# taz.de -- Leiter des U-Ausschuss über das Nazitrio: "Sagen, wer Mist gebaut hat"
       
       > Sebastian Edathy (SPD) soll den Untersuchungsausschuss zur Zwickauer
       > Terrorzelle leiten. Er spricht über Hasspost von Nazis und warnt vor
       > taktischen Spielchen.
       
 (IMG) Bild: Der Ausschuss soll aufklären - über eines der größten Behördenversagen der vergangenen Jahrzehnte.
       
       taz: Herr Edathy, wo waren Sie am 11. November, als bekannt wurde, wer
       hinter der mehr als zehn Jahre unaufgeklärten Mordserie an Migranten
       steckt? 
       
       Sebastian Edathy: Ich war mit dem Auto auf dem Weg von Berlin in meinen
       Wahlkreis in Niedersachsen. Während der Fahrt habe ich im Radio von der
       Zwickauer Terrorzelle gehört.
       
       Was dachten Sie? 
       
       Ich war schockiert über die Abgründigkeit des Handelns dieser Menschen.
       Gleichzeitig hat mich aber nicht überrascht, dass es tödliche Gewalt von
       Neonazis gibt. Jeder, der die Szene beobachtet, weiß das. Auch
       rechtsterroristische Strukturen gab es in Deutschland in Ansätzen bereits,
       aber die Systematik des Vorgehens dieser Terrorzelle hat eine neue
       Qualität.
       
       Sie werden nun den Untersuchungsausschuss leiten, der das wohl größte
       Versagen der Behörden seit Jahrzehnten aufklären soll. Die Erwartungen sind
       hoch. Zu hoch? 
       
       Es wird viel Arbeit auf uns zu kommen, zumal wir unseren Bericht bis zum
       Ende der Wahlperiode 2013 vorlegen müssen. Aber die Bürgerinnen und Bürger
       haben ein Recht auf Aufklärung. Und dazu wollen wir beitragen. Zum ersten
       Mal soll ein Untersuchungsausschuss auch Empfehlungen abgeben, wie Gesetze
       und Behördenstrukturen verändert werden müssen, um ein solches Versagen in
       Zukunft zu verhindern.
       
       Wie könnte eine solche Empfehlung aussehen? Die Verfassungsschutzämter
       einzelner Länder zusammenlegen oder zu Außenstellen des Bundes machen? 
       
       Man kann schlecht das Ergebnis eines Ausschusses vorwegnehmen, bevor er
       sich gebildet hat. Aber wir werden uns sicher genau anschauen, warum die
       Informationen zwischen den Behörden so unzulänglich ausgetauscht wurden und
       wie man das künftig besser machen kann.
       
       Untersuchungsausschüsse gelten immer auch als Kampfmittel der Opposition.
       Da geht es oft mehr um Parteiinteressen als um echte Aufklärung. 
       
       Wer sich in diesem Ausschuss parteipolitisch profilieren will, hat den
       Ernst der Sache nicht verstanden. Mein Eindruck ist: Die Bestürzung, die
       der Bundestag in seiner gemeinsamen Resolution vor Weihnachten zum Ausdruck
       gebracht hat, ist echt.
       
       Linke, Grüne und FDP unterstellen zumindest hinter vorgehaltener Hand Union
       und SPD ein gebremstes Aufklärungsinteresse - weil die großen Parteien in
       den entscheidenden Jahren die meisten Minister und Behördenchefs stellten. 
       
       Mein Anspruch als Leiter dieses Ausschusses ist, dass alles Relevante auf
       den Tisch kommt. Und wenn ein Minister oder Beamter mit SPD-Parteibuch Mist
       gebaut haben sollte, dann muss auch das benannt werden. Auch
       Sozialdemokraten sollen dem Vernehmen nach nicht unfehlbar sein.
       
       Die ersten Länderinnenminister sagen nun, dass sie Ihrem Ausschuss ihre
       Akten nicht geben wollen. 
       
       Auch die Länder müssen ein massives Interesse daran haben, dass keine
       Vorwürfe ungeklärt bleiben. Formal hat ein Untersuchungsausschuss des
       Bundestags das Recht, auf Länderunterlagen zuzugreifen, wenn es um
       Bund-Länder-Beziehungen geht. Ich rate stark von einer Konfrontation ab, um
       der Sache willen brauchen wir eine Kooperation.
       
       Angenommen Helmut Roewer, der Thüringer Verfassungsschutzchef war, als das
       Terrortrio dort 1998 untertauchte, würde nicht aussagen wollen: Was machen
       Sie? 
       
       Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Zeugen, die der
       Untersuchungsausschuss begründet lädt, auch erscheinen. Wenn nicht, gibt es
       einschlägige Abschnitte im Gesetz, vom Ordnungsgeld bis zur
       Zwangsvorführung.
       
       Auch Sie werden immer wieder von Rechtsextremen angefeindet. Weil Sie sich
       gegen Neonazis engagieren. Und weil Ihr Vater aus Indien stammt. 
       
       Seit 1998 hefte ich die Hasspost ab, die bei mir landet. Drei Aktenordner
       sind inzwischen zusammengekommen.
       
       Auch auf der Hetzseite "Nürnberg 2.0" wird Ihr Name genannt. Man kann deren
       Botschaft so interpretieren: Wenn wir am Ruder sind, ist der Edathy dran. 
       
       So ist es auch gemeint. Demokraten dürfen sich aber nicht einschüchtern
       lassen.
       
       Haben die Behörden verschlafen, was da im Netz passiert? 
       
       Es hat lange gedauert, aber ich glaube, dass die Sicherheitsbehörden die
       Hetze im Netz spätestens seit dem Attentat in Norwegen ernster nehmen. Es
       wird nun endlich auch systematischer beobachtet, was im Umfeld von
       Islamhasserseiten wie PI oder Nürnberg 2.0 passiert. Das ist richtig so. Es
       gibt eben nicht nur geworfene Brandsätze, sondern auch geschriebene.
       
       23 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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