# taz.de -- Debatte Iran und der Westen: Bellende Hunde beißen
       
       > Niemand will einen Krieg mit Iran. Aber die Propaganda im Zuge der vielen
       > Parlamentswahlen in 2012 macht ihn immer wahrscheinlicher.
       
       Die Lage war noch nie so ernst. Seit Mitte Dezember eskalieren die
       gegenseitigen Drohungen zwischen Iran und dem Westen fast täglich. Nach dem
       Beschluss der EU von Anfang dieser Woche, im Streit über das iranische
       Nuklearprogramm Sanktionen gegen die iranische Zentralbank und gegen die
       Ölindustrie des Landes zu verhängen, kündigte Teheran den Stopp aller
       Ölexporte nach Europa an und drohte erneut mit der Schließung der Straße
       von Hormus.
       
       Bereits vor dem entsprechenden Sanktionsbeschluss der USA Ende Dezember
       demonstrierte Iran mit Raketentests und einem zehntägigen Manöver seiner
       Seestreitkräfte in dem für die internationale Ölversorgung wichtigsten
       Gewässer dieser Welt militärische Stärke.
       
       Die USA und ihre europäischen Hauptverbündeten in Paris und London
       reagierten mit unverhüllten Kriegsdrohungen und verlegten zusätzliche
       Seestreitkräfte in die Golfregion. Zudem verkündete Washington neue
       Waffenlieferungen im Wert von 30 Milliarden Dollar an Saudi-Arabien, Irans
       wichtigstem Konkurrenten in der Region.
       
       ## Die nüchternen Fakten
       
       Aber droht tatsächlich ein Krieg am Persischen Golf? Ein Krieg, der
       wahrscheinlich globale und weit verheerendere Auswirkungen hätte als alle
       militärischen Konflikte, die seit dem ersten israelisch-arabischen
       Waffengang von 1947/48 in der Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens
       stattgefunden haben.
       
       Ein nüchterner Blick auf die Fakten sowie auf die schwierige Situation, in
       der sich die beiden Hauptkontrahenten befinden, könnte beruhigend wirken -
       zumindest zunächst einmal. Weder die USA noch Iran haben objektiv Interesse
       an einem heißen Krieg.
       
       Die USA haben im westlichen Nachbarland Irans gerade den längsten und
       teuersten Krieg ihrer Geschichte beendet - und dies entgegen aller
       anderslautenden Propaganda auch des ehemaligen Irakkriegsgegners Barack
       Obama keineswegs sieg- und erfolgreich. In Afghanistan steht der führenden
       Militärweltmacht ein noch größeres Desaster als im Irak bevor.
       
       Beide Kriege sind wesentlich mitverantwortlich für die schwerste
       Wirtschaftskrise in den USA seit über 70 Jahren. Für eine Überwindung
       dieser Krise gibt es keinerlei Anzeichen.
       
       Iran ist - trotz aller bei den Seemanövern Ende Dezember demonstrierten
       militärischen Fähigkeiten - den USA weiterhin hoffnungslos unterlegen. Ein
       eventueller, seitens der USA mit Luft-und Seestreitkräften geführter Krieg
       gegen Iran würde wahrscheinlich zu weitreichenden Zerstörungen auch der
       zivilen Infrastruktur des Landes führen. Dies könnte eine Revolte gegen das
       Regime auslösen und zu seinem Sturz führen. Das alles ist der Führung in
       Teheran bewusst.
       
       ## Kriegshetze der Republikaner
       
       Die von den USA verhängten Sanktionen gegen iranische Ölexporte sollen
       frühestens am 1. Juli in Kraft gesetzt werden. Es bliebe also noch genug
       Zeit für eine Deeskalation des Streits mit Teheran über das iranische
       Nuklearprogramm.
       
       Die ist aber nur möglich, wenn die USA und das EU-Trio Frankreich,
       Großbritannien und Deutschland ihre Anfang 2005 erhobene ultimative
       Forderung nach vollständiger Einstellung der iranischen Urananreicherung
       endlich zurücknähmen und bereit wären, mit der Führung in Teheran auf
       Augenhöhe zu verhandeln.
       
       Doch die Chancen auf eine Entspannung im Verhältnis zwischen Iran und den
       vier westlichen Hauptmächten im Verlauf von 2012 sind allerdings leider
       sehr gering. Dagegen stehen die innenpolitischen Dynamiken in all diesen
       Ländern. In den USA profilierten sich die Bewerber für die republikanische
       Präsidentschaftskandidatur im vergangenen November bereits mit immer
       lauteren Forderungen nicht nur nach Sanktionen gegen iranische Ölexporte,
       sondern auch nach einem Krieg gegen Teheran.
       
       Iran dürfte das zentrale außenpolitische Propagandathema der Republikaner
       werden, um Obama im Wahlkampf als Weichei, Feigling und Verräter
       amerikanischer Sicherheitsinteressen zu brandmarken. Unter diesem Druck
       wird der US-Präsident vor einer eventuellen zweiten Amtsperiode ab Anfang
       2013 auf keinen Fall zu den konstruktiveren Haltungen zurückkehren, die er
       in seinem ersten Amtsjahr 2009 sowohl mit Blick auf das Verhältnis zum Iran
       wie auf den israelisch-palästinensischen Konflikt angekündigt hatte.
       
       ## Profilierung gegen "Satan USA"
       
       Eine sehr ähnliche Dynamik spielt in Iran. Für März dieses Jahres sind
       Parlamentswahlen angesetzt und für 2013 Präsidentschaftswahlen. Der
       Konflikt mit dem Westen wird von den Hardlinern eskaliert, weil er ihre
       Wahlchancen erhöht. Sanktionen und Kriegsdrohnungen gegen Iran schwächen
       die innenpolitische Opposition, verletzen den patriotischen Stolz der
       Iranerinnen und führen zur Solidarisierung der Bevölkerung mit dem Regime.
       Diese Wirkung äußeren Drucks verhalf bereits Präsident Ahmadinedschad zu
       seinem Wahlsieg im Sommer 2005. Ein heißer Krieg würde diesen Effekt noch
       verstärken.
       
       Und dann wäre da noch Frankreich. Hier will Präsident Sarkozy schon in drei
       Monaten eine zweite Amtszeit gewinnen. Bei allen wirtschaftspolitischen und
       innenpolitischen Themen steht er mit dem Rücken zur Wand. Eine Verbesserung
       dieser Lage bis zum Wahltermin Ende April ist nicht zu erwarten. Wie
       skrupellos Sarkozy außenpolitische Konflikte für seine Wiederwahlinteressen
       zu instrumentalisieren weiß, hat er bereits mit dem Krieg gegen Libyen
       demonstriert.
       
       Die Regierungen in Großbritannien und Deutschland schließlich sind aus -
       unterschiedlichen - innenpolitischen Gründen zu schwach oder nicht willens,
       sich für eine Deeskalation im Verhältnis zum Iran zu engagieren. Diese
       innenpolitischen Dynamiken und Interessenlagen erhöhen das Risiko, dass es
       im Verlaufe dieses Jahres zu einer kriegerischen Eskalation am Persischen
       Golf kommt.
       
       Die gefährlichste Zeit wären die vier Monate nach einer eventuellen
       Inkraftsetzung der westlichen Sanktionen gegen iranische Ölexporte Anfang
       Juli bis zu den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November. Ein kleiner
       Zwischenfall im Persischen Golf - wie zum Beispiel vor zwei Jahren die
       kurzfristige Konfrontation zwischen iranischen Patrouillebooten und einem
       britischen Schiff innerhalb der iranischen Hoheitsgewässer - könnte dann
       der Funke sein, der den großen Brand auslöst.
       
       In einer ersten Version des Textes stand zunächst, die
       Präsidentschaftswahlen seien in diesem Jahr. Tatsächlich sind im März 2012
       Parlamentswahlen angesetzt, die Präsidentschaftswahlen sind erst 2013.
       
       27 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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