# taz.de -- Debatte Iran und Israel: Im Zweifel für Krieg
       
       > Einen atomar bewaffneten Iran will die israelische Regierung auf keinen
       > Fall zulassen. Experten zweifeln, dass das noch zu verhindern ist.
       
 (IMG) Bild: Die israelische Armee übt für den Ernstfall.
       
       Vor die Alternative Krieg oder Atomstaat Iran gestellt, lassen zwei Gründe
       einen Israeli eher als einen Europäer die erste Option wählen: die
       antiisraelische Hetze des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad und
       der Holocaust. Die Frage, ob man vielleicht doch mit einem nuklear
       bewaffneten Iran leben könnte, stellt sich in Jerusalem viel weniger als
       die, wie er zu verhindern ist. Ein Atomstaat der Ajatollahs gilt in Israel
       als unmittelbar die Existenz des Judenstaates bedrohend.
       
       Einerseits drängt die israelische Regierung seit Jahren auf ernsthafte
       Sanktionen, auf der anderen Seite erschwert das von der EU für den 1. Juli
       angekündigte Ölembargo einen Angriff noch vor diesem Termin. "Die Zeit
       läuft rasend schnell ab", warnte Verteidigungsminister Ehud Barak diese
       Woche.
       
       Auf nur noch neun Monate legen Nachrichtendienste das Zeitfenster für den
       Präventivschlag fest. Danach sei Israel militärisch nicht mehr in der Lage,
       die Bunker zu knacken.
       
       Nicht zum ersten Mal kursieren Fristen, doch alles deutet darauf, dass
       Israels Armee es diesmal ernst meint: Alte Gasmasken werden ausgetauscht,
       Kampfflugzeuge üben das Tanken in der Luft, Krankenhäuser, Feuerwehr und
       Polizei proben den Ernstfall.
       
       ## Szenarien durchgespielt
       
       Seit Jahren schwebt die Bedrohung des iranischen nuklearen
       Forschungsprogramms wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Bürger von
       Tel Aviv und Jerusalem. Man gewöhnt sich an den latenten Druck und hofft
       darauf, dass das Gerede über immer engere Zeitfenster die iranische Führung
       doch noch zum Einlenken bewegen wird.
       
       Wenn nicht, gibt es noch immer Regierungschef Benjamin Netanjahu, dem es
       gelang, die letzten drei Jahre ohne große Terroranschläge oder Krieg zu
       meistern, und dem die Bevölkerung mehrheitlich vertraut. Umfragen zufolge
       halten 41 Prozent der Israelis einen Angriff für sinnvoll, 39 Prozent sind
       dagegen und 20 Prozent sind unentschieden.
       
       Um die Bedrohung einschätzen zu können und auf mögliche Szenarien
       vorbereitet zu sein, befragte das Institut für Nationale Sicherheitsstudien
       (INSS) in Tel Aviv zwei Tage lang israelische Experten und Diplomaten. Ein
       Ergebnis der Simulation war, dass der Iran offenbar nicht vorhat,
       Atomwaffen einzusetzen.
       
       Mit von der Partie bei dem strategischen Spiel war Giora Eiland, ehemals
       Nationaler Sicherheitsberater. "Ein iranischer Atombombenangriff gegen
       Israel wäre zwar das ,Worst-Case-Szenario'", sagt er, "aber er ist auch am
       wenigsten wahrscheinlich."
       
       Dem Sicherheitsapparat und der politischen Führung bereitet es deutlich
       stärkere Kopfschmerzen, dass künftige Konflikte im Nahen Osten im Schatten
       eines Atomstaats Iran stünden. Das Regime in Teheran strebe nach einer
       strategisch besseren Ausgangsposition, heißt es im Resümee der INSS-Studie.
       
       ## Ex-Mossad-Chef skeptisch
       
       Ein nuklear bewaffneter Iran könnte seinen Verbündeten eine "komplett
       andere Art von Schutz" garantieren, warnte Verteidigungsminister Barak. Zu
       diesen Verbündeten gehört die Hisbollah im Libanon. Eine neue Konfrontation
       zwischen Israel und den radikalen Schiiten würde, so Barak, im Schatten der
       nuklearen Bewaffnung Irans "unseren operativen Spielraum definitiv
       einschränken".
       
       In Jerusalem fürchtet man, dass der Atomstaat Iran zudem motivierend auf
       andere muslimische Länder wirken würde. "Eine Beschleunigung der nuklearen
       Ausbreitung in der Region kann nicht ausgeschlossen werden", heißt es in
       dem Ergebnisbericht des INSS. Mit den Angriffen 1981 auf den irakischen
       Kernreaktor in Osirat und im September 2007 auf syrische
       Nuklearforschungsanlagen stellte Israel sicher, in der unmittelbaren
       Nachbarschaft bislang einziger Atomstaat zu bleiben.
       
       "Unsere Politik ist, dass das iranische Atomprogramm auf dem einen oder
       anderen Weg gestoppt werden muss", sagt Mosche Yaalon, Minister für
       Strategische Angelegenheiten. Für eine "Wahnsinnsidee" hält hingegen der
       ehemalige Mossad-Chef Meir Dagan einen Angriff.
       
       Dagan, dessen Spezialität es sei, "einen Araber von seinem Kopf zu
       trennen", wie Ex-Regierungschef Ariel Scharon es einst formulierte, war
       bereits vor zehn Jahren von Scharon beauftragt worden, den Iran auf dem Weg
       zur nuklearen Bombe aufzuhalten. Mit auf sein Konto dürften die bis heute
       ungeklärten Todesfälle unter iranischen Physikern gehen, die das
       Atomprojekt vielleicht verzögerten, aber letztlich nicht aufhalten konnten.
       
       Der Ex-Mossad-Chef glaubt nicht daran, dass das iranische Nuklearprojekt
       noch zu stoppen ist. Stattdessen könne ein Präventivschlag gegen Iran einen
       Krieg mit der Hisbollah und der Hamas, vielleicht sogar mit Syrien
       auslösen. "Ein Krieg ist kein Picknick", gibt auch Barak zu, trotzdem werde
       es "keine 50.000 Toten und keine 5.000 und noch nicht einmal 500 Todesopfer
       geben".
       
       ## Zivile Opfer Nebensache
       
       Die zivilen israelischen Opfer, die ein iranischer Vergeltungsschlag kosten
       würde, sind offenbar der kleinste Faktor bei der Überlegung für oder wider
       den Präventivschlag. Als "schlimm, aber aushaltbar" bezeichnet Giora Eiland
       den absehbaren Schaden, den die "Bodenraketen und die Hisbollah" Israel
       zufügen können, solange von einem konventionellen Krieg die Rede ist.
       
       Von "ein bis zwei Straßenzügen in Tel Aviv" spricht er, die von iranischen
       Raketen zerstört werden könnten, wenn es ihnen gelingt, am israelischen
       Abwehrsystem vorbei ihr Ziel zu erreichen.
       
       Viele Militärs teilen Dagans Zweifel, ob sie hier nicht vor einer "mission
       impossible" stehen. Die düsterste Vision ist, dass die israelischen
       Kampfflieger abgeschossen werden, noch bevor sie dem iranischen Atomprojekt
       ernsthaften Schaden zufügen konnten. Dann, so fürchtet Giora Eiland, hätte
       Teheran aufgrund der nun "bewiesenen Bedrohung Israel" auch leichteres
       Spiel bei der Argumentation für die Atomwaffenentwicklung zur
       Selbstverteidigung.
       
       Ein Krieg am Golf werde die Ölpreise in die Höhe schnellen lassen, vermutet
       der Sicherheitsexperte. "Die ganze Welt wird Israel dafür verantwortlich
       machen." Das einzig Gute, so resümiert Eiland, der vor dem 1. Juli nicht
       mit einem Angriff rechnet, ist, "dass Israel jetzt noch nicht entscheiden
       muss".
       
       2 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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