# taz.de -- Bonitätsverlust der USA: Das Ende der guten alten Zeit
       
       > Welche Folgen die Herabstufung der USA durch Standard & Poors hat, wird
       > sehr unterschiedlich eingeschätzt. US-Politiker versuchen die
       > Ratingagentur zu diskreditieren.
       
 (IMG) Bild: US-Dollar-Noten - die gehören bald alle dem Chinesen.
       
       BERLIN taz | Es war kein ruhiges Wochenende für die Finanzminister und
       Notenbankchefs der G 7, die Vertreter der G 20, der Gruppe der größten
       Industrie- und Schwellenländer, und für die Manager der Europäischen
       Zentralbank (EZB). In diversen Telefonkonferenzen schalteten sie sich
       zusammen, um über die Herabstufung der US-Bonität und die Schuldenkrise in
       Europa zu beraten. Denn aus der Drohung war Realität geworden: Die
       Ratingagentur Standard & Poors (S&P) hat die Kreditwürdigkeit der USA um
       eine Stufe auf AA+ herabgesetzt. Zum ersten Mal seit 70 Jahren genießen die
       USA nicht mehr die Bestnote AAA. Die halten jetzt nur noch vier Staaten:
       Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada.
       
       Die Entscheidung war am Freitag erst nach Börsenschluss bekannt gegeben
       worden, um die ohnehin schon in Aufruhr befindlichen Finanzmärkte erst mal
       über das Wochenende Luft holen zu lassen. Die Herabstufung sei nicht
       sonderlich überraschend gewesen, befindet die New York Times: Die Agentur
       bestätige damit nur das, was viele Beobachter an dem vergangene Woche
       verabschiedeten Schuldenkompromiss monierten.
       
       Mit der Anhebung der Schuldenobergrenze bei gleichzeitigen massiven
       Haushaltseinsparungen konnte zwar die Zahlungsunfähigkeit des Staats
       verhindert werden; doch "der von Kongress und Regierung beschlossene Plan
       zur Haushaltskonsolidierung bleibt hinter dem zurück, was unseres Erachtens
       zur Stabilisierung der mittelfristigen Verschuldungsdynamik nötig wäre",
       schreiben die S&P-Analysten in der Begründung ihres Schritts.
       
       ## Rechenfehler unterstellt
       
       Vier Billionen Dollar Einsparungen hält die Agentur S&P für nötig, fast
       doppelt so viel, wie in dem Kompromiss vorgesehen. Sie kritisiert auch,
       dass dieser keinerlei Steuererhöhung zur Finanzierung des Haushaltsdefizits
       vorsieht. Und dann setzt sie noch mit ein paar Ohrfeigen für die Politiker
       nach: "Die Effektivität, Stabilität und Berechenbarkeit amerikanischer
       Politik" habe sich noch dramatischer verschlechtert als erwartet. Wenn das
       so weitergehe, sei eine weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit nicht
       ausgeschlossen.
       
       US-Präsident Barack Obama rief über seinen Sprecher die Parteien zu mehr
       Einigkeit auf. Die Einigung auf einen Schuldenkompromiss habe zu lange
       gedauert, räumte er ein. Ansonsten findet die Regierung in Washington das
       alles aber höchst ungerecht. Die Ratingagentur habe sich um zwei Billionen
       Dollar zu ungunsten des US-Haushalts verrechnet. Eine Bewertung, die auf
       einem derartigen Fehler beruhe, spreche doch wohl für sich selbst, sagte
       ein Sprecher des Finanzministeriums verschnupft. S&P-Chef David Beers
       antwortete kühl: "Die politischen Risiken hatten in diesem Fall ein höheres
       Gewicht als der finanzielle Aspekt."
       
       Der ehemalige Vorsitzende des Finanzausschusses im Abgeordnetenhaus, der
       Demokrat Barney Frank, bezeichnete S&P als inkompetent und appellierte an
       die Investoren: "Bitte schenken Sie diesen Leuten keine Beachtung."
       Schließlich habe dieselbe Ratingagentur auch bei den Schrottanleihen Mist
       gebaut, die als Auslöser der letzten Finanzkrise gelten. Jetzt sei sie
       übertrieben streng mit den staatlichen Schuldnern.
       
       Die Frage ist nun, ob sich die Anleger dadurch beruhigen lassen, wenn die
       Börsen heute wieder öffnen. Werden sie wie schon in den vergangenen Tagen
       Aktien über Bord werfen und so weitere Kursstürze auslösen - oder werden
       sie die jetzt günstigeren Preise nutzen und wieder in den Markt einsteigen?
       Werden sie US-Staatsanleihen massenhaft abstoßen und dadurch die Zinsen in
       die Höhe treiben, die der Staat für seine Schulden zahlen muss - oder
       werden sie ihnen die Treue halten, allein schon deswegen, weil europäische
       Wertpapiere derzeit noch viel riskanter erscheinen?
       
       ## "Ein bisschen riskanter und ein bisschen verrückter"
       
       Ökonomen haben da unterschiedliche Einschätzungen. Garett Jones von der
       George Mason University bei Washington hält die Herabstufung für "keine
       Katastrophe - die Situation ist nur ein bisschen riskanter und ein bisschen
       verrückter ist, als wir noch vor ein oder zwei Monaten glaubten".
       
       Sein Kollege Kenneth Rogoff von der Harvard University warnt jedoch: "Ein
       derartiges Ereignis kann mitunter Reaktionen auslösen, die weit über das
       hinausgehen, was man erwarten würde." Auf den arabischen Aktienmärkten, die
       sonntags geöffnet sind, kam es gestern jedenfalls zu einem Kursrutsch. Die
       meisten Länder der Region haben ihre Währungen an den US-Dollar gekoppelt.
       
       Eindeutig war die Reaktion aus Peking: "China, der größte Gläubiger der
       weltweit größten Supermacht, hat nun alles Recht der Welt, von den USA zu
       verlangen, ihr strukturelles Schuldenproblem anzugehen und die Sicherheit
       der chinesischen Dollaranlagen zu gewährleisten", ätzte die amtliche
       Nachrichtenagentur Xinhua. "Die US-Regierung muss sich an die unangenehme
       Tatsache gewöhnen, dass die guten alten Tage vorbei sind, in denen sie sich
       einfach durch immer weitere Schulden aus der selbst verursachten Misere
       herauskaufen konnte." Die unabhängige chinesische Ratingagentur Dagong
       Global hatte die Bewertung der USA angesichts der enormen Verschuldung
       schon im vergangenen Jahr gesenkt.
       
       7 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Liebert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
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