachradioaktiver Abfall aus Deutschland sollen im
       > US-Staat Tennessee verbrannt werden. Kritiker haben in der Atomstadt Oak
       > Ridge einen schweren Stand.
       
 (IMG) Bild: Deutsche Atommüllfässer. Hierzulande schwer unterzukriegen - Oak Ridge nimmt sie gerne.
       
       WASHINGTON taz | "Radioaktiver Müll Import/Export Lizenz" steht über dem
       Memorandum "CLI-11-03". Das Dokument der Nuklearen Aufsichtsbehörde der USA
       öffnet den Weg für eine neue Art von transatlantischer Zusammenarbeit:
       1.000 Tonnen schwachradioaktive Abfälle aus Deutschland dürfen in den
       nächsten fünf Jahren nach Tennessee verschifft werden. Das Material aus
       Forschungslabors und Krankenhäusern soll von der Firma EnergySolutions in
       einem Ofen in Oak Ridge, im Osten des Bundesstaates Tennessee, verbrannt
       werden. Dadurch wird das Volumen reduziert, die Radioaktivität bleibt
       erhalten. Die entsprechend stärker strahlende Asche geht anschließend
       zurück an den Absender.
       
       Die örtliche Bürgerinitiative, das Tennessee Environmental Council, ist
       alarmiert. Sie hatte vor ein paar Jahren Pläne öffentlich gemacht, Teile
       von stillgelegten italienischen AKWs in Oak Ridge zu bearbeiten und
       einzulagern; ein öffentlicher Aufschrei verhinderte die Pläne seinerzeit.
       Als Bürgerinitiativen-Sprecher Don Safer von dem neuen Antrag erfährt, den
       EnergySolutions im vergangenen November bei der Nuklearen Aufsichtsbehörde
       gestellt hat, beantragt er zusammen mit anderen Bürgerinitiativen in den
       Südstaaten öffentliche Hearings. Die Umweltschützer wollen unter anderem
       wissen, wie die USA mit den Sicherheitsrisiken bei Transport und
       Verbrennung umgehen. Und ob das Deutschland-Geschäft der Anfang dafür ist,
       dass die "USA die Tore weit für den Atommüll aus dem Ausland öffnen". Im
       Juni lehnt die Nukleare Aufsichtsbehörde NRC die Anhörung ab. Der deutsche
       Müll darf kommen. Den Ausschlag gibt die - vom US-Außenministerium geprüfte
       - Zusage Deutschlands, die strahlende Asche zurückzunehmen.
       
       ## Ohne Atomkraft kein Oak Ridge
       
       In Oak Ridge wird die erste Mülllieferung aus Deutschland "im Dezember oder
       Januar" erwartet, sagt der Chef der Stadtverwaltung, Mark Watson, zur taz.
       Der Müll wird per Schiff in Virginia angeliefert und dann per Zug und
       Laster nach Tennessee gebracht. In Oak Ridge sorgt das kaum für
       Beunruhigung: Eine Web-Petition gegen den Atommüll aus Deutschland hat nur
       2.820 Unterschriften bekommen.
       
       Denn ohne Atomkraft gäbe es die Stadt überhaupt nicht. Oak Ridge wurde 1942
       als geheime Atomstadt gegründet - eine auf keiner Landkarte eingetragene
       Siedlung für 75.000 Arbeiter. Unter dem Zeitdruck des Kriegsgeschehens
       produzierten sie das Uran-235 für die Atombomben der USA, darunter jene,
       die 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.
       
       "Wir sind daran gewöhnt, wir leben davon", sagt Verwaltungschef Watson.
       "Und wir wissen, wie damit umzugehen ist." In Oak Ridge wird bis heute Uran
       angereichert und ein großer Teil des US-amerikanischen Atommülls behandelt.
       
       EnergySolutions beschäftigt von seinem Zentralsitz in Salt Lake City aus
       weltweit 5.000 Leute. Davon arbeiten gegenwärtig 3.000 in Großbritannien an
       der Verschrottung von 21 alten Atomreaktoren. Andere Beschäftigte arbeiten
       in China am Bau neuer Atomkraftwerke. "Seit wir auf Abstand von dem
       Müllimport aus italienischen Atomkraftwerken gegangen sind", sagt
       Unternehmenssprecher Mark Walker zur taz, "suchen wir nach Methoden, um den
       Strahlenmüll vor Ort zu managen." Zu diesem Konzept gehört die Verbrennung
       in den USA, bei der das Müllvolumen auf ein Zweihundertstel sinkt, und die
       Rücksendung der strahlenden Asche. EnergySolutions lässt offen, ob bereits
       weitere Strahlenmüll-Verträge mit anderen Ländern in Arbeit sind.
       
       ## Kaum Konkurrenz
       
       Viel Konkurrenz gibt es nicht. Weltweit arbeiten nur ein Dutzend Firmen an
       der Verbrennung von radioaktivem Müll. Davon wenige in Europa - darunter
       Norwegen - und keine in Deutschland. Karolin Riehle, Sprecherin des
       deutschen Unternehmen Eckert & Ziegler, das den Müll aus "radioaktiv
       kontaminierten Kitteln, Handschuhen, Überschuhen, Wischlappen" einsammelt
       und verschickt, sagt: "Da die Kapazitäten knapp sind, schließen wir mit den
       Betreibern solcher Öfen im Voraus langfristige Rahmenverträge ab."
       Öffentlich werden diese Verträge nur manchmal. Das hängt von den Gesetzen
       des jeweiligen Landes ab, wo der radioaktive Müll hingeht.
       
       Die strahlende Asche, die am Ende zurückkommt, wird in Deutschland in
       Betonfässer gefüllt und soll, so Riehle, in Schacht Konrad eingelagert
       werden, dem geplanten Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll.
       Das ehemalige Erzbergwerk in Salzgitter wird gegenwärtig zum Endlager
       ausgebaut; betriebsbereit ist es frühestens im Jahr 2019.
       
       Die Umweltschützer in Tennessee sind gegenüber den großen militärischen
       Atomanlagen, privaten Atommüllöfen und zahlreichen Atomkraftwerken in ihrem
       Bundesstaat ziemlich allein. "In den Südstaaten sind die Armut und die
       Arbeitslosigkeit besonders groß", sagt Don Safer, "da ist es schwer,
       Unterstützung für Umweltfragen zu finden."
       
       31 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
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