# taz.de -- Aktionswoche gegen "Extremismus": Applaus sogar von Neonazis
       
       > Der "Bunte Herbst" in Wilhelmshaven richtet sich so diffus gegen jeden
       > Extremismus, dass das örtliche "Netzwerk gegen Rechts" nichts mehr damit
       > zu tun haben will. Das wiederum freut die NPD.
       
 (IMG) Bild: Keine Antwort mehr vom Organisator: Stadtchronist Wolf-Dietrich Hufenbach zeigt seinen Film zur Wilhelmshavener NS-Geschichte nun auf eigene Faust.
       
       WILHELMSHAVEN taz | Mindestens 100 Veranstaltungen „gegen Rassismus und für
       Toleranz“ hatte sich Wilhelmshaven für die Aktion „Bunter Herbst“
       vorgenommen. Knapp 60 haben in dieser Woche vorwiegend Schulen,
       Sportvereine und Kirchengemeinde auf die Beine gestellt, und ihre
       Farbigkeit wird wohl mancher in Frage stellen. Denn nicht jeder darf an der
       Aktionswoche teilnehmen.
       
       Freiwillig ausgestiegen ist dagegen das Wilhelmshavener „Netzwerk gegen
       Rechts“: Man wolle nicht Teil einer Veranstaltung „gegen jede Form von
       Extremismus“ sein, erklärte das Bündnis aus diversen Parteien,
       Gewerkschaften, Kulturschaffenden, Initiativen und Einzelpersonen. Weniger
       Probleme mit dieser Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus hat
       derweil die NPD.
       
       „Wir haben hier momentan keine erwähnenswerten Probleme mit
       Rechtsradikalen“, sagt Carsten Feist, Jugendamtsleiter und Organisator des
       Bunten Herbstes. Von 37 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund im
       vergangenen Jahr „bestand der überwiegende Teil aus Propagandadelikten wie
       Hakenkreuzschmierereien“. Straftaten in Verbindung mit anderen Formen von
       Extremismus gab es Feist zufolge keine. „Und weil wir die auch nicht
       wollen, veranstalten wir den bunten Herbst.“
       
       Michael van den Berg sitzt für die Grünen im Stadtrat: „Wir haben im Januar
       eine Resolution gegen rechts eingebracht und sind davon ausgegangen, dass
       die ohne Diskussionen abgenickt wird.“ Wurde sie nicht: Die schwarz-rote
       Koalition setzte eine „AG Extremismus“ durch, die schließlich auch den
       bunten Herbst koordinierte. „Da sind“, so van den Berg, „Nettigkeiten am
       Start wie Laternen basteln – jeder harte Rechte lacht sich darüber kaputt!“
       Anders als Feist sieht der Grüne durchaus „ein Problem mit
       Rechtsextremismus. Die Polizei vermutet in Wilhelmshaven einhundert Nazis,
       die im Untergrund aktiv sind“.
       
       Auch van den Berg wollte einen Beitrag zum bunten Herbst beisteuern,
       gemeinsam mit Wolf-Dietrich Hufenbach. Der betreibt seit sechs Jahren im
       Internet das kritische „Bürgerportal Wilhelmshaven“, für das er nicht nur
       schreibt oder zeichnet, sondern auch filmt: Seine Videos veröffentlicht er
       bei Youtube. Auch zum bunten Herbst sollte so eine Dokumentation entstehen,
       Thema: die lokale Aufarbeitung der NS-Zeit, dazu eine begleitender
       Ausstellung mit anschließender Diskussion.
       
       Doch Organisator Feist lehnte das ab: Aus Hufenbachs Anmeldung lasse sich
       die erwünschte „präventive Zielrichtung“ nicht ersehen. Hufenbach legte
       Widerspruch ein – und bekam keine Antwort mehr. Von vornherein keine
       Reaktion erhielt die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD).
       Sie hatte einen Diskussionsabend zum Thema „Revolutionäre sind keine
       Extremisten“ angemeldet, nachdem das „Netzwerk gegen Rechts“ seine
       Teilnahme abgesagt hatte. Die Mitglieder des Netzwerks hatten allesamt
       gehofft, dass sich der bunte Herbst doch noch klar gegen Rechtsextremismus
       positionieren würde. „Als das nicht geschah, sind wir ausgestiegen“, sagt
       Dorothee Jürgensen (DGB). „Es ist unerträglich, gerade um den 9. November
       herum eine Veranstaltung zu machen, die rechts und links gleichsetzt.“
       
       Das sieht die NPD Ostfriesland / Friesland mit Sitz in Wilhelmshaven ganz
       anders. Auf ihrer Internetseite attackiert sie das Netzwerk als
       „antideutsche Selbsthasser“, die „die über 100 Millionen Toten
       kommunistischer Gewaltherrschaft“ ausblendeten. Eben das sei der Grund,
       warum die Stadt Wilhelmshaven „dauerhaft alles versucht, der Aktionswoche
       den Stempel des allgemeinen Extremismus – also links wie rechts – zu
       geben“.
       
       Hufenbachs Film ist mittlerweile fertig. „Ausgegrenzt“ heißt er und handelt
       von Wilhelmshavens NS-Vergangenheit, von der Arbeit des Netzwerks gegen
       Rechts – und vom bunten Herbst, der aus Sicht vieler keiner ist. Er wird
       ihn morgen zeigen, auf eigene Faust in einem leeren Ladenlokal in der
       Nordseepassage. Auch das Netzwerk zieht seine Veranstaltungen durch – „und
       zwar ausschließlich“, sagt Jürgensen, „gegen rechts“.
       
       8 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
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