# taz.de -- Rollenmodell Kramp-Karrenbauer: Die Schein-Hausfrauen
       
       > Annegret Kramp-Karrenbauer repräsentiert den neuen Erfolgstypus in der
       > Politik – die uneitle Frau mit Sinn fürs Machbare. Die kritische Masse
       > ist offenbar erreicht.
       
 (IMG) Bild: Kramp-Karrenbauer, Merkel – der Beginn einer kritischen Masse.
       
       Der Erfolg einer Frau stand am Sonntagabend im Gesicht eines Mannes
       geschrieben.
       
       Heiko Maas, SPD, Verlierer der Saarland-Wahl, konnte ganz offensichtlich
       kaum glauben, dass Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU ihm den Wahlsieg
       weggenommen hatte. Einfach so gemopst hatte. Irgendwoher diese vielen
       Stimmen bekommen hatte, die ihr einen so großen Vorsprung bescherten.
       
       Doch verriet ja die Art, wie Kramp-Karrenbauer ihre eigene freudige
       Verblüffung vor laufenden Kameras kundtat, auch schon ihr Erfolgsgeheimnis.
       Seit August 2011 erst Ministerpräsidentin im kleinen Saarland, plauderte
       sie fröhlich und ohne den etwa in Berlin-Mitte so verbreiteten zynischen
       Unterton an der größeren ZDF-Moderatorin hoch. Maas schenkte sie einen
       Blick echten Mitleids – Junge, ich geb dir das schönste Ministerium, ganz
       bestimmt! – und wirkte auch sonst ganz unverstellt, bodenständig.
       
       Plötzlich erinnerte sie an Angela Merkel, eine weitere Frau mit schier
       unglaublichen Zustimmungswerten und immer noch nicht ausgelotetem
       Erfolgsrezept. Und was macht Christine Lieberknecht, die seit Oktober 2009
       Ministerpräsidentin Thüringens ist, eigentlich richtig, dass man von dort
       seither nicht den Hauch eines Konflikts mitbekommen hätte? Ausgleichend sei
       Lieberknecht, heißt es von dort, unverstellt wirke sie, bodenständig – ja
       sogar ehrlich.
       
       ## Unterschätzt, uneitel, SPD-nah – und erfolgreich
       
       Einer der wichtigsten empirischen Befunde des Feminismus lautet: Frauen
       kommen da nach vorn, wo ausreichend weibliche Vorbilder sind. Es muss eine
       kritische Masse, eine bestimmte Marke an Frauen in nichtdienenden
       Positionen überschritten sein, damit in einer Institution auch andere
       Frauen Erfolg haben können (und zwar nicht nur als Servicekräfte).
       Kramp-Karrenbauer, Merkel, Lieberknecht, das sind bloß drei, doch könnten
       sie sich schon als kritische Masse eignen und andere Frauen nach vorn
       ziehen. Denn sie gehen schon als Typus durch: unterschätzt, uneitel,
       SPD-nah – und erfolgreich.
       
       Die Parteizugehörigkeit – die bei allen drei Frauen ohnehin eher erraten
       werden müsste, wenn man sie nur am Handeln mäße – einmal beiseitegelassen,
       zählt auch Hannelore Kraft aus Nordrhein-Westfalen dazu. Kraft ist in den
       Augen der Wählerinnen und Wähler nach zwei Jahren Minderheitsregierung
       nicht etwa mit einem Minderheitsmakel, sondern mit einem
       Bescheidenheitsbonus ausgestattet.
       
       Sie hat der SPD in NRW soeben Umfragewerte von vergessen geglaubten 40
       Prozent eingebracht – in einem Landesverband, der jahrzehntelang auf den
       leicht verschwitzten männlichen Kohlekumpelpolitiker setzte. Dessen
       wichtigste Eigenschaft schien seit Kriegsende darin zu bestehen, Migranten,
       Grünen, Nichtautofahrern, Frauen und anderen Randgruppen ihren Platz
       zuzuweisen, und zwar am Katzentisch.
       
       ## Nicht zu offensichtlich Politik machen
       
       Doch am Katzentisch wird jetzt regiert. Es ist etwas Integres am neuen
       Frauenerfolgstyp – ob nur hervorragend gespielt, wie bei der betonharten
       Strategin Merkel, oder möglicherweise doch echt –, das viele Wähler
       überzeugend finden. Auch die Wählerinnen wollen nicht mehr bloß den
       Lieblingsschwiegersohn beziehungsweise echten Kerl im Amt sehen.
       Kramp-Karrenbauer wurde von ausgesprochen vielen Frauen gewählt.
       
       Die plötzlich so aktuellen Formen der politischen Integrität und
       Bescheidenheit wären als Tugenden der klassischen Hausfrau zu bezeichnen,
       wenn dies nicht in zu vielen Ohren bloß herabwürdigend klänge. Wem sonst
       aber gebührte ein Ehrenplatz in der Riege der neuen
       HausfrauenpolitikerInnen, wenn nicht dem grünen Ministerpräsidenten
       Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg?
       
       Wobei natürlich niemand weniger Hausfrau ist als eine
       Regierungspolitikerin, schon klar. Genauso funktioniert die Zuschreibung
       politischer Tugenden aber übrigens nur so lange, wie die Gemeinten damit
       nicht zu offensichtlich Politik machen.
       
       26 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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