# taz.de -- Kommentar Rot-Grün in NRW: Ende eines klugen Experiments
       
       > Nach dem unbeabsichtigten Selbstmord der Liberalen gibt es Neuwahlen, die
       > niemand wollte. Schon gar nicht die FDP, deren Verfall sich rasant
       > beschleunigen wird.
       
 (IMG) Bild: Eine isolierte Partei: FDP-Fraktionsvorsitzender Gerhard Papke.
       
       Die Liberalen in NRW haben eine neue Art erfunden, von der politischen
       Bühne abzutreten: den unabsichtlichen Selbstmord. Die FDP wollte mannhaft
       den rot-grünen Schuldenhaushalt ablehnen, um ihm, mit ein paar Korrekturen,
       am Ende doch zuzustimmen. Ein scheinbar perfekter Plan: Rot-Grün hätte eine
       Mehrheit, die isolierte FDP wäre wieder im Machtspiel, vielleicht hätte
       sogar die Ampel wieder matt geblinkt. Doch solche Tricks sind rechtlich
       nicht vorgesehen. Nun gibt es Neuwahlen, die niemand wollte. Schon gar
       nicht die FDP, deren Verfall sich rasant beschleunigen wird, wenn sie in
       Saarbrücken, Kiel und Düsseldorf aus dem Landtag fliegt.
       
       Schade ist es um diese FDP nicht. Schade ist es um das Modell
       Minderheitsregierung. Rot-Grün musste zwei Jahre lang Mehrheiten
       organisieren. Das war, gerade in dem lange von der SPD autokratisch
       regierten Land, eine nützliche Lockerungsübung. Das Parlament hatte dabei
       mehr, die Ministerialbürokratie weniger zu sagen. Diese
       Minderheitsregierung war, entgegen einer im stabilitätsfixierten
       Deutschland verbreiteten Skepsis, nicht entscheidungsschwach oder von
       Minderheiten erpressbar. Rot-Grün hat mit der CDU den Schulkompromiss
       vereinbart, mit der Linkspartei die Studiengebühren abgeschafft und mit der
       FDP Kommunalfinanzen geregelt. Es war ein Experiment, das das mitunter
       ideologisch erstickte Parteiensystem durchlüftet hat.
       
       Und nun? Wem dieser Unfall nützt, ist absehbar. Die CDU ist in misslicher
       Lage. Norbert Röttgen ist Minister in Berlin, Spitzenkandidaten mit zweiten
       Karrierechancen kommen nie gut an. Zudem fehlt der Union ohne FDP die
       Machtperspektive. Die Grünen hätten zwar 2010, ohne mit der Wimper zu
       zucken, mit der CDU koaliert – doch nun stehen sie fest zu Rot-Grün. Denn
       Hannelore Kraft regiert, ohne die Grünen zu demütigen. Das war bei den
       SPD-Machos Clement und Steinbrück noch ganz anders.
       
       Für Kraft eröffnet der FDP-Lapsus enorme Chancen, vielleicht über
       Düsseldorf hinaus. Sie hat mit der vorbeugenden Sozialpolitik die einzige
       praktisch brauchbare Idee entwickelt, die die SPD seit dem Desaster der
       Schröder-Ära hervorgebracht hat. Sie zählt zu den wenigen Sozialdemokraten,
       die frei vom Hartz-IV-Image sind. Wenn sie bei den Neuwahlen die CDU
       schlägt: Kann die SPD dann auf diese Frau bei der Kanzlerkandidatur
       verzichten?
       
       14 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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