# taz.de -- US-Amerikaner in Afghanistan: „Schlimmer als die Sowjets“
       
       > Im Kabuler Alltag offenbart sich der Hass der Afghanen auf die Ausländer.
       > Sie glauben dem Westen nicht mehr, Gerüchte über den Amoklauf eines
       > US-Soldaten gehen um.
       
 (IMG) Bild: Brotverkäufer in Kabul.
       
       KABUL taz | Entwürdigende Videoaufnahmen, Koranverbrennungen und nun auch
       noch das Amokattentat eines US-Soldaten sorgen für Aufruhr in Afghanistan.
       Der Westen hat seinen Kredit bei den Menschen vom Hindukusch längst
       verspielt. Der Alltag in Kabul legt davon Zeugnis ab.
       
       Es sind die kleinen, unauffälligen Szenen wie am Eingang zum Kabuler
       Außenministerium, die deutlich machen, was Sache ist. Ein
       Sicherheitsbeamter, westlich geschult, raunzt den jungen Dolmetscher eines
       Ausländers an: „Schämst du dich nicht, für Ungläubige zu arbeiten?“ Sein
       uniformierter Kollege pflichtet ihm bei: „Das sind die Leute, die unser
       Land das ganze Unglück bringen. Erschießen sollte man sie alle.“ Sie
       wiederholen damit nur, was radikale afghanische Parlamentsabgeordnete, wie
       kürzlich nach den Koranverbrennungen, längst öffentlich sagen. Wer von den
       internationalen Beratern und Entsandten kein Dari spricht, bekommt von
       diesen leisen Hetzereien nichts mit.
       
       An den Checkpoints in Kabul, wo der kleine Mann etwas Macht ausspielen
       kann, lässt er die Fremden spüren, was viele denken: Anhalten, Pass zeigen.
       Das Papier ist nicht das richtige, aussteigen! Schikane pur eben.
       
       Seit dem angeblichen Amoklauf eines US-Soldaten in Pandschwai im Bezirk
       Kandahar im Süden des Landes ist die Ablehnung überall spürbar. Jeder
       Afghane, der einem Ausländer begegnet, stellt zunächst immer die wichtigste
       Frage: „Ameriki?“ – Amerikaner? Manche vergewissern sich mit einem
       schnellen Blick, dass der „Amerikaner“ nicht bewaffnet ist, dann folgt eine
       Flut von Verwünschungen.
       
       ## Die Ruhe ist trügerisch
       
       Nach der Tötung von 16 Zivilisten, unter ihnen 6 Frauen und 3 Kinder, ist
       es bislang nicht wieder zu einem Gewaltausbruch gekommen wie nach den
       Koranverbrennungen im Stützpunkt Bagram. Doch die Ruhe ist trügerisch. Der
       Rat der islamischen Gelehrten, der die Kabuler Regierung in religiösen
       Angelegenheiten berät, warnt, niemand könne das Volk daran hindern, wenn es
       Rache üben wolle. Die Verantwortung dafür trage der Westen ganz allein.
       
       Diese Haltung ist auch bei afghanischen Politikern ersichtlich. Am Dienstag
       verließen die Mitglieder des afghanischen Senats geschlossen das Parlament
       und demonstrierten anderthalb Stunden vor dem Gebäude. Der Senatspräsident
       Fasel Hadi Muslimjar hielt dazu eine feuerige Rede. „Die USA haben an den
       Afghanen viel schlimmere Verbrechen begangen als die Sowjets“, schreit er
       in die Menge.
       
       Sein grüner Turban-Schal weht im kalten Wind. „Wenn die Afghanen eine
       Befreiungsbewegung starten, stehen wir an ihrer Seite!“ Politiker aus
       Kandahar fordern, die US-amerikanischen Mörder müssten vor afghanische
       Gerichte gestellt und umgehend hingerichtet werden.
       
       Westliche Regierungen versuchen, mit intensiver Krisenkommunikation die
       Lage zu beruhigen. Sie kondolieren, entschuldigen sich und werden nicht
       müde zu betonen, dass es sich um eine „brutale, kriminelle, aber von einer
       Einzelperson begangene Straftat“ handelt. Die Afghanen aber glauben ihnen
       längst nicht mehr. Gerüchte gehen um.
       
       ## Die Opfer werden nicht besonders gemocht
       
       Das nutzen die Taliban geschickt aus. Auf ihren Webseiten berichten sie,
       bei den Morden in Pandschwai habe es sich um eine nächtliche Operation der
       US-Spezialeinheiten gehandelt. Die US-Einheiten seien, wie üblich, von
       einheimischen Truppen unterstützt worden, und sowieso sei die tatsächliche
       Opferzahl viel höher als angegeben.
       
       Afghanische Medien geben sich ebenfalls überzeugt von einer Gruppe von
       Tätern. Zwar behaupten sie nicht, der Mord in zwei Dörfern und insgesamt
       vier Wohnungen sei geplant gewesen. Aber die afghanischen Journalisten
       berichten durchgehend von „mehreren US-Soldaten“, die gemordet haben
       sollen.
       
       So makaber es klingt, aber einer der handfesten Gründe, warum es dieses Mal
       nicht zum Flächenbrand in Afghanistan kommt, sind die tiefen ethnischen
       Zerwürfnisse Afghanistans. Denn in Unterschied zu den wütenden landesweiten
       Protesten von vor vier Wochen, geht es diesmal nicht um die empfundene
       Schändung heiliger muslimischer Symbole. Die Opfer im südlichen Pandschwai
       sind Paschtunen. Im Norden und Westen des Landes, wo mehrheitlich
       Tadschiken, Usbeken und andere Ethnien leben, werden sie nicht besonders
       gemocht.
       
       15 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cem Rifat Sey
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
       
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