# taz.de -- Wahlkampf in Frankreich: Die Pause war nur kurz
       
       > Präsident Sarkozy spielt den Landesvater und versucht zu beruhigen.
       > Seinen Gegnern bleiben nur Schweigen, Polemik oder radikale Forderungen.
       
 (IMG) Bild: Sarkozy ganz in seiner Rolle bei der Trauerfeier für die in Montauban und Toulouse ermordeten Soldaten.
       
       PARIS taz | Der einseitig verkündete Propagandawaffenstillstand der
       Präsidentschaftskandidaten hielt nicht lange. Noch unter dem Schock des
       Mordanschlags auf die jüdische Schule in Toulouse hatten am Montag sowohl
       Staatschef Nicolas Sarkozy als auch sein Hauptgegner, der Sozialist
       François Hollande, sofort mitgeteilt, sie würden ihre Kampagne bis auf
       Weiteres suspendieren – das glaubten sie wohl den Familien der Opfer
       schuldig zu sein. Dennoch tauchten beide kurz darauf in Toulouse auf, um
       öffentlich ihre Solidarität und ihr Mitgefühl zu zeigen.
       
       Sarkozy ist inzwischen ganz in seiner Rolle als Staatsoberhaupt. Der Killer
       wollte „die Republik in die Knie zwingen“, sagte der Präsident
       Mittwochnachmittag bei einer Trauerfeier für die drei toten Soldaten von
       Montauban; aber man habe „nicht nachgegeben“. Die Nation stellt sich bange
       Fragen – ihm kommt es als Landesvater zu, Antworten oder beruhigende Worte
       zu finden und zu versprechen, dass der Staat die Verbrechen nicht ungesühnt
       lassen werde.
       
       Seit Montag war Sarkozy fast stündlich im Fernsehen zu sehen: an der Seite
       der Angehörigen vor Ort, bei Gebeten oder Gedenkfeiern, bei Empfängen von
       Vertretern der religiösen Gemeinschaften in seinem Präsidentenpalast, und
       zwischendurch trat er vor die Medien. Die anderen Kandidaten waren dazu
       verurteilt, Statisten zu spielen.
       
       Kompliziert war das für Hollande. Er konnte und wollte seinem Konkurrenten
       Sarkozy das Feld nicht ganz überlassen, musste aber größte Zurückhaltung
       üben. Dem Chef der linken Opposition wurde vorgehalten, er habe mit seiner
       Ansprache in einem Schulhof nach der Schweigeminute die Jugendlichen
       unnötig verängstigt und Mangel an Taktgefühl bewiesen. Was manche dachten,
       insinuierte laut der Zentrumsdemokrat François Bayrou auf einer
       Wahlveranstaltung in Grenoble: Wer jahrelang die Gemeinschaften
       gegeneinander aufwiegelt, spielt mit dem Feuer.
       
       ## Le Pen will Islamisten „vernichten“
       
       Jean-Luc Mélenchon von der „Linksfront“ sah keinen Grund zu einer
       Wahlkampfpause; angesichts der Bedrohung durch den Rassismus sah er seinen
       Wahlkampf schon als „Form des Widerstands“. Die Trotzkistin Nathalie
       Arthaut bezeichnete den Pseudowaffenstillstand des Favoriten als „Komödie“.
       
       Die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen von der Front National rief am
       Mittwoch dazu auf, die islamischen Fundamentalisten zu „vernichten“, da sie
       Frankreich „den Tod“ brächten. „Man hat den Aufstieg des radikalen Islam in
       Frankreich heruntergespielt“, erklärte sie und forderte neben der
       Bekämpfung jener, „die unsere christlichen, muslimischen und jüdischen
       Kinder umbringen“, auch den Rückzug Frankreichs aus Afghanistan, da der
       Afghanistankrieg jetzt französischen Boden erreicht habe.
       
       Schon am Montag hatte sie zu „hundertprozentiger Solidarität“ mit den
       Familien von Toulouse aufgerufen. Sie will die Partei, die sie von ihrem
       mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen und Verharmlosung verurteilten
       Vater übernommen hat, salonfähig machen. „An die Schmutzfinken“ lautet der
       Titel eines weiteren Kommuniqués, in dem sie die Linke beschuldigt,
       grundlos eine Antirassismuskampagne gegen sie und die extreme Rechte
       geführt und damit die „Tragödie von Toulouse elendiglich
       instrumentalisiert“ zu haben.
       
       Wie zuvor die Sprecher der jüdischen und muslimischen Gemeinden warnt auch
       Staatspräsident Sarkozy eindringlich vor Rachegelüsten und der
       Gleichsetzung von Islam und Terrorismus. Wie dies in diesem angeheizten
       Klima zu vermeiden wäre, ist unklar. Die in Toulouse spürbare Erleichterung
       über den raschen Fahndungserfolg beseitigt nicht das tiefe Misstrauen und
       die heimliche Angst, die sich nach solchen Terrorakten im Inneren der
       Bevölkerung einnistet.
       
       21 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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