# taz.de -- Europäische Schuldenkrise: Drachme könnte Griechen ruinieren
       
       > Der Ruf, Griechenland solle die Währungsunion verlassen, wird lauter.
       > Doch dann drohten Banken- und Firmenpleiten und eine Hyperinflation.
       
 (IMG) Bild: Wie lange der Euro und Griechenland noch zusammen gehören, ist nicht klar. Was danach kommt, noch viel weniger.
       
       BERLIN taz | Griechenlands Gnadenfrist läuft noch bis zum 20. März. Dann
       werden Staatsanleihen in Höhe von 14,4 Milliarden Euro fällig. Ohne einen
       umfassenden Schuldenschnitt von bis zu 75 Prozent und die Freigabe des
       nächsten Rettungspakets bankrott. Doch die Verhandlungen mit den Banken
       ziehen sich seit Tagen ohne Ergebnis hin.
       
       Der Bericht der Troika aus IWF, EU und Europäischer Zentralbank, der
       Voraussetzung für neue Hilfsgelder ist, liegt noch nicht vor. Und der
       Finanzbedarf wächst derweil weiter. Bisher sollte das neue EU-Paket 130
       Milliarden Euro betragen; inzwischen gehen Diplomaten von 145 bis 150
       Milliarden aus.
       
       Was ist die Alternative zu den Rettungsplänen? Zunächst nur hinter
       vorgehaltener Hand ausgesprochen, wird die Forderung so langsam salonfähig:
       Griechen raus aus der Währungsunion! McKinsey-Chef Frank Mattern etwa
       findet, "dass ein geordneter Austritt aus der Eurozone für Griechenland das
       kleinere Übel ist".
       
       Die griechische Wirtschaft, so die Argumentation, würde mithilfe einer
       stark abgewerteten Drachme wieder wettbewerbsfähig. Und die Eurozone wäre
       endlich das Problemkind los, das sie sowieso nie in die Familie hätte
       aufnehmen dürfen.
       
       ## Schutz vorm gnadenlosen Spardiktat
       
       Selbst bei den Globalisierungskritikern von Attac wird die Idee wohlwollend
       diskutiert. Nicht zuletzt auch, um die Griechen vor dem gnadenlosen
       Spardiktat der EU zu schützen. Wer so argumentiert, ignoriert jedoch die
       Kosten eines griechischen Ausstiegs aus der Gemeinschaftswährung.
       
       Verdichten sich die Gerüchte eines Ausstiegs oder Rauswurfs Griechenlands
       aus der Währungsunion, würde zunächst einmal eine rasante Kapitalflucht aus
       dem Land einsetzen. Selbst wenn durch ein Einfrieren der Guthaben
       verhindert werden könnte, dass ein Run auf die Banken stattfände, stünden
       die Institute vor dem Konkurs. Zwar bliebe ihnen das Geld der Privatkunden,
       aber es änderte sich nichts daran, dass der griechische Staat seine
       Schulden nicht zurückzahlen könnte und die EU keine Rettungspakete mehr
       schickte.
       
       Ohne Bankkredite müssten aber immer mehr Unternehmen Insolvenz anmelden.
       Die einzige Möglichkeit, diese Spirale zu vermeiden, hätte die nach einem
       Euroaustritt wieder neu zu gründende griechische Notenbank: Sie könnte die
       Geldpresse anwerfen und so die Banken finanzieren. Die Folge aber wäre eine
       Hyperinflation.
       
       Zudem müsste der Totalabsturz des Drachmewechselkurses verhindert werden -
       eine vergleichbare Entwicklung stand vor 15 Jahren am Beginn der
       Asienkrise. Aber auch eine kontrollierte Abwertung würde nicht viel helfen:
       Zwar könnte die Tourismusbranche einem Aufschwung entgegenblicken, wenn
       Urlaub in Griechenland billiger würde. Aber außer Olivenöl, ein paar
       Textilien und Chemikalien gibt es kaum Exportbranchen, die von einer
       billigen Drachme profitieren würden. Stattdessen wäre Griechenland umso
       stärker von Importen abhängig, nicht zuletzt von Treibstoffen, die nun viel
       teurer würden - und die Inflation nur noch weiter anheizten.
       
       ## Erdrückende Kosten eines Euroaustritts
       
       Die Schweizer Bank UBS hat die Kosten des Euroaustritts für Griechenland
       allein im ersten Jahr auf 40 bis 50 Prozent der jährlichen
       Wirtschaftsleistung geschätzt. Auch einen Militärputsch oder einen
       Bürgerkrieg halten die UBS-Experten für möglich. Kein Wunder, dass da die
       meisten Griechen trotz der brutalen Sparauflagen den Verbleib in der
       Eurozone vorziehen.
       
       Weniger eindeutig ist die Frage, was der Austritt der Griechen für den Rest
       der Eurozone bedeuten würde. Hier ist vieles möglich. Im günstigsten Fall
       könnte sie nach einem Ausscheiden Griechenlands erfolgreich auf Zeit
       spielen, auch wenn das ebenfalls nicht billig wäre.
       
       Griechenland müsste ordentlich entschuldet werden, die Banken dafür
       gegebenenfalls unterstützt werden. Gelingt es, die anderen hoch
       verschuldeten Staaten so lange mithilfe des Rettungsschirms über Wasser zu
       halten, könnte sich die Lage irgendwann wieder beruhigen.
       
       Im schlechteren Fall drohe "ein Austritt Griechenlands eine Kernschmelze im
       Bankensektor und eine Depression nach sich zu ziehen", hatte der
       Chefanalyst der Landesbank Bremen, Folker Hellmeyer, schon im Herbst
       gewarnt, als unter anderem CSU-Parteichef Horst Seehofer und der Präsident
       des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn diese Forderung aufstellten.
       
       ## Dominoeffekt bei Tilgung in Drachmen
       
       Griechenland würde es schwerfallen, seine Schulden in Euro zu bezahlen, und
       wenn es seinen Schuldendienst einseitig auf die neue Landeswährung
       umstellen würde, kämen auch anderswo in Europa die Banken ins Schlingern -
       ebenso Versicherungen und Pensionsfonds. Womöglich würde erneut eine
       staatliche Rettungsrunde nötig, deren Kosten die zuvor als zu teuer
       abgelehnte Entschuldung Griechenlands in den Schatten stellen würden.
       
       Vor allem würden Banken und andere Investoren aber nun einen großen Bogen
       um andere hoch verschuldete Euroländer wie Portugal, Spanien, Italien oder
       Irland machen. Schließlich wollen sie nicht erleben, dass auch ihre
       Forderungen an diese Staaten plötzlich auf abgewertete Lire oder Peseten
       lauten.
       
       Die spanischen oder italienischen Sparer würden aus dem gleichen Grund
       spätestens jetzt ihr Geld abziehen - und so ihre heimischen Banken
       zusätzlich in die Bredouille bringen. Die Krisenländer wiederum müssten in
       der Folge noch viel höhere Zinsen für neue Staatsanleihen zahlen - und
       würden damit ihrerseits näher an die Zahlungsunfähigkeit rücken.
       
       ## Drohender Zusammenbruch
       
       Die Banken wären damit noch größeren Risiken ausgesetzt. Sie würden sich
       gegenseitig kein Geld mehr leihen. Und so gäbe es den gleichen Effekt, der
       die Krise schon 2008 nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers so
       virulent werden ließ. Dass es zudem auch an den Börsen zu Panikreaktionen
       kommen dürfte, ist bei alldem noch nicht einmal berücksichtigt.
       
       Im schlimmsten Fall kommt es hier zu einem Dominoeffekt: Weitere Länder
       müssten die Eurozone verlassen, um dem Zusammenbruch ihres Finanzsystems
       zuvorzukommen. Die verbleibenden Kernländer würden an einer derart tiefen
       Banken- und Finanzkrise leiden, dass auch sie den Fortbestand der
       Währungsunion infrage stellen würden.
       
       Am Ende wären alle wieder da, wo sie vor deren Gründung standen, nur in
       einem viel desolateren Zustand. Davon wäre gerade auch die einseitig
       exportabhängige deutsche Wirtschaft nicht ausgenommen. Da der Kerneuro oder
       die wieder eingeführte D-Mark gegenüber den Währungen der Krisenländer
       enorm aufgewertet würde, wäre das deutsche Exportwunder schnell erledigt.
       
       4 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Liebert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) tazlab 2012: „Das gute Leben“
       
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