# taz.de -- Peer Steinbrück über die Frauenquote: „Freiwillig geht es nicht“
       
       > Peer Steinbrück fordert eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und
       > Vorstände. Und wirft sich für die SPD-Männertroika in die Bresche.
       
 (IMG) Bild: „Meine Frau hat sich nie als Appendix von mir gefühlt, sondern ihr eigenes Leben gestaltet.“ Peer Steinbrück im Interview.
       
       ProQuote: Herr Steinbrück, wir sind verwirrt. Seit wann sind Sie eigentlich
       für die Frauenquote? 
       
       Peer Steinbrück: Wie immer ist das auch ein Lernprozess. Vor einigen Jahren
       habe ich es für möglich gehalten, dass die Wirtschaft dies freiwillig
       bewerkstelligt. Inzwischen stelle ich fest: Sie tut es nicht. Und deshalb
       bin ich jetzt für eine gesetzliche Frauenquote. Ja.
       
       Und was stellen Sie sich vor? 30 Prozent? 40 Prozent? Nur für die
       Aufsichtsräte? 
       
       Nee, die Haltung meiner Partei teile ich. Die ist, sowohl in Aufsichtsräten
       als auch in Vorständen, 40 Prozent. Man muss sich nur darüber klar werden,
       zu welchem Zeitpunkt das erreicht werden muss. Nehmen wir mal Aufsichtsräte
       und Vorstände nicht nur von den 30 DAX-Unternehmen, sondern von den 200
       größten. Dann wird man fünf Jahre dafür ins Land gehen lassen müssen.
       
       Das ist ehrgeizig. In der Politik gibt es Quoten ja schon lange, Ihre
       Partei hat seit 1988 eine 40-Prozent-Frauenquote für Ämter und Mandate. Nun
       fordern Vertreter der vierten Gewalt – Journalisten – eine 30-Prozent-Quote
       in den Redaktionen. Was halten Sie davon? 
       
       Das ist eine Sache, die die Journalistinnen und Journalisten in Kontakt mit
       ihren Redaktionen und Verlagen selber klären müssten, aber jedenfalls ist
       die Besetzung mit Frauen bei Medienunternehmen vor allem in leitenden
       Funktionen ähnlich schlecht wie bei Unternehmen der gewerblichen
       Wirtschaft. Vor dem Hintergrund kann ich ein Aufbegehren und eine
       entsprechende Forderung durchaus verstehen. Im Übrigen würde sich die
       Haltung der SPD bezüglich der 40-Prozent-Quote zumindest auf
       Verlagsunternehmen ja auch erstrecken.
       
       Wie hoch, schätzen Sie, ist der Anteil der Frauen, die Sie in den
       vergangenen zwei Jahren interviewt haben? 
       
       Dreißig!?
       
       Nach unserem Archiv waren es 14 Frauen. Aber 62 Männer. Es müssen also
       immer erst 4,5 Männer vorbeischauen, ehe Ihnen die erste Frau ein Mikro
       unter die Nase hält. Ist das gut für die politische Kultur in unserem Land? 
       
       Die Antwort lautet, unter Gesichtspunkten der Chancengleichheit von Frauen
       und Männern: nein. Und auch nicht mit Blick auf die kulturelle und
       gesellschaftliche Prägung in dieser Gesellschaft.
       
       Zu leibhaftigen Kanzlern dringen übrigens noch weniger Frauen vor. Im
       selben Zeitraum ist Angela Merkel gerade mal von 6 Frauen, dafür von 111
       Männern interviewt worden. Was denken Sie: Hat Merkel Angst vor
       Journalistinnen – oder die vor ihr? 
       
       Weder noch, sie sucht sich das ja nicht aus. Die Redaktionen bestimmen
       selbst, wen Sie schicken, und Angela Merkel wird genauso wenig wie ich
       Einfluss darauf nehmen, wer zum Interview kommt.
       
       Genau. Und wer kommt, das sind die ebenbürtigen Partner, das sind die
       Medienchefs. 98 Prozent der deutschen Chefredakteure sind Männer. Sähe es
       ohne Quotenregelung in den Parteien genauso aus wie in den Medien? 
       
       Vielleicht nicht ganz, denn der Druck auf die Parteien ist größer. Sie sind
       einem höheren Legitimationsdruck ausgesetzt. Der ergibt sich auch aus dem
       überwiegenden Teil der Wählerschaft. Und wenn ich es richtig sehe, ist die
       Hälfte der Wählerschaft weiblich.
       
       Nicht zu Ihrem Vergnügen, oder? 
       
       Ach, ich werd mich auch nicht verbiegen können. Ich weiß, dass ich auf
       Frauen viel zu rational wirke. Gelegentlich vielleicht auch zu dozierend,
       weniger Empathie ausstrahlend. Aber das bedeutet ja nun nicht, dass man
       plötzlich eine Art politischer Geschlechtsumwandlung vollzieht, das wäre
       auch nicht glaubwürdig.
       
       Nach den jüngsten Umfragen würden 58 Prozent der jungen Frauen die
       Amtsinhaberin wiederwählen. Nur 26 Prozent den Herausforderer. 
       
       Ja, for the time being … 
       
       Erklären Sie sich das nur mit Ihrer rationalen Art? 
       
       Sie werden nicht erwarten, dass ich hier vor Ihnen eine Art Selbstgeißelung
       vornehme und mich auf die Psychocouch legen lasse. Dazu habe ich keine
       Veranlassung. Ein Kanzlerkandidat der SPD, egal wie er heißt, wird sich in
       der Breite der Themen aufstellen müssen. Das tue ich, und das wird nicht
       inszeniert, nicht geschauspielert wirken. Ich zitiere häufig meinen Sohn:
       „Du darfst nicht auf die Ranschmeiße gehen, dann sagen die Leute, schau
       mal, der ist ja gaga“. Dass Frau Merkel als erste weibliche Chefin im
       Kanzleramt einen Bonus hat, auch bei weiblichen Wählern, das kann ich mir
       vorstellen. Schlicht und einfach, weil die sagen, endlich mal ’ne Frau in
       diesem Amt.
       
       Und was sagen Ihre Töchter? 
       
       Die sind derselben Auffassung wie mein Sohn. Die denken, dass jemand, der
       wie ich 65 ist, für eine jüngere Generation – insbesondere eine Generation
       jüngerer Frauen – sich nicht verstellen, sondern einfach authentisch
       bleiben sollte.
       
       Dann nehmen wir eine authentische Geschichte. Die spielt 2002. Sie waren
       Ministerpräsident, es gab Koalitionsverhandlungen, und Barbara Steffens,
       heute Gesundheitsministerin der Grünen, kommt mit ihrem kleinen Baby, weil
       ihr Mann zu spät war und es nicht übernehmen konnte. Was passiert? Sie
       schmeißen Mutter und Kind raus. Warum? Sie waren eh schlecht gelaunt, weil
       Sie grundsätzlich keine Lust auf Koalitionsverhandlungen mit den Grünen
       haben? 
       
       Donnerwetter.
       
       Oder ist das Ihre wahre Haltung zu berufstätigen Frauen mit kleinen
       Kindern? 
       
       Diese von Ihnen erwähnte Begebenheit ist ein gutes Beispiel immer weiter
       fortgetragener journalistischer Überspitzung. Ich habe niemanden
       rausgeschmissen. Sondern lediglich einen Satz gesagt: „Muss das sein?“
       
       Und Frau Steffens ist rausgegangen. 
       
       Ja, allein wegen dieses Satzes. Sie müssen sich vorstellen, das sind
       Koalitionsverhandlungen, vor dem Hintergrund einer in der Tat schwierigen
       Ausgangslage. Die fangen um 20 Uhr an. Sind erkennbar nicht vor
       Mitternacht, wenn nicht vor 1 Uhr morgens beendet. Und da kommt Frau
       Steffens, mit ihrem neugeborenen Kind, und ich sage: „Muss das sein?“ Ich
       habe die Tatsache, dass ein Baby mitgebracht wird zu
       Koalitionsverhandlungen, als unangemessen empfunden.
       
       Wie haben Sie es denn geschafft, neben Ihrer Karriere noch drei Kinder
       großzuziehen? 
       
       Bei dieser Frage spüre ich den Atem meiner Frau im Nacken. Wenn die das
       liest und ich vergaloppiere mich jetzt, dann habe ich sie am Hals. Am
       meisten habe ich mich um das erste Kind, meine älteste Tochter, gekümmert,
       und ich gebe zu, das hatte eine abnehmende Kurve. Das war auch so, dass ich
       nachts mit meiner Frau eine Arbeitsteilung hatte, wer sich um das Kind
       kümmert und es wickelt. Mit wahnsinnigen Anekdoten, die sich darum ranken.
       Meine älteste Tochter ist im Oktober geboren. Ich kann mich erinnern, dass
       es Dezember war, ich bin um drei Uhr aufgestanden, um das Kind zu füttern
       und zu wickeln, und es schrie wie am Spieß. Meine Frau wurde daraufhin
       wach, und ich wusste gar nicht, weshalb das Kind schreit. Daraufhin sagte
       meine Frau: „Weil in diesem Raum gerade nur zwölf Grad sind und das Kind
       liegt nackt dort. Was glaubst du denn, warum es schreit?“
       
       Was nicht umbringt, härtet ab. 
       
       Ansonsten gab es zwei, drei Punkte, von denen ich glaube, dass deshalb die
       Nähe zu meinen Kindern gehalten hat. Ich bin nachher mit meinen Kindern
       immer einzeln ein verlängertes Wochenende verreist, um eine ganz gezielte
       Zuwendung zu haben. Nach München, Berlin, London, Paris oder was weiß ich.
       Und das andere war eine Regel: Wenn ich an einem Wochenende zu Hause bin
       und habe einen Tag frei, dann gibt es keinen Blick in die Akten, sondern
       dann bin ich da. Das dritte war, es wurde sehr viel gemeinsam gespielt.
       
       Da Sie den Atem Ihrer Frau im Nacken spüren – war es im Nachhinein die
       richtige Entscheidung, dass Sie sich zwar punktuell um die Kinder
       gekümmert, Ihrer Frau aber die Doppelbelastung aufgebürdet haben? 
       
       Meine Frau war immer stark daran interessiert, ihren Beruf – in diesem Fall
       als Gymnasiallehrerin – nicht aufzugeben. Das hat sich für unsere Ehe als
       sehr stabilisierend herausgestellt, weil sie nie auf mich gewartet hat.
       Und, was viel wichtiger ist, sie hat sich nie als Appendix von mir gefühlt,
       sondern ihr eigenes Leben gestaltet, ihre eigene Bestätigung bekommen. Das
       heißt, die war nie jemand, der um zehn Uhr abends auf die Uhr guckte und
       fragte, warum ist der Knacker noch nicht da?
       
       Apropos Rollenverständnis: Ihre Partei ist fest in Männerhänden, in der des
       Trios Steinbrück, Steinmeier, Gabriel. Auch Ihr Wahlkampfteam besteht
       ausschließlich aus Männern. Wie konnte das passieren, wenn Sie doch wissen,
       wie skeptisch die Wählerinnen Ihnen begegnen? 
       
       Ja, in der Troika war keine andere Frau dabei. Wenn Hannelore Kraft ihr
       Interesse bekundet hätte, wäre das anders gewesen. So einfach ist das. Es
       hat sich keine Frau beworben um die Aufgabe.
       
       Na ja, wollen wir uns lieber nicht in Ihre innerparteilichen
       Angelegenheiten einmischen... 
       
       Das lasse ich Ihnen nicht durch, einfach nur zu sagen: Die blöden
       Sozimänner haben da ’ne andere Frau nicht rangelassen, das reicht mir
       nicht.
       
       Dann halten wir fest: Die blöden Sozifrauen wollten nicht. 
       
       Dann sagen Sie mir doch, welche weitere sozialdemokratische weibliche
       Persönlichkeit wäre denn noch infrage gekommen?
       
       Wenn wir im Spiegel lesen, Sie seien gerade Ihrer Fraktionskollegin Elke
       Ferner über den Mund gefahren, als die wegen Altersrente für Frauen auf sie
       zukam, denken wir natürlich, vielleicht ist der Umgangston nicht so... 
       
       Das ist ein internes Gespräch gewesen, das zu meinem Leidwesen an die
       Öffentlichkeit gegeben wurde! Wenn Frau Ferner im Gespräch mit Dritten
       dafür sorgt, dass die Kosten einer Rentenreform um 5 oder 6 Milliarden
       hochgehen würden – da darf ein Kanzlerkandidat der SPD intervenieren, ohne
       dass das als frauenfeindlich, unhöflich oder garstig empfunden wird.
       
       Von Ihnen stammt die SMS „Toll, wir hauen Püppi aus den Pumps“. Gemeint war
       die CDU-Frau Angelika Volquartz, gegen die Ihr ehemaliger Sprecher Torsten
       Albig 2009 in Kiel angetreten ist. Wissen Sie, was Frau Volquartz Ihnen
       voraushatte? 
       
       Nein.
       
       Sie hat schon 1998 ihre Einkünfte vollständig veröffentlicht. Was ist an
       dieser Frau so puppenhaft? 
       
       Mensch, das ist eine persönliche SMS gewesen, die auch mal frech formuliert
       war. Wir können jetzt dazu übergehen, dass alle eine hochkorrekte Sprache
       sprechen und dann reden wir so langweilig, dass Sie gar keine Fragen mehr
       haben.
       
       Wir dachten, das hätte das schöne Ende unseres Interviews sein können, wenn
       Sie so was gesagt hätten wie: Hey, das haut mich jetzt aus den Pumps! Haben
       Sie sich eigentlich bei ihr entschuldigt? 
       
       Warum!?
       
       18 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annette Bruhns
 (DIR) Anne Will
       
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