# taz.de -- Folgen der Finanzkrise in Irland: Denunziationen und Rassismus
       
       > Die Schulden der irischen Banken müssen die Steuerzahler begleichen. Die
       > sozialen Folgen für die Betroffenen sind hart. Viele gehen nicht mehr zum
       > Arzt – es ist zu teuer.
       
 (IMG) Bild: 400.000 Häuser und Wohnungen in Irland stehen angeblich leer und trotzdem leben immer mehr Menschen auf der Straße.
       
       DUBLIN taz | Der Widerstand ist leise. Während die irische Regierung von
       der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und
       Europäischer Zentralbank als Musterknabe gelobt wird, weil sie die ihr
       aufgezwungenen drastischen Sparmaßnahmen klaglos umsetzt, verweigert ihr
       die Bevölkerung den Gehorsam.
       
       Die Troika hat den Iren eine Haushaltssteuer auferlegt, die von jedem
       Hausbesitzer bezahlt werden soll, deren Höhe aber noch nicht feststeht. Da
       Hauseigentum in Irland traditionell verbreiteter ist als in anderen Ländern
       der Europäischen Union, trifft diese Steuer nicht nur die Reichen, sondern
       vor allem die unteren Einkommensschichten, deren Häuser ohnehin mit hohen
       Hypotheken belastet sind.
       
       In Irland gibt es keine Meldepflicht, und so muss die Regierung erst mal
       Daten sammeln, um die Steuer eintreiben zu können. Seit Anfang des Jahres
       sollen sich die Hauseigentümer registrieren, Ende März läuft die Frist ab.
       Bis jetzt haben sich keine 5 Prozent gemeldet. Sollten die Drohungen bis
       zum Schluss nicht fruchten, müsste die Regierung mehr als eine Million
       Menschen vor Gericht zerren. Die Kosten dafür wären höher als die Einnahmen
       durch die Steuer.
       
       Die irische Regierung hat im Dezember 2011 den siebten Sparhaushalt seit
       2008 vorgelegt. Die Mehrwertsteuer ist von 21 auf 23 Prozent gestiegen, die
       Staatsausgaben wurden weiter gekürzt, die Löhne im öffentlichen Sektor sind
       bereits um rund 20 Prozent gesunken. Und auch bei der Sozialhilfe und den
       Zuschüssen für alleinerziehende Eltern wurde gekürzt. In der Tabelle der
       sozialen Ungleichheiten in den entwickelten Ländern steht Irland
       mittlerweile an vierter Stelle.
       
       ## Die Zahl der Obdachlosen steigt
       
       Die Sparmaßnahmen haben auch gesundheitliche Folgen. Wer nicht über 65
       Jahre alt oder Sozialhilfeempfänger ist, muss die Arztkosten - rund 60 Euro
       pro Besuch - sowie die Kosten für die Medikamente bis zu 120 Euro pro Monat
       selbst tragen. Die unabhängige Expertenkommission TASC erklärt in einem
       Bericht, dass die "regressiven Haushaltsmaßnahmen der vergangenen drei
       Jahre überproportionale Auswirkungen auf die unteren Einkommenschichten"
       hatte. Das führe nicht nur zu verstärkter Armut, sondern auch zu
       Ungleichheiten im Gesundheitszustand. "Es gibt viele, die den Besuch beim
       Hausarzt aufschieben, weil sie die Gebühr nicht zahlen können", heißt es in
       dem Bericht.
       
       Der Präsident des Ärzteverbands Ronan Boland sagt: Irland ist eins der
       wenigen Länder, in denen Arztbesuche direkt vom Patienten bezahlt werden
       müssen, ohne dass man das Geld von einer Versicherung zurückerhält. Das
       betrifft zwei Drittel der Bevölkerung.
       
       Die Rezession hat die Iren zu Denunzianten gemacht. Während des Booms
       gingen beim Sozialamt lediglich 600 anonyme Hinweise im Jahr auf Menschen
       ein, die widerrechtlich Sozialhilfe kassierten. Im vorigen Jahr waren es
       16.000 Hinweise. Und rassistische Übergriffe haben ebenfalls zugenommen.
       Die Gründerin des Immigrant Council of Ireland, Ordensschwester Stan
       Kennedy, sagt, die Vorstellung greife immer mehr um sich, dass "Immigranten
       eine Gefahr für Irland" darstellten und unverhältnismäßig von irischen Jobs
       und der Sozialfürsorge profitierten. Rassistische Übergriffe reichen von
       Beschimpfungen über Bespucken bis hin zu tätlichen Angriffen auf Menschen
       mit anderer Hautfarbe, sagt Kennedy.
       
       Massenproteste gegen die Regierungsmaßnahmen wie in Griechenland sind
       bisher dagegen ausgeblieben. Lediglich die Occupy-Bewegung, die seit
       Monaten auf dem Platz vor der Zentralbank campiert, hat begonnen, Häuser zu
       besetzen. Liam Mac an Bháird, der Sprecher der Bewegung, sagt, dass rund
       400.000 Häuser und Wohnungen in Irland leer stehen, während die Zahl der
       Obdachlosen täglich steige. Allein in Dublin leben 2.000 Menschen auf der
       Straße. "Viele Immobilien stehen zum Teil seit zehn Jahren und länger
       leer", sagt Mac an Bháird. "Mit unseren Besetzungen wollen wir zeigen, in
       was für einem System wir leben."
       
       13 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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