# taz.de -- Datenschutz beim Jobcenter: Kontoauszug im Gebüsch
       
       > Der Antrag einer Bremer ALG-II-Bezieherin gelangt aus dem
       > Jobcenter-Briefkasten auf die Straße - ein Problem, das der
       > Bundesdatenschutz-Beauftragte schon 2011 bemängelte.
       
 (IMG) Bild: Zu klein und "nicht ausreichend geschützt": Briefkasten im Wartesaal des Jobcenters Bremen-Mitte am Montag.
       
       BREMEN taz | Ein Anruf am Abend: „Ich weiß, dass Sie allein wohnen und was
       Sie in den letzten Monaten verdient haben.“ Der Unbekannte am anderen Ende
       des Telefons kennt zahlreiche Details aus Anna Schmidts* Leben. All das
       zumindest, was aus ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld hervorgeht, den sie
       ein paar Stunden zuvor persönlich in den Briefkasten des Jobcenters
       Bremen-Mitte geworfen hatte – im Inneren, in der Wartehalle. Der Anrufer
       fand Schmidts komplette Unterlagen abends im Gebüsch. Das war Ende
       November. Dabei hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte auf das Problem der
       unsicheren Briefkästen beim Jobcenter Bremen schon vor über einem Jahr
       hingewiesen. Erwerbslosenberatungen berichten, dass regelmäßig Briefe
       verschwinden. Erst jetzt soll sich etwas ändern.
       
       Der Finder hatte Anstand – mit seinem Anruf wollte er Schmidt warnen. Ein
       Übeltäter hätte mit ihren Daten einiges anstellen können: Kontoauszüge der
       letzten drei Monate lagen offen herum, Krankenkassen-Bescheinigung,
       Mietvertrag, frühere Gehaltsabrechnungen.
       
       Dass ein so offener Einblick in ihre Privatsphäre möglich war, findet
       Schmidt „gruselig“. Sie wendet sich an den Bundesdatenschutzbeauftragten
       und trifft auf Verständnis: Bereits 2011 hatte der das Bremer Jobcenter
       nach einem „datenschutzrechtlichen Kontrolltermin“ auf die unsicheren
       Briefkästen hingewiesen: „Diese Briefkästen waren durch ihre geringe Größe
       und ihre Standorte nicht ausreichend vor unberechtigten Zugriffen
       geschützt“, antwortet Juliane Heinrich, Sprecherin des
       Bundesdatenschutzbeauftragten, der taz. Der Bundesbeauftragte habe „das
       Jobcenter Bremen aufgefordert, diese Briefkästen durch größere Exemplare
       ersetzen und regelmäßig leeren zu lassen“. Im Zuge der Kontrolle seien auch
       weitere datenschutzrechtliche Mängel festgestellt worden, das Verfahren sei
       aber frühestens Ende Januar abgeschlossen.
       
       Es droht nicht nur Datenklau 
       
       Dass im Jobcenter Bremen immer wieder Unterlagen verschwinden, ob aus dem
       Briefkasten oder auf anderem Weg, ist kein neues Problem: Tobias Helfst vom
       Bremer Erwerbslosenverband (BEV) schätzt, dass dies jedem Dritten in seiner
       Sprechstunde passiert. „Das ist Alltag“, so Helfst. Weil nicht nur
       Datenklau droht, sondern auch die Möglichkeit, Fristen zu verpassen, rät er
       dazu, sich den Eingang jedes einzelnen Briefes quittieren zu lassen. Im
       Jobcenter Mitte gibt es dafür während der Öffnungszeiten eine eigene
       Poststelle. An dem Mittwoch, an dem Schmidt im Wartesaal steht, hatte die
       geschlossen.
       
       In Bremen-Nord, so berichtet Helfst, würden die Jobcenter-MitarbeiterInnen
       einen Eingangsstempel generell verweigern. Verschwindet ein Antrag ohne
       Beleg, so sind die angehenden Hartz-IV-Empfänger auf die Kulanz der
       Sachbearbeiter angewiesen. Andernfalls gibt es erst Geld ab dem Tag eines
       neu gestellten Antrags. Auch andere fehlende Schriftstücke können Folgen
       haben. „Bei Verletzung der Mitwirkungspflicht drohen Sanktionen“, so
       Helfst.
       
       Bundesweit verschwinden Unterlagen in Jobcentern 
       
       Laut dem Sozialwissenschaftler Harald Thomé vom Wuppertaler
       Selbsthilfeverein Tacheles sind verloren gegangene Unterlagen bei
       Jobcentern bundesweit ein Problem. Immer wieder gebe es darüber Beschwerden
       von Wohlfahrtsverbänden. Auch er schätzt die Verlustrate auf 30 Prozent.
       „Warum das passiert, ist mir unbegreiflich.“ Einen Grund vermutet er in der
       „katastrophalen Unterbesetzung“.
       
       Und das Bremer Jobcenter? Dort kennt man Schmidts Geschichte. „Bei diesem
       bedauerlichen Vorfall handelt es sich um einen Einzelfall“, erklärt
       Jobcenter-Pressesprecherin Kristina Bumb. „Offenbar haben hier Unbefugte
       Post aus einem Briefkasten innerhalb unseres Dienstgebäudes entnommen.“ Es
       gebe einen eigenen Datenschutzbeauftragten im Hause und
       datenschutzrechtliche Bedenken von Jobcenter-KundInnen würden sehr ernst
       genommen. Auf Grund des Vorfalls seien nun neue Briefkästen beschafft
       worden, ausgestattet mit „speziellem Zugriffsschutz“. Am Montag waren sie
       im Jobcenter Mitte noch nicht angebracht.
       
       * Name geändert
       
       7 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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