# taz.de -- Neues Album von Pantha du Prince: Am Anfang war die Glocke
       
       > Pantha du Prince ist der unverbesserliche Romantiker des Techno.
       > „Elements of Light“ ist ein in Echtzeit eingespieltes Studioalbum.
       
 (IMG) Bild: Mehr Licht: Hendrik Weber, Dritter von links, inmitten seiner Musiker
       
       Das Licht besteht aus Photonen, seine Geschwindigkeit bleibt immer gleich.
       Stattdessen aber krümmt sich der Raum und Zeit ist dehnbar. Mit den
       verwunderlichen Kräften der Physik hat sich der Berliner Technoproduzent
       Hendrik Weber alias Pantha du Prince bereits auseinandergesetzt, das
       offenbaren weltgreifende Tracktitel wie „Urlichten“ oder „Saturn Strobe“.
       Nun hat sich Weber mit seinem neuen Album gänzlich dem unerfassbaren
       Phänomen des in Wellen, Teilchen und Strahlen erscheinenden Lichts
       angenommen.
       
       „Elements of Light“ heißt sein 43-minütiges Klangarrangement, das er
       gemeinsam mit dem norwegischen Komponisten Hans Petter Hagen und dem
       sechsköpfigen Perkussionsensemble „The Bell Laboratory“ entwickelte. Das
       namensgebende Licht erhellte das Projekt erst später.
       
       Ganz am Anfang stand Glockenklang. Genauer waren es die 49 Glocken eines
       Carillons, die stündlich vom Turm des Osloer Rathauses erschallen. Hendrik
       Weber hielt sich im Sommer 2010 in der norwegischen Hauptstadt auf und war
       vom Klang aus dem Glockenturm betört. Er entschied, dem Glockenwerk ein
       musikalisches Experiment zu widmen. 43 Minuten und 30 Sekunden währt das
       Stück – das erinnert an John Cages „4’33’’“, ein Werk der Stille. Doch
       Pantha du Prince weitet die Stille und füllt sie mit dem Klang des
       Carillons.
       
       ## „Körperlich erfahrbare Zeit“
       
       „Glocken schaffen Freiraum, schaffen ein Innehalten“, sagt Hendrik Weber im
       Interview. „Meine Faszination für die Glocke steckt nicht im Sakralen,
       sondern in der Physikalität ihres Klangs. Sie bringt die Luft zum
       Schwingen. Dieser direkte Impuls macht Zeit akustisch und körperlich
       erfahrbar.“
       
       Pantha du Prince und die Glocke, das ist schon seit Jahren eine
       einträchtige Verbindung. Auf seinem viel gerühmten Album „This Bliss“
       (2007) ließ Weber erste Glockenanklänge aus seinem sphärisch versunkenen
       Techno erahnen. „Es waren rein digitale Sounds, Obertonreihen, die ich
       moduliert habe. Damals entwickelte ich Sounds, die eine Melodie am besten
       abbilden. Das sollte ein Klang ohne Retroverweise sein, der für sich steht.
       An Glocken habe ich ursprünglich nicht gedacht, ich bin eher zufällig auf
       sie gestoßen.“
       
       Im darauffolgenden Album „Black Noise“ (2010), füllte er seine Tracks mit
       Fieldrecordings und Geräuschaufnahmen, darunter auch Aufzeichnungen von
       Glocken. Noch immer war es der Computer, der den Sound für seinen
       melancholischen Minimal Techno generierte, noch immer arrangierte Weber die
       eingespeisten Klangdaten im Alleingang. Nun lässt er das Sampeln und
       Modulieren hinter sich und überwindet eine ureigene Praxis elektronischer
       Musik. „Elements of Light“ ist ein in Echtzeit eingespieltes Studioalbum.
       
       Der Technoproduzent und sechs Instrumentalisten führen darin organische und
       synthetische Sounds zusammen. Melodische und rhythmische
       Perkussionsintrumente – Marimbafon, Vibrafon oder Tubular Bells – vermengen
       sich mit den typischen Bässen, Clicks und Claps eines Pantha du Prince. Im
       Zentrum steht ein Carillon mit fünfzig metallenen Glocken, das demjenigen
       in Oslo am nächsten kommt.
       
       ## „Verzicht auf Macht“
       
       Das Glockenspiel ist archaischer Klangkörper, vor 3.500 Jahren in China
       entwickelt, im Mittelalter nach Europa gelangt. „Dieses Projekt bedeutet
       für mich einen Verzicht auf Macht. Mit meinen Maschinen mache ich
       Versuchsanordnungen und gebe die Kontrolle an die Technik ab. Aber im
       Zusammenspiel von Menschen und analogen Instrumenten kommen ganz andere
       Dynamiken zum Vorschein.“
       
       In seinem Berliner Studio entwarf Hendrik Weber ein digitales Blueprint für
       das Stück – zunächst mit den klassischen Methoden eines
       Elektronikproduzenten. Der Komponist Lars Petter Hagen übersetzte Webers
       Tonstück in Noten. „Meine erste Fassung war eine atmosphärische Idee, und
       es ließ sich nicht bestimmen, um welche Harmonien es sich handelt. Man
       konnte ein Frequenzspektrum feststellen, es musste ein ungefährer Ton
       getroffen werden. Auch habe ich die Loops schräg laufen lassen, das können
       die Perkussionisten nicht einfach spielen, weil es kein Metrum mehr gibt.“
       
       In einem Prozess der Ausreizung von digitaler und instrumentaler
       Klangerzeugung fügten Hagen und Weber das Ursprungsarrangement zu einem
       neuen Tonwerk zusammen. Samples übertrugen sie auf Carillon und Percussion,
       die feinste Auflösung in Minifrequenzen der digitalen Vorlage glichen sie
       den physischen Determinanten der Instrumente an. Schließlich kam für Weber
       etwas Neuartiges hinzu: der „menschliche Faktor“, die anderen Musiker und
       ihr kreatives „Reflektionsvermögen, das eine Maschine nicht hat“.
       
       Percussion und Drum machine, Tribalismus und Cyborg – die ursprüngliche
       Komposition „Elements of Light“ bildete sich zu einem akustischen und
       sozialen Organismus heraus. Mit den klaren Tönen der Glocken setzt er sich
       in Bewegung und endet in ihrer Ruhe. Dazwischen aber breitet Weber auf 43
       Minuten und 30 Sekunden ein Rhythmusgeflecht aus, das von einer rigiden
       Struktur zu Taktverrenkungen und Momenten der Improvisation reicht.
       Sphärisch, treibend – ein spannender Hybrid aus musikalischer
       Ursprünglichkeit, Clubkultur-Elementen und Akademismus.
       
       ## Seltsame Sakralität
       
       Hier und da aber versinkt die Komposition in eine seltsame Sakralität –
       unvermeidbar ist der Klang der Glocke mit der Kirche verknüpft. „Wave“,
       „Spectral Split“, „Quantum“, „Photon“ und „Particle“ heißen die Tracks des
       Albums. Tracks, die Pantha du Prince als Blaupausen entwarf, und die in der
       Annäherung mit Instrument und Mensch zu einem kohärenten Arrangement
       verschmolzen sind.
       
       Für das Album sind die ursprünglichen Abschnitte wieder sichtbar gemacht
       worden. „Von vornherein nach den Elementen des Lichts zu komponieren, diese
       Art von Wissenschaftlichkeit liegt mir nicht. Ich habe mir Licht in all
       seinen Facetten vorgestellt und herausgekommen sind die vier Tracks.“ Das
       Licht sei von Beginn des Projekts an bestimmend gewesen: Etwa beim Blick
       hinauf zum Osloer Turm, beiden Lichtverhältnisse in Webers Berliner Studio
       hoch über der Stadt und der Helligkeit der Glocke, die während ihres
       Herstellungsprozesses – die Glocke wird gegossen – in ihren Klang gelangt.
       
       „Manchmal gibt es Synchronitäten. Modelle, von dem, wie die Welt geschaffen
       ist. Die Wissenschaft humpelt, Einstein ist out, es gibt die
       String-Theorie, aber eigentlich ist es die Kunst, mit der man diese
       unverständlichen Dinge irgendwie erfassen kann.“ Ein unverbesserlicher
       Romantiker ist dieser Pantha du Prince. Archaik, Mystik, Technik und
       Quantenphysik in „Elements of Light“ miteinander zu verknüpfen, ist eine
       unbeirrte Weiterführung seiner künstlerischen Welterforschung. Webers
       musikalisches Experiment ist konsequent und mutig, nur manchmal etwas zu
       spirituell.
       
       Auf zwei Jahre streckte Weber die Zeit, in der er gemeinsam mit „The Bell
       Laboratory“ Licht musikalisch zu erfassen versuchte. Hat er das
       physikalische Phänomen denn mittlerweile verstanden? „Nein“, antwortet er.
       Was sind schon zwei Jahre gegen die Zeit, die sich dehnt und den Raum, der
       sich krümmt? Hendrik Weber ist ein Schlauer, auch das Licht wird er
       irgendwann zur Gänze verstehen.
       
       ## Pantha du Prince & The Bell Laboratory: „Elements of Light“ (Rough
       Trade)
       
       11 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophie Jung
       
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