# taz.de -- Volksabstimmung in Irland über EU-Pakt: Bevölkerung darf entscheiden
       
       > Die Iren werden in einer Volksabstimmung entscheiden, ob das Land sich am
       > EU-Pakt für eine strenge Haushaltsdisziplin beteiligt. Den
       > Premierminister freut's nicht.
       
 (IMG) Bild: Hoffnung fehlt vielen Iren in der Krise.
       
       DUBLIN taz | Für die Dubliner Regierung ist es das Schreckensszenario, dass
       sie unbedingt vermeiden wollte: Die Iren dürfen in einem Referendum über
       den Europäischen Fiskalpakt für eine stärkere Kontrolle der nationalen
       Haushalte abstimmen. Das erklärte Premierminister Enda Kenny am
       Dienstagnachmittag.
       
       Freiwillig gewährt er die Volksabstimmung nicht. Sein Generalstaatsanwalt
       hatte ihm klar gemacht, dass die Regierung eine Niederlage erleiden würde,
       sollten die Befürworter eines Referendums vor Gericht ziehen. Sowohl Sinn
       Féin, der politische Flügel der inzwischen aufgelösten
       Irisch-Republikanischen Armee (IRA), als auch das linke Bündnis United Left
       Alliance hatten angekündigt, das Referendum einzuklagen.
       
       In dem Pakt heißt es, dass die Regeln „bindend, dauerhaft und möglichst
       verfassungskonform“ seien. Das Wort „möglichst“ wurde eingefügt, weil man
       hoffte, dass die irische Regierung dadurch um ein Refrendum herumkommen
       würde. Das hat der deutsche Staatsminister in Auswärtigen Amt, Michael
       Link, vorige Woche eingeräumt. Kenny wird den Fiskalpakt beim
       EU-Gipfeltreffen in Brüssel in dieser Woche unterschreiben. Was seine
       Unterschrift wert ist, wird sich zeigen. „Ich bin zuversichtlich, dass die
       Iren den Pakt absegnen und der wirtschaftlichen Stabilität und Erholung
       zustimmen werden, wenn man ihnen die Wichtigkeit und die Vorteile
       verdeutlicht“, sagte er.
       
       ## Gehaltskürzungen von rund 20 Prozent
       
       Eine Ablehnung des Pakts ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Seit der
       Bankenrettung, die noch immer nicht abgeschlossen ist, geht die irische
       Wirtschaft am Stock. Ende 2010 musste die Grüne Insel als erstes Land
       Finanzhilfen von der EU und dem Internationalen Währungsfonds beantragen.
       Insgesamt 67,5 Milliarden Euro wurden bewilligt, eine weitere Tranche in
       Höhe von 3,23 Milliarden wurde am Dienstag überwiesen. Die Kredite sind an
       strenge Auflagen gebunden, die Irland bisher zwar erfüllt hat – allerdings
       auf Kosten der mittleren und niedrigen Einkommenschichten. Nach sieben
       drastischen Sparhaushalten liegen die Gehaltskürzungen bei rund 20 Prozent,
       die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als 14 Prozent. Die Mehrwertsteuer wurde
       erhöht, neue Abgaben wie zum Beispiel eine Haushaltssteuer sollen
       eingeführt werden.
       
       Der Unmut in der Bevölkerung wächst stetig. Wo man sich auch umhört, wird
       auf die Regierung geschimpft. Die Frist für die Registrierung zur Zahlung
       der Haushaltssteuer läuft Ende März ab. Bisher haben sich erst sieben
       Prozent registrieren lassen. So muss die Koalitionsregierung aus der
       rechten Fine Gael und der Labour Party, die sämtliche Sparprogramme
       mitträgt, befürchten, dass das Referendum zur Abstimmung über die
       Regierungspolitik wird. Laut Umfragen halten sich Befürworter und Gegner
       des Fiskalpakts in etwa die Waage.
       
       Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams sagte: „Die Frage ist, ob die Regierung
       diesmal das Ergebnis akzeptieren wird. Oder werden wir das übliche
       Wiederholungsspiel haben?“ Im Jahr 2001 hatten die Iren den EU-Vertrag von
       Nizza abgelehnt, 2008 erlitt der Vertrag von Lissabon das gleiche
       Schicksal. Beide Verträge wurden ein Jahr später nach massiven Kampagnen
       der Regierung abgesegnet. Auch diesmal setzt die Regierung auf Furcht vor
       den Folgen einer Ablehnung.
       
       ## Banken und Anteilseigner bevorzugt
       
       Der Fiskalpakt sei für Irlands wirtschaftliche Stabilität und Erholung
       überlebenswichtig, sagte Außenminister Eamon Gilmore. Finanzminister
       Michael Noonan sagte, das Referendum sei eine Abstimmung über Irlands
       Verbleib im Euro. Und Christopher Vecchio, der Währungsexperte bei der New
       Yorker „DailyFX“, warnte, dass die Iren bei einem Nein keinen Zugang mehr
       zum europäischen Rettungsschirm hätten.
       
       Die fünf Abgeordneten von der United Left Alliance sagten dagegen in einer
       gemeinsamen Presseerklärung: „Ein Nein im Referendum heißt nicht, dass
       Irland sofort aus dem Euro und aus der EU austritt. Es bedeutet, dass wir
       ein Europa ablehnen, in dem Banken und Anteilseigner bevorzugt werden.“ Die
       Regeln über Defizit und Schulden seien nicht einzuhalten.
       
       Der Pakt, der Schulden nur noch in engen Grenzen und Strafverfahren bei
       Verstößen vorsieht, soll spätestens Anfang 2013 in Kraft treten, falls
       mindestens zwölf Euro-Länder ihn ratifiziert haben. Tschechien und
       Großbritannien haben sich als einzige EU-Länder nicht daran beteiligt.
       
       28 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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