# taz.de -- Debatte Eurobonds: Von wegen Wunderwaffe
       
       > Sie werden Deutschland viel Geld kosten und sie verstoßen gegen die
       > jetzige europäische Verfassung. Die Zeit für Eurobonds ist noch nicht
       > reif, sagt Karl Lauterbach.
       
       In der Diskussion um die Eurokrise werden Eurobonds wie eine Wunderwaffe
       gehandelt. Wenn sich gebeutelte Länder wie Griechenland, Portugal und
       Irland der Eurobonds bedienen könnten, heißt es, statt selbst bei
       angeschlagener Bonität am Kapitalmarkt Anleihen tätigen zu müssen, dann
       könnte die Spekulation gegen sie sofort beendet werden. Italiens
       Finanzminister etwa beklagt gerade, dass Eurobonds die jetzt dort
       vorgesehenen Strukturmaßnahmen einschließlich der höheren Steuern für
       Reiche überflüssig gemacht hätten.
       
       Die Zinsen für Staatsanleihen für Deutschland liegen derzeit so niedrig wie
       noch nie. Griechenland muss dagegen mehr als 15 Prozent zahlen. Deshalb
       kann sich das Land am Kapitalmarkt kein Geld mehr besorgen und ist auf
       Anleihen aus IWF- und EU-Rettungsschirmen angewiesen. Gäbe es hingegen eine
       gemeinsame Staatsanleihe aller Länder der Eurozone, so die Logik der
       Eurobondfans, dann könnte gegen einzelne Länder nicht mehr spekuliert
       werden und auch teure Rettungspakete würden überflüssig.
       
       Zwar wären unsere Staatsanleihen und somit auch langfristig die Zinsen für
       bereits vorhandene Schulden vielleicht etwas höher, doch immerhin könnten
       nicht nur die Kosten weiterer Rettungspakete vermieden werden, sondern der
       Euro gerettet und auf lange Sicht durch den so gesicherten Export in Europa
       volkswirtschaftliche und steuerliche Gewinne gemacht werden. Vielleicht
       sogar entwickelte der Eurobonds eine solche Attraktivität, dass die Zinsen
       für Deutschland sogar noch weiter sinken könnten. Heureka! Das klingt nach
       einer kompletten Win-win-Angelegenheit - und nur die bösen Spekulanten
       verlören.
       
       ## Weder politischer noch ökologischer Selbstläufer
       
       Leider sind die Dinge nicht so einfach. Um es gleich zu sagen, ich lehne
       die Einführung von Eurobonds nicht grundsätzlich ab. Aber sie kann erst
       erfolgen, wenn einige wichtige Voraussetzungen erfüllt wurden. Keineswegs
       ist sie ein politischer oder ökonomischer Selbstläufer.
       
       Zunächst muss jedem klar sein, dass die Einführung von Eurobonds die
       dauerhafte (!) Einführung einer Transferunion in Europa bedeutet. Wenn
       Länder mit guter Bonität einen Teil ihrer Bonitätsvorteile an andere
       verschenken, so trägt die Kosten dafür der Steuerzahler - in diesem Fall
       der deutsche Steuerzahler. Wir werden für die vorhandenen Rekordschulden in
       Zukunft, d. h. insbesondere jüngere Menschen, höhere Zinsen bezahlen
       müssen, und den Schuldenberg abzutragen wird eine noch größere Aufgabe
       werden. Dass Eurobonds unsere besonders niedrigen Zinsen für Staatsanleihen
       erreichen oder unterbieten, ist Wunschdenken. Unsere Zinsen sind ja gerade
       in dem Maße und dadurch niedriger geworden, dass die Anleihen anderer
       europäischer Länder an Attraktivität verloren haben.
       
       Schlechtere Bonität durch Eurobonds gemeinsam mit einer allgemeinen
       Zinssteigerung könnten unseren Haushalt so stark belasten, dass wir unsere
       Ausgaben drastisch verringern müssen.
       
       ## Eurobonds sind sehr teuer
       
       Allein die Einführung der Eurobonds ohne allgemeine Zinssteigerung kann 30
       Milliarden pro Jahr langfristig kosten. Das ist mehr, als wir für die
       Pflegeversicherung insgesamt ausgeben. Strikte Sparmaßnahmen und eine harte
       Schuldenbremse sind daher Voraussetzungen für die Einführung von Eurobonds.
       Wenn einzelne Länder sich lieber an relativ günstigen Eurobonds bedienen,
       statt rigoros zu sparen, werden andere zu Recht reklamieren, dass sie durch
       ihre Einsparungen und Disziplin den günstigen Zinssatz sichern, für den die
       weniger disziplinierten sich Geld leihen. Schnell kann der Eindruck
       entstehen, dass Deutschland spart, damit andere sich günstiger verschulden
       können, als es ihnen wirtschaftlich zusteht. Daher müssen sich vor der
       Einführung von Eurobonds alle beteiligten Länder auf strikte
       Schuldenbremsen und entsprechende Sanktionsmöglichkeiten verständigen.
       
       Eine weitere Voraussetzung ist die politische Legitimation von Eurobonds.
       Die Grundlagen des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission sehen
       nicht vor, dass Europa eine Transferunion ist. Der Lissabon-Vertrag und der
       Maastricht-Vertrag verbieten sogar solche Transfers. Also müssen die Bürger
       Europas über die neuen Grundlagen informiert werden und müssen neu
       abstimmen.
       
       Ob es eine Zustimmung für Europa als Transferunion durch neue Verträge vor
       der Konsolidierung der Haushalte aller Mitgliedsländer geben wird, ist aber
       nicht klar. Es ist ein Unterschied, ob in kurzfristigen Rettungsaktionen
       von einem oder zwei Mitgliedsländern auch wiederholt die Regierungschefs im
       Notfall vor der Befassung der Parlamente eine Rettungsaktion durchziehen
       oder ob ich die Grundlagen der Europapolitik gravierend und dauerhaft ohne
       Befassung der Parlamente oder gar Volksentscheide verändere.
       
       ## Spekulanten erzwingen Reform
       
       Damit kein Missverständnis entsteht, ich gehöre zu den Befürwortern einer
       Wirtschaftsunion Europa, selbst dann, wenn es unseren Wohlstand nicht
       unbedingt fördern würde. Es geht mir dabei mehr um das politische Gewicht
       Europas und den Einfluss auf internationale Menschenrechtspolitik und
       anderes. Aber hier muss mit offenem Visier gekämpft werden. Gerade die Idee
       eines geeinten Europas kann nicht durch Trickserei und eine Art
       Parallelgesetzgebung durch die Regierungschefs an den Parlamenten vorbei
       beschlossen werden.
       
       Der Rettungsschirm durch EFSF und ESM ist daher eine Brücke, über die alle
       Länder Europas gehen müssen, die den Prozess der politischen und
       wirtschaftlichen Vereinigung wollen. Hier müssen einzelne Länder um
       Unterstützung nachfragen, die sie nur gegen hohe Auflagen erhalten werden.
       Die Einrichtungen erzwingen quasi die Strukturreformen, die Voraussetzung
       für die Schaffung einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik sind.
       Der Wandel wird daher durch den Finanzmarkt einschließlich der Spekulanten
       beschleunigt, sie sind nützlich.
       
       In Italien sind es die Spekulanten, die die notwendigen Reformen erzwingen,
       und ein verfrühter Eurobond hätte sie verhindert, mit entsprechendem
       Langzeitschaden für Europa.
       
       30 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karl Lauterbach
       
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