# taz.de -- Rot-grüne Sondierung in Berlin: Autobahn geht nicht in Verlängerung
       
       > Damit ihre Koalition zustande kommt, haben sich SPD und Grüne darauf
       > geeinigt, die A100 vorerst nicht auszubauen. Und Renate Künast erteilt
       > Schwarz-Grün auch im Bund eine klare Absage.
       
 (IMG) Bild: Ein Strich durch die Rechnung der A100-Verlängerer. Doch schau an: Er ist sogar rot gefärbt.
       
       BERLIN taz/rtr Der Papst ist weg, das Spätsommerwetter wunderschön, dazu
       kommt ein neuer Weltrekord beim Berlin-Marathon. SPD und Grüne an der Spree
       haben einen weiteren Grund, super drauf zu sein: Schon gut eine Woche nach
       der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gibt es aus beiden Parteien
       eindeutige Signale, dass sich die Bildung einer rot-grünen Koalition unter
       dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) abzeichnet. Am Montag
       tagen die Landesvorstände zum weiteren Vorgehen.
       
       Nach Aussagen von Wowereit und Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sind
       nach zwei Sondierungsrunden "große Annäherungen" bei den Knackpunkten
       erzielt worden. Insbesondere sollen sich die Verhandlungsführer bei
       Streitfragen in der Verkehrspolitik - wie der Rolle des neuen Airports oder
       dem Weiterbau der umstrittenen Stadtautobahn A100, die Wowereit sehr am
       Herzen lag - einen Kompromiss gefunden haben.
       
       Demnach bleiben die A100-Pläne in den kommenden Jahren in der Schublade.
       Das ist ein Dämpfer für Wowereit. SPD und Grüne hatten zwar Vertraulichkeit
       über die Treffen verabredet. Die grüne Berliner Parteispitze bestätigte
       aber gegenüber der taz indirekt diesen Kompromiss. Die Grünen dürften
       dagegen bei anderen Infrastrukturprojekten, wie etwa bei der
       Umstrukturierung der S-Bahn oder beim Neubau von Autobahnzubringern,
       Zugeständnisse an Wowereit und die SPD signalisiert haben.
       
       Am Montag trifft sich der SPD-Landesvorstand, um über den Stand der
       Gespräche zu beraten. Sollte dieser die Resultate positiv beurteilen,
       dürfte er sofort die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen. Die
       Berliner Grünenspitze will ebenfalls am heutigen Montag eine Empfehlung
       abgeben, in welche Richtung es geht. Für Freitag ist ein außerordentlicher
       Grünen-Parteitag geplant, der die Koalitionsverhandlungen mit der SPD
       beschließen könnte.
       
       Seit 2002 koaliert Wowereit mit der Linkspartei. Bei der Wahl waren die
       Sozialdemokraten auf 28,3, die Grünen auf 17,6 Prozent gekommen, die
       Linkspartei abgestürzt. Mit der CDU, mit 23,4 Prozent zweitstärkste Kraft
       geworden, traf sich die SPD zu einem Sondierungsgespräch. Ohne Ergebnis.
       
       ## Option Schwarz-Grün
       
       Die Verlängerung der durch den Westteil Berlins verlaufenden A100 in den
       Osten ist insbesondere wegen der immensen Kosten ein Zankapfel: Der jetzt
       avisierte gut drei Kilometer lange Abschnitt zwischen dem Stadtteil
       Neukölln und dem Treptower Park gilt wegen der geschätzten 420 Millionen
       Euro Kosten als eines der teuersten Autobahn-Projekte Deutschlands. Ihm
       müssten Wohnhäuser und Kleingärten weichen, zudem wäre ein aufwändiger
       Tunnelbau erforderlich.
       
       Unterdessen hat die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, die
       als Spitzenkandidatin ihrer Partei in die Berlin-Wahl gegangen war und nun
       an den Sondierungsgesprächen teilnimmt, eine Koalition mit der Union auch
       für den Bund definitv ausgeschlossen. "Die Option Schwarz-Grün werden wir
       bei den nächsten Wahlen zumachen müssen", sagte sie dem Spiegel. Berlin
       habe gezeigt, dass die Grünen-Wähler "da 150 Prozent Klarheit brauchen".
       
       Künast hatte im Wahlkampf die Option eines Bündnisses mit der CDU lange
       offen gehalten, was von der linken Parteibasis als strategischer Fehler
       kritisiert wurde. Am Ende schnitten die Grünen dann nicht so gut ab wie
       ursprünglich erhofft: Sie wurden lediglich drittstärkste Kraft hinter SPD
       und CDU.
       
       Offener für Gespräche mit den Grünen äußerte sich dagegen
       Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Der CDU-Vizeparteichef bezeichnete
       die Grünen im Spiegel zwar als politischen Konkurrenten, mit dem aber
       anders als früher kein "Feindschaftsverhältnis" mehr bestehe. Er wolle mit
       den Grünen eine Debatte darüber führen, wer die besseren Konzepte für
       Umweltschutz habe.
       
       Allerdings wies der Parlamentarische Geschäftsführer der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, trotz der gegenwärtigen
       Schwäche der FDP sowohl die Aussicht auf ein schwarz-grünes Bündnis als
       auch die Option auf eine Minderheitsregierung zurück. "Das größte
       EU-Mitgliedsland kann sich nicht in der gegenwärtigen Finanzkrise auf die
       Perspektive einer Minderheitsregierung einlassen", sagte Altmaier der
       Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit Blick auf Spekulationen,
       Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte nach einem Scheitern der Abstimmung
       über den Euro-Rettungsschirm EFSF am kommenden Donnerstag eine
       Minderheitsregierung bilden.
       
       Die Union müsse für die Bundestagswahl die Perspektive eines Bündnisses mit
       der FDP aufrecht halten, weil es keine andere Möglichkeit für die Union
       gebe, forderte Altmaier. "Die SPD und die Grünen wollen Rot-Grün machen."
       
       ## Verzweiflung der Liberalen
       
       Dass wiederum die Liberalen bei ihrem Weg aus der Krise möglicherweise auch
       nach links abbiegen könnten, stößt bei der SPD auf wenig Resonanz. "Ich
       sehe keinen Anlass, über eine Koalition mit der FDP nachzudenken", erklärte
       der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Er empfahl
       den Liberalen den Gang in die Opposition. "Die FDP muss sich selbst finden,
       bevor irgendjemand bereit sein wird, mit ihr in eine Koalition zu gehen."
       Die Verzweiflung bei den Liberalen müsse angesichts schlechter Umfrage- und
       Wahlergebnisse groß sein, wenn sie nun Entwicklungsminister Dirk Niebel
       vorschicke.
       
       Als zweiter ranghoher FDP-Politiker hatte Niebel eine Koalition mit der SPD
       nicht ausgeschlossen. "Wenn die inhaltlichen Schnittmengen stimmen, ist ein
       Bündnis mit der SPD auch auf Bundesebene möglich", sagte er dem Hamburger
       Abendblatt. Niebel betonte aber zugleich, dass die Koalition mit der Union
       weiter die bevorzugte Option für die FDP sei. Die schwarz-gelbe Koalition
       funktioniere und werde trotz der Kritik der Opposition bis 2013 halten.
       "Und ich bin davon überzeugt, dass die Gemeinsamkeiten von Union und FDP
       für eine weitere Wahlperiode reichen."
       
       Bereits Anfang Juli hatte die stellvertretende FDP-Chefin Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger eine Öffnung zur SPD gefordert. "Die FDP darf
       sich nicht einseitig auf die Union ausrichten", hatte die Justizministerin
       gewarnt. Schnittmengen zwischen SPD und FDP gebe es etwa in der Außen- und
       Verteidigungspolitik. Die Sozialdemokraten reagierten schon damals
       zurückhaltend auf die Avancen. LAU
       
       25 Sep 2011
       
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