# taz.de -- Politologin über Kraft und Löhrmann: „Das ist moderne Mütterlichkeit“
       
       > Frauen haben eher notgedrungen einen anderen Politikstil als Männer. Aber
       > der ist im Moment gefragt, sagt die Politologin Helga Lukoschat.
       
 (IMG) Bild: Löhrmann und Kraft als neue Leitfiguren.
       
       taz: Frau Lukoschat, war das, was wir in NRW gesehen haben, weibliches
       Regieren? 
       
       Helga Lukoschat: Es war ein bemerkenswertes Regieren von zwei Frauen, die
       eine schwierige Konstellation über zwei Jahre mit recht großem Erfolg
       geführt haben. Bei den Neuwahlen werden sie womöglich wieder als
       Gewinnerinnen dastehen.
       
       Hat es ihnen geholfen, dass sie Frauen sind? 
       
       Es hat ihnen auf jeden Fall nicht geschadet. Eigentlich sind Frauen ja eher
       im Nachteil, weil unsere Politik sehr männlich geprägt ist. Gefolgschaft
       bilden sich eher hinter Männern. Was aber Kraft und Löhrmann zugutegekommen
       ist: Sie strahlen beide etwas Vertrauenswürdiges, Bodenständiges aus. Kraft
       hat den Begriff der „Landesmutter“ ausgefüllt. Man traut ihr zu, dass sie
       ordentlich für das Land sorgt. Und zwar nicht als betuliche „Mutti“,
       sondern im Sinn von „Working Mum“. Das ist also auch ein moderneres Bild
       von Mütterlichkeit.
       
       Der kooperative Politikstil, diese „Koalition der Einladung“, ist das nun
       weibliches Regieren? 
       
       Es ist vielleicht ein Kennzeichen von Frauen, dass sie besonders darauf
       angewiesen sind, offen zu bleiben und zu moderieren. Sie können sich eben
       nicht wie Männer auf langjährige Seilschaften verlassen und haben nicht
       diese Art von Gefolgschaft hinter sich. Zudem ist es ein Politikstil, der
       besonders in einer Minderheitenregierung gebraucht wird. Im Fall NRW sieht
       man sehr deutlich, dass die Machtverhältnisse sich in Zeiten von Fünf- oder
       sogar Sechsparteiensystemen gewandelt haben. Es gibt seltener klare
       Mehrheiten, die Regierungen müssen offener werden. Ein kooperativer,
       einbeziehender Politikstil ist in diesen Fällen erfolgversprechender. Da
       können sich die Männer einiges von den Frauen abschauen. 
       
       Frauen führen anders? 
       
       Nein, Frauen sind ja nicht alle gleich. Und es gibt auch Männer, die
       kooperativer an die Politik herangehen. Hannelore Kraft muss machtbewusst
       sein, sonst wäre sie nicht in dieses Amt gelangt. Aber sie kann eben auch
       eine einladende Politik machen und dabei auf Ressourcen zurückgreifen, die
       einem Clement vielleicht nicht zur Verfügung standen. Die Gesellschaft weiß
       das mittlerweile zu schätzen.
       
       Von Löhrmann stammt die Selbsteinschätzung, dass sie „Frau sein und
       trotzdem führen kann. Ist das neu? 
       
       Ja. Unsere früheren Untersuchungen haben gezeigt, dass die Frauen in der
       Regel nur erfolgreich waren, wenn sie ihr Geschlecht neutralisiert haben.
       Frau Merkel ist das klassischen Beispiel dafür. Jetzt konnte Kraft sogar
       die Tatsache, dass sie Mutter ist, für sich verwenden.
       
       „Wir machen aus Sachfragen keine Machtfragen“, sagt Löhrmann auch.
       Eigentlich wirft man das den Frauen doch immer vor: Sie machen nur
       Sacharbeit und wundern sich dann, dass die Machtmenschen an ihnen
       vorbeiziehen. 
       
       Sylvia Löhrmann kann dieses Prinzip anwenden, weil sie das nicht naiv tut,
       sondern in Machtfragen mit allen Wassern gewaschen ist. Sie erkennt die
       Machtfrage hinter der Sachfrage und kann das trennen. Und man muss die
       Machtfrage erst mal knacken, bevor man auf die Sachfrage kommt.
       
       Das kann man aber nur machen, wenn das Gegenüber Kraft heißt und nicht etwa
       Clement, oder? 
       
       Ja, die beiden sind eben ein gutes Tandem und widerlegen damit, by the way,
       das Klischee vom Zickenkrieg.
       
       Kraft sprach auch mal ganz selbstverständlich davon, dass Frauen öfter mal
       emotional angegriffen werden. Das müsse man eben kontern. 
       
       Sie kann so etwas thematisieren, ohne in der Opferrolle zu verschwinden.
       Das ist noch nicht selbstverständlich, aber da muss es hingehen. Man kann
       diese unterschiedliche Behandlung von Frauen in der Politik nicht leugnen,
       wie das oft noch getan wird. Aber man kann kompetent damit umgehen.
       
       Frau Kraft als erfolgreiche Ministerpräsidentin wird nur zögerlich als
       Kanzlerkandidatin gehandelt. Wieso eigentlich? 
       
       Gegen diese drei Männer in der SPD kommt sie im Moment noch nicht an. Aber
       wenn sie eine stabile Mehrheit in NRW hinbekommt, sieht die Sache schon
       anders aus. Sie kann sich also noch Zeit lassen.
       
       Kann die SPD mit drei Kraftmeiern an der Spitze sich eine weibliche
       Kandidatin überhaupt vorstellen? 
       
       Man könnte den Verdacht hegen, dass sie das nicht kann. Aber die Zeiten
       ändern sich, auch in der SPD.
       
       15 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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