# taz.de -- Richter über Funkzellenabfrage: "Dresden war exzessiver"
       
       > Der Richter und IT-Experte Ulf Buermeyer über den Vergleich der
       > Funkzellenabfragen in Berlin und Dresden. Und darüber, was an den
       > Gesetzen geändert werden sollte.
       
 (IMG) Bild: Umstrittene Daten aus der Hauptstadt: Mobilfunkmasten in Berlin.
       
       taz: Herr Buermeyer, rund 400 mal wertete die Berliner Polizei in den
       letzten Jahren aus, mit welchen Handys im Umfeld einer Autobrandstiftung
       telefoniert wurde. Kann das verhältnismäßig sein? 
       
       Ulf Buermeyer: Die Häufigkeit einer Ermittlungsmaßnahme sagt nichts darüber
       aus, ob sie im Einzelfall verhältnismäßig war - das muss aber jeweils genau
       geprüft werden.
       
       Und wie sieht es im typischen Einzelfall aus? Wird hier nicht mit Kanonen
       auf Spatzen geschossen? 
       
       Laut Strafprozessordnung ist die Funkzellenabfrage zur Aufklärung
       "erheblicher Straftaten" zulässig. Auch Autobrandstiftung kann
       darunterfallen. Es ist auch nicht abwegig, auf diesem Wege Serientäter zu
       suchen - in der Hoffnung, dass sie ihr Handy dabeihatten. Die
       Funkzellenabfrage war nie auf terroristische oder ähnlich schwere
       Straftaten beschränkt. Das ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, die der
       Richter hinzunehmen hat.
       
       Kann die Funkzellenabfrage wie in Berlin Routine sein? 
       
       Auch wenn eine solche Abfrage häufig durchgeführt wird, darf sie keine
       gedankenlose Routine werden. Immerhin werden dabei die Grundrechte von
       Tausenden Bürgerinnen und Bürgern tangiert.
       
       In Berlin wurden 4 Millionen Verbindungsdaten gespeichert, bei der
       skandalösen Funkzellenabfrage in Dresden 1 Million. Ist der Fall in Berlin
       dann nicht viermal so skandalös? 
       
       Der Vergleich ist schief. In Berlin geht es um rund 400 Funkzellenabfragen,
       in Dresden um nur zwei Maßnahmen. Dort wurden die Handyverbindungen also
       zeitlich und räumlich viel exzessiver erfasst.
       
       War das Vorgehen der Polizei in Dresden also schwerwiegender? 
       
       Richtig. Dort wurden ja auch wissentlich die Verbindungsdaten von
       Demonstranten und Journalisten erfasst.
       
       Warum sind bei den Providern diese Daten noch Tage und Wochen später
       vorhanden? Wir haben doch derzeit gar keine Vorratsdatenspeicherung … 
       
       Das ist in der Tat bedenklich. Jedenfalls sollten die Datenschützer das
       dringend mit den Providern klären. Zulässig ist eine Speicherung derzeit
       nur zu bestimmten eigenen Zwecken der Diensteanbieter, etwa zur Sicherung
       der Netzqualität. Begehrlichkeiten der Ermittlungsbehörden und die
       Tatsache, dass die Provider mit Abfragen ja auch Geld verdienen, dürfen
       dabei keine Rolle spielen.
       
       Sollten jetzt alle Mobilfunknutzer benachrichtigt werden, deren Nummer in
       einer der Abfragen erfasst wurde? 
       
       Nicht unbedingt. Laut Gesetz kann von einer Benachrichtigung abgesehen
       werden, wenn die Polizei erst die Adresse zu einer Mobilfunknummer
       recherchieren müsste, um den Inhaber zu benachrichtigen. Es wäre sicher
       nicht sinnvoll, Millionen von Adressen nur für die Benachrichtigung
       überhaupt erst abzufragen. In Tausenden von Fällen hat die Polizei in
       Berlin und Dresden aber ohnehin Name und Anschrift - die sogenannten
       Bestandsdaten - vom Provider erhoben und gespeichert. Hier sollten die
       Betroffenen stets eine Mitteilung erhalten.
       
       Der Bundestag diskutiert anlässlich der jüngsten Fälle bald über eine
       Reform der Funkzellenabfrage. Was sollte der Gesetzgeber ändern? 
       
       Er sollte klarer definieren, in welchen Fällen sie anwendbar ist, und die
       Richter zu genaueren Begründungen anhalten. Jährlich sollte es eine
       Statistik über die Zahl der Funkzellenabfragen geben. Schließlich sollte
       sichergestellt werden, dass die Daten aus einer Funkzellenabfrage nicht
       uferlos für andere Zwecke, etwa den Verfassungsschutz, benutzt werden
       können.
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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