# taz.de -- Debatte Sanktionen: Vom Sinn des kalten Geldes
       
       > Die internationale Gemeinschaft tut sich schwer, Auslandskonten von
       > Diktatoren einzufrieren. Sie agiert behäbig. Die betroffenen Herrscher
       > hingegen sind fix.
       
 (IMG) Bild: Die Frage ist ja auch, wen Sanktionen treffen: Libyscher Arbeiter zählt Geld.
       
       Immer wieder diskutiert die internationale Gemeinschaft bei schweren
       Menschenrechtsverletzungen darüber, militärisch zu intervenieren.
       
       Doch wäre es nicht effektiver und vor allem humaner, die Konten der
       Diktatoren einzufrieren und Wirtschaftssanktionen zu verhängen? Der Umgang
       der Staatengemeinschaft mit den staatlichen Gewaltexzessen in Libyen,
       Syrien und Ägypten liefert einige neue Erkenntnisse zur dieser seit
       Jahrzehnten geführten Debatte.
       
       Bis vor 20 Jahren wurden Wirtschaftssanktionen gerade von Linken und
       Pazifisten als letztes Mittel nichtmilitärischer Konfliktintervention
       befürwortet, zumeist ohne Einschränkungen. Seit den 60er Jahren drehte sich
       die Sanktionendebatte vor allem um das Apartheidsystem in Südafrika.
       
       Das vom UNO-Sicherheitsrat gegen Pretoria verhängte Waffenembargo in
       Verbindung mit den von zahlreichen Staaten verfügten bilateralen
       Sanktionsmaßnahmen (etwa Stopp der Öllieferungen), dem Rückzug vor allem
       US-amerikanischer Banken und Großkonzerne sowie Verbraucherboykottkampagnen
       gegen südafrikanische Konsumprodukte trugen wesentlich dazu bei, dass das
       Apartheidregime Anfang der 90er Jahre endlich überwunden wurde.
       
       ## Musterbeispiel Südafrika
       
       Wahrscheinlich wäre das Regime noch schneller kollabiert, hätten sich auch
       die finanziellen Hauptstützen aus Südafrika zurückgezogen, also Deutsche
       Bank, Commerzbank und Dresdner Bank.
       
       Die UN-Sanktionen gegen den Irak von 1991 bis 2002 aber hatten verheerende
       Folgen. 500.000 Kleinkinder starben, weil es an Nahrung und Medikamenten
       fehlte. Das Regime von Diktator Saddam Hussein hingegen blieb ungefährdet.
       Entsprechend wurden die Befürworter von Sanktionen skeptisch bis ablehnend.
       
       In der Folge entwickelten UN-Expertinnen das Konzept "intelligenter
       Sanktionen". Sie sollen sich nur gegen die Vertreter der politischen und
       militärischen Führung eines Landes richten und die Bevölkerung so wenig wie
       möglich belasten. Zentraler Bestandteil dieser Strategie ist das Einfrieren
       von Auslandsvermögen des Führungspersonals sowie von Staatsunternehmen. Und
       der Fall Libyen zeigt, welches Potenzial in ihr steckt.
       
       Mitte Februar beauftragte US-Präsident Barack Obama das Finanzministerium
       in geheimer Verfügung, die Gelder des Gaddafi-Clans und andere libysche
       Auslandsvermögen auf US-Banken aufzuspüren und einzufrieren. Statt wie
       erwartet 100 Millionen US-Dollar fand und sperrte das Finanzministerium bis
       zum 25. Februar 29,7 Milliarden Dollar. Das Geld liegt wirklich fest, es
       darf nicht verwendet und womöglich etwaigen Rebellen zugeführt werden.
       Bislang erlischt der Anspruch der Exbesitzer nicht.
       
       ## Behäbigkeit nutzt Diktaturen
       
       Erst einen Tag später verfügte auch der UN-Sicherheitsrat das Einfrieren
       der Auslandsvermögen von Gaddafi und 14 weiteren Personen. Bis zur
       Umsetzung dieses Beschlusses durch die UN-Mitgliedsstaaten vergingen
       allerdings mehrere Wochen - Zeit genug für das Gaddafi-Regime, den Großteil
       seines auf mindestens 160 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens von
       Auslandskonten abzuziehen.
       
       Statt die für jedes UN-Mitglied verbindliche Resolution des
       Sicherheitsrates sofort umzusetzen, machten Deutschland und andere
       europäische Staaten ihren Vollzug in völkerrechtlich zumindest fragwürdiger
       Weise abhängig von einem vorherigen Konsensbeschluss der EU. So löblich der
       Versuch ist, eine gemeinsame Außenpolitik zu formulieren - im Endeffekt
       bekam Gaddafi noch einmal mehrere Tage Zeit, um seine Konten in der EU zu
       räumen.
       
       Noch vor dem EU-Beschluss verkündete ausnahmsweise die Schweiz als erstes
       europäisches Land die Sperrung libyscher Gelder in Höhe von 650 Millionen
       Franken. Allerdings handelt es sich lediglich um Guthaben libyscher
       Staatsunternehmen auf Schweizer Banken. Wie viel persönliches Vermögen des
       Gaddafi-Clans sich noch auf eidgenössischen Konten befinden, dazu geben die
       Banken und die Regierung in Bern bislang keine Auskunft.
       
       Aufgrund des Bankgeheimnisses, das in den letzten Jahrzehnten neben den
       Geldern ausländischer Steuerflüchtlinge viele hundert Milliarden
       Diktatorengelder aus aller Welt anzog und damit wesentlich zum heutigen
       Reichtum der Alpenrepublik beitrug, gehörte die Schweiz bislang zu den
       größten Hindernissen bei der Umsetzung von Finanzsanktionen.
       
       Aber auch in vielen anderen westlichen Staaten mangelt es an der
       erforderlichen Transparenz, an der Kooperationsbereitschaft der Banken oder
       schlicht an nationalen Gesetzen zur schnellen und effektiven Umsetzung von
       UNO- Sanktionen. Und nach wie vor verfügt die UNO über kein System, um die
       Einhaltung von durch den Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen zu
       überwachen, durchzusetzen und Verstöße zu ahnden.
       
       Trotz all dieser Schwierigkeiten wurden bislang weltweit libysche Gelder in
       Höhe von rund 60 Milliarden US-Dollar eingefroren. Darunter rund 9
       Milliarden in Deutschland - auf fast 200 Konten der Bundesbank sowie bei 13
       weiteren Geldinstituten.
       
       ## Frisches Geld für die Despoten
       
       Über die schätzungsweise 70 Milliarden Dollar, die Ägyptens Exdiktator
       Husni Mubarak und seine Familie mithilfe internationaler Banken außer
       Landes geschafft haben, fehlt bislang jede Auskunft.
       
       Und im Falle Syrien kam Anfang Mai der Beschluss der EU, die
       Auslandsvermögen von zunächst 13 Mitgliedern der politischen und
       militärischen Führung einzufrieren, zu spät und war nicht weitreichend
       genug. Zumal Staatschef Baschar al-Assad auf Betreiben von Außenminister
       Guido Westerwelle von diesen EU-Sanktionen ausgenommen wurde.
       
       Doch selbst wenn "intelligente Finanzsanktionen" künftig schneller,
       effektiver und mit größerer internationaler Geschlossenheit umgesetzt
       werden sollten, werden sie allein kaum ausreichen, um die gewünschten
       politischen Veränderungen zu bewirken.
       
       Zumal dann nicht, wenn, wie im Fall Libyen, die Öl- und Gasindustrie des
       Landes nicht mit Sanktionen belegt ist, und nicht nur chinesische und
       russische, sondern auch US-amerikanische und europäische Konzerne weiterhin
       ihre einträglichen Geschäfte mit dieser Industrie machen und viel frisches
       Geld in die Kassen der Diktatoren spülen.
       
       16 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Aufstand in Syrien: Karikaturist verprügelt
       
       Der Karikaturist Ali Farzat stellt in seinen Zeichnungen die Heuchelei und
       Brutalität der Machthaber in der Region bloß. Nun liegt er verletzt im
       Krankenhaus.
       
 (DIR) Sanktionen gegen Syrien: Assad ist unbeeindruckt
       
       Das syrische Regime zeigt sich gelassen angesichts der
       Rücktrittsforderungen des Westens. Deutschland und andere europäische
       Staaten wollen UN-Sanktionen durchsetzen.
       
 (DIR) Assad telefoniert mit UN-Generalsekretär: Militäraktionen sollen beendet sein
       
       Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in einem Telefonat mit Ban Ki
       Moon gesagt, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten sei beendet.
       Reformen seien geplant.
       
 (DIR) Krieg in Libyen: Gaddafi will angeblich nach Südafrika
       
       Einem Zeitungsbericht zufolge ist der libysche Machthaber krank und will
       sich behandeln lassen. Doch Südafrika ist Mitglied des Internationalen
       Strafgerichtshofs und müsste ihn festnehmen.
       
 (DIR) Aufstand in Syrien: Westerwelle droht mit neuen Sanktionen
       
       Assad schiebt seine Truppen von einem Brennpunkt zum nächsten. Deutschland
       und die Türkei wollen den Druck auf das syrische Regime erhöhen, Russland
       liefert weiter Waffen.
       
 (DIR) Kommentar Libyen: Das Regime ist am Ende
       
       Die Nato sollte ihre Kampfhandlungen einstellen, um eine Lösung am
       Verhandiungstisch zu ermöglichen. Auch gilt es jetzt, auf die Rebellen
       mäßigend einzuwirken.
       
 (DIR) Krieg in Libyen: Scud-Rakete ins Nirgendwo
       
       Die Rebellen nähern sich Tripolis und Machthaber Gaddafi greift zu
       drastischen Mitteln: Erstmals ließ er Richtung Brega eine
       Kurzstreckenrakete abfeuern.
       
 (DIR) Deutsche Syrien-Politik: Mehr Druck auf Assad gefordert
       
       Die Opposition findet den Syrien-Kurs der Bundesregierung zu lasch. SPD und
       Grüne fordern ein Ölembargo. Auch müsse der Botschafter abgezogen werden.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Libyen: Rebellen lösen Regierung auf
       
       Die Suspendierung des Exekutivbüros des Übergangsrates soll mit der
       Ermordung von Militärchef Junes vor einer Woche in Verbindung stehen. Die
       EU weitet ihre Sanktionen gegen Gaddafi aus.
       
 (DIR) UN-Sicherheitsrat zu Syrien: Erklärung statt Resolution
       
       Im UN-Sicherheitsrat könnte es jetzt doch noch zu einer Einigung in der
       Haltung zu Syrien kommen. Denkbar sei eine präsidentielle Erklärung statt
       einer Resolution, heißt es.