# taz.de -- Angst vor den islamischen Nachbarn: Israel rüstet noch einmal kräftig auf
       
       > Israels Verteidigungshaushalt wird doch nicht gekürzt, sondern um 600
       > Millionen Euro aufgestockt. Die Begründung liefern die arabischen
       > Revolutionen.
       
 (IMG) Bild: Israelische Apache Hubschrauber bei einer Graduiertenfeier für Piloten der Luftwaffe.
       
       JERUSALEM taz | Eigentlich hätte zuallererst die Armee zur Kasse gebeten
       werden sollen, um den steigenden Lebenshaltungskosten in Israel
       entgegenzuwirken. Den Sozialprotesten im Sommer folgend, empfahl die von
       der Regierung beauftragte Kommission unter dem Vorsitz von Professor ManueI
       Trajtenberg Haushaltskürzungen in Höhe von umgerechnet 600 Millionen Euro.
       
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte schon im Vorfeld der
       Empfehlungen versprochen, die Vorschläge des renommierten
       Wirtschaftsexperten schnellstmöglich umzusetzen, und auch das Kabinett gab
       schließlich mit klarer Mehrheit seinen Segen dazu.
       
       Nun entschieden die Minister genau umgekehrt. Es sollen nicht nur keine
       Kürzungen vorgenommen werden, sondern der Verteidigungshaushalt wird um 6
       Prozent des Gesamtetats, also um gut 600 Millionen Euro, zusätzlich
       aufgestockt.
       
       Netanjahu begründete den Kurswechsel mit den Herausforderungen und
       Bedrohungen in der Region, angesichts derer eine Kürzung des Militäretats
       "ein großer Fehler" wäre. Wochenlang fanden Marathonverhandlungen zwischen
       Israels Militärführung und dem Finanzministerium statt.
       
       Angesichts der Entwicklungen in Ägypten sei dies nicht die rechte Zeit für
       Kürzungen, sagen die Vertreter der Armee. Derart drastische Einsparungen
       würden die Entwicklung des Raketenabwehrsystems verlangsamen, ein Drittel
       der Luftwaffe lahmlegen sowie 20 Prozent der Panzerbrigaden.
       
       ## Konsequenzen des arabischen Frühlings
       
       Schon jetzt werden die Folgen der arabischen Umbrüche für Israel deutlich
       spürbar. Die Lage im Sinai macht es militanten Palästinensern nahezu ohne
       Einschränkungen möglich, sich zu bewaffnen und sich auf antiisraelische
       Operationen vorzubereiten.
       
       Dabei sind es nicht nur unmittelbar die Entwicklungen in Ägypten, die im
       israelischen Sicherheitsapparat für Beunruhigung sorgen. Nach dem Ende des
       Gaddafi-Regimes in Libyen räumten Plünderer die Waffenlager von Tripolis
       aus. Seither findet ein reger Schmuggelverkehr statt, sogar
       Luftabwehrraketen "made in Russia" gelangen nach Gaza.
       
       Spätestens wenn zum ersten Mal ein israelischer Militärhubschrauber über
       dem Gazastreifen abgeschossen wird, dürften sich die Spielregeln der
       Auseinandersetzung zwischen den Islamisten in Gaza und der israelischen
       Armee deutlich ändern.
       
       Israel hatte die Umbrüche in der arabischen Welt von Anfang an misstrauisch
       beobachtet. Der Arabische Frühling werde zum "islamischen Winter", hieß es
       in Jerusalem. "Es hat etwas Frustrierendes", so kommentierte der liberale
       Maariw vor einigen Wochen, wenn selbst in Tunesien, wo mehr als in jedem
       anderen arabischen Staat "Toleranz gegenüber Andersgläubigen" praktiziert
       werde, die neue Demokratie die "Islamisten an die Macht bringt".
       
       Noch steht Syrien aus, wo die Islamisten von jeher die größte organisierte
       Opposition bilden und wo eine Plünderung der Waffenlager katastrophale
       Folgen für Israel hätte.
       
       ## Herausforderung Iran
       
       Die Probleme werden eher größer für den israelischen Sicherheitsapparat,
       dessen zentrale Herausforderung noch nicht einmal der Arabische Frühling
       ist, sondern das iranische Atomprogramm. Angesichts der iranischen
       Anstrengungen, "in den Besitz atomarer Waffen zu kommen", sollen nach einem
       Bericht der Jerusalem Post tausende US-Soldaten in Israel stationiert
       werden.
       
       Die noch für dieses Frühjahr geplante "größte Raketenabwehrübung in der
       Geschichte des Staates", so die Jerusalem Post, ist indes auf unbestimmte
       Zeit verschoben worden. Man wolle die angespannte Lage offenbar nicht
       zusätzlich anheizen, vermuteten Militäranalysen. Nichtsdestotrotz will der
       US-Stabschef Martin Dempsey diese Woche nach Tel Aviv reisen.
       
       Noch sei Israel "weit entfernt von einer Entscheidung" über einen möglichen
       Präventivschlag, erklärte Verteidigungsminister Ehud Barak am Mittwoch im
       israelischen Hörfunk. Er wolle nicht den Eindruck entstehen lassen, "als
       passiere es schon morgen".
       
       Die USA und Israel kooperierten in der Frage der nuklearen iranischen
       Bedrohung eng miteinander, meinte Barak. Israelische Politiker und Militärs
       hatten in der Vergangenheit wiederholt die Möglichkeit eines
       Präventivschlags gegen die iranischen Atomforschungsanlagen in Aussicht
       gestellt.
       
       ## Abwehr von Kurzstreckenraketen
       
       Der frühere Nationale Sicherheitsberater Giora Eiland glaubt zwar, dass ein
       Großteil der iranischen Raketen, die in Reaktion auf einen Erstschlag
       umgekehrt auf Israel abgeschossen würden, von dem israelischen
       Raketenabwehrsystem abgefangen werden könnten, "aber nicht alle". Mit einem
       Präventivschlag würden demnach automatisch auch israelische Opfer in Kauf
       genommen werden.
       
       In den vergangenen Monaten konzentrierte sich die israelische Luftwaffe vor
       allem auf die Einführung des Systems "Eisenkappe" zur Abwehr von
       Kurzstreckenraketen. Die ersten Anlagen haben sich im Umfeld vom
       Gazastreifen, in Sderot bis hin nach Beer Scheva bei der Abwehr der
       palästinensischen Kassamraketen bereits gut bewährt.
       
       Problematischer ist offenbar das System "Zauberstab", das auf
       Mittelstreckenraketen abzielt und mögliche Angriffe der Hisbollah und
       Syriens abwehren soll. Nach einer Testreihe Anfang der Woche berichtete der
       israelische Rundfunk, dass der "Zauberstab" noch in den Kinderschuhen
       stecke.
       
       18 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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