# taz.de -- Sanktionen gegen den Iran: Europas Anti-Atom-Boykott
       
       > Ölboykott, Kontensperren, Beschränkung des Devisenhandels: Harte
       > Sanktionen sollen den Iran zwingen, sein Atomprogramm offenzulegen. Doch
       > ein Ölboykott trifft das Land kaum.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr für Europa arbeiten: Erdölraffinerie im Iran (im Jahr 2007).
       
       BRÜSSEL taz/dpa | Im Streit über das iranische Atomprogramm hat die
       Europäische Union am Montag umfassende Sanktionen gegen das Land
       beschlossen. Spätestens ab dem 1. Juli sollen die Ölimporte aus dem Iran
       gestoppt werden. Außerdem will die Europäische Union die Konten der
       iranischen Zentralbank innerhalb der EU einfrieren. Erlaubt werden sollen
       nur Geschäfte unter strenger Kontrolle.
       
       Damit ist zum ersten Mal nicht nur der Ölsektor, sondern die gesamte
       Wirtschaft von den Beschränkungen betroffen. Die Europäer folgten damit
       auch dem Aufruf der USA, die ihre Verbündeten zu schärferen Sanktionen
       aufgefordert hatten. Der Einigung war ein wochenlanges Tauziehen
       vorangegangen, weil gerade Länder wie Griechenland, die schon von der
       Schuldenkrise stark geschwächt sind, von den Öllieferungen aus dem Iran
       abhängig sind. Von einem "beispiellosen Sanktionspaket" sprach der
       britische Außenminister William Hague.
       
       "Wir tun das nicht gern. Aber die Sanktionen sind notwendig. Wir können
       nicht akzeptieren, dass der Iran nach der Atombombe greift", sagte der
       deutsche Außenminister Guido Westerwelle bei dem Treffen in Brüssel. "Das
       gefährdet nicht nur die Region, sondern die ganze Welt." Mit dem Stopp der
       Ölimporte und dem Einfrieren der Konten der Islamischen Republik wolle die
       EU die Geldquellen für das Atomprogramm "trockenlegen". Westerwelle
       forderte auch andere Länder auf, sich dem Boykott iranischen Öls
       anzuschließen.
       
       Die iranische Regierung bestreitet, an der Entwicklung von Atombomben zu
       arbeiten. Sie hatte sich aber in der letzten Zeit wiederholt geweigert, mit
       dem UN-Sicherheitsrat zusammenzuarbeiten und die Kontrolleure der
       Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) zu Überprüfungen ins Land zu
       lassen.
       
       ## Kein Gold, keine Diamanten
       
       Zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts um das Atomprogramm im Jahr 2005
       ergreift die Europäische Union nun derart drastische Mittel. Dennoch will
       die Staatengemeinschaft nicht den Dialog mit dem Land aufgeben: "Wir fahren
       eine Doppelstrategie. Durch die Sanktionen wollen wir den Iran unter Druck
       setzen, sodass die Regierung an den Verhandlungstisch zurückkehrt und mit
       uns redet", sagte die Hohe Beauftragte der EU für Außenpolitik, Catherine
       Ashton.
       
       Zu den Sanktionen gehört auch ein Verbot für europäische Unternehmen, mit
       über 400 iranischen Firmen und Organisationen Geschäfte zu machen. Deren
       Vermögenswerte in der EU wurden ebenfalls eingefroren. Banken,
       Versicherungen, Luftfahrt-, Öl- und Gasfirmen - alle Geldtransfers zwischen
       der EU und dem Iran sollen künftig kontrolliert werden.
       
       Iranische Anleihen dürfen in der EU nicht mehr gehandelt werden. Gold,
       Diamanten und Devisen nach Iran zu verkaufen ist ebenfalls verboten.
       
       Weil manche EU-Länder wie Griechenland, Italien und Spanien bisher für sie
       nicht unbedeutende Mengen Öl aus dem Iran beziehen, tritt das Boykott erst
       in gut fünf Monaten in Kraft. Bis dahin haben die Mitgliedstaaten Zeit,
       ihre Verträge zu lösen und nach Alternativen zu suchen. Italien wird auch
       nach dem 1. Juli sein Öl aus dem Iran beziehen dürfen, weil der Iran auf
       diesem Weg Schulden an die italienische Regierung zurückbezahlt.
       
       ## Iran bleibt gelassen
       
       Die EU-Minister wollen vor dem 1. Mai ihre Sanktionen noch einmal
       überprüfen. Damit geben sie dem Iran die Möglichkeit, beim Atomstreit
       einzulenken und auf die Forderungen der Europäer und Amerikaner einzugehen.
       
       Tatsächlich geht nur ein sehr kleiner Teil der iranischen Exporte in die
       EU. Der Boykott läuft deshalb nach Ansicht der iranischen Regierung ins
       Leere. "Das Embargo wird keine Auswirkungen auf den Iran haben", sagte der
       Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit und
       Außenpolitik, Alaeddin Borujerdi, am Montag der iranischen
       Nachrichtenagentur Isna.
       
       Israel nahm die Beschlüsse aus Brüssel positiv auf. "Ich gehe davon aus,
       dass solche koordinierten und zielgerichteten Schritte der internationalen
       Gemeinschaft die militärische Variante unwahrscheinlicher machen", sagte
       der stellvertretende israelische Außenminister Danny Ajalon am Montag in
       einem Interview mit Radio Israel.
       
       23 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte Iran und Israel: Im Zweifel für Krieg
       
       Einen atomar bewaffneten Iran will die israelische Regierung auf keinen
       Fall zulassen. Experten zweifeln, dass das noch zu verhindern ist.
       
 (DIR) US-Verteidigungsminster über Iran: Ein Jahr für Atomwaffen
       
       Innerhalb eines Jahres könnte der Iran Atomwaffen entwickeln, so die
       Einschätzung des US-Verteidigungsministers Leon Panetta. Die USA werden
       nicht zulassen, dass es so weit kommt, sagte er.
       
 (DIR) Kontrolleure im Iran: Gemischte Signale im Atomstreit
       
       Auf Einladung der Regierung ist ein IAEO-Team in Teheran eingetroffen - und
       musste an Demonstranten vorbeigeschleust werden. Die iranische Führung gibt
       sich selbstbewusst.
       
 (DIR) Debatte Iran und der Westen: Bellende Hunde beißen
       
       Niemand will einen Krieg mit Iran. Aber die Propaganda im Zuge der vielen
       Parlamentswahlen in 2012 macht ihn immer wahrscheinlicher.
       
 (DIR) TV-Dokumentation aus dem Iran: Die Erotik des Brownie
       
       Der WDR zeigt eine Dokumentation über Irans erste Olympionikin. Mit Humor
       erträgt die Taekwondo-Kämpferin den skurrilen Trainingsalltag.
       
 (DIR) Sanktionen gegen Irans Atompolitik: USA erhöhen den Druck
       
       Die Regierung in Washington weitet ihre Finanzsanktionen gegen den Iran
       aus. Betroffen ist jetzt auch die drittgrößte iranische Bank Tejarat.
       
 (DIR) Debatte Iran und der Westen: Die Brandbeschleuniger
       
       Der Konflikt zwischen Teheran und dem Westen kann jederzeit zu einem Krieg
       im Mittleren Osten führen. Die Folgen wären nicht kalkulierbar.
       
 (DIR) Attentat auf iranischen Atomforscher: Teheran beschuldigt CIA
       
       Der Iran hat angeblich Beweise für die Unterstützung der Attentäter durch
       den US-amerikansichen Geheimdienst. Gleichzeitig droht Teheran den
       Golf-Staaten.
       
 (DIR) Konflikte innerhalb des iranischen Regimes: Ein System voller Widersprüche
       
       Der Konflikt zwischen Ahmadinedschad, Revolutionswächtern und Geistlichkeit
       nimmt zu. Die tiefe Spaltung der Staatsführung spiegelt sich im gesamten
       Staatsapparat wider.
       
 (DIR) Kommentar toter iranischer Wissenschaftler: Krieg gegen den Iran? Ein Albtraum!
       
       Sollten die Attentate auf Atomwissenschaftler tatsächlich auch von Israel
       und den USA in Auftrag gegeben worden sein, wäre das die erste Stufe eines
       regelrechten Kriegs.
       
 (DIR) Iran beginnt erhöhte Urananreicherung: Der Westen fühlt sich provoziert
       
       Der Iran produziert unter Aufsicht der IAEA Uran, das für Atomkraft zu hoch
       angereichert ist - für Atomwaffen aber zu wenig. Nun hagelt es Kritik aus
       westlichen Staaten.