# taz.de -- Parlamentswahlen in Jordanien: Die Klientelpolitik bleibt
       
       > Am 23. Januar werden in Jordanien Teile des Parlaments neu gewählt. Was
       > König Abdullah als „arabischen Sommer“ verkauft, sind halbherzige
       > Reformen.
       
 (IMG) Bild: Big King is watching you: Ein Mädchen hält ein Plakat der Beduinen-Kandidatin Myasar Sardeyeh hoch – das Bild von König Abdullah im Hintergrund ist aber noch etwas größer.
       
       BERLIN/AMMAN taz | Namaa Sotari ist enttäuscht. Den vergangenen Freitag hat
       sie auf dem Firas-Kreisel in der jordanischen Hauptstadt Amman verbracht.
       Sie hat revolutionäre Lieder angestimmt, Parolen gerufen und sich endlose
       Reden der Protestgruppen angehört. Trotzdem glaubt die die 21-Jährige nicht
       daran, dass der Wunsch nach Reformen gehört wird: „Das Königshaus macht es
       nach der Methode: Ihr habt die Freiheit, alles zu tun, was ihr wollt, und
       wir werden machen, was wir wollen.“
       
       Nur wenige Tausende nahmen an der Demonstration teil, die die Muslimbrüder
       und die Jugendbewegung als große Machtprobe angekündigt hatten. Denn viele
       Jordanier plagen andere Sorgen als das Stocken der politischen Reformen.
       „Nach den Parlamentswahlen wird der arabische Sommer kommen“, hatte
       Jordaniens König Abdullah II. kürzlich großspurig angekündigt – und schiebt
       seine halbherzigen Reformen vor. Eines der größten Probleme wurde nur
       scheinbar angetastet: das jordanische Wahlrecht.
       
       Bisher gab es nur eine Erststimme. Jede Region, meist durch den stärksten
       Stamm vertreten, schickte ihren Vertreter ins Parlament – ein Mann, eine
       Region. Frauen gab es kaum. Seit 20 Jahren wird in Jordanien so
       Klientelpolitik gemacht, die Bevölkerung entpolitisiert hat: 97,9 Prozent
       bezeichnen sich laut einer aktuellen Umfrage als „unpolitisch“.
       
       Daran wird auch die Zweitstimme nichts ändern, die im Königreich neuerdings
       abgegeben werden kann: 27 der 150 Parlamentssitze werden am 23. Januar per
       Parteiliste gewählt. Ein Blick auf die Wahllisten zeigt jedoch, dass sich
       kaum neue Gesichter daruntergemischt haben – und kaum Frauen. Auch die
       Jordanier palästinensischen Ursprungs, die nach Schätzungen etwa 60 Prozent
       der Einwohner des Landes ausmachen, sind stark unterrepräsentiert.
       
       ## Der König bleibt der Chef im Land
       
       Abdullahs Ankündigung, künftig Ministerpräsident und Regierung in
       Abstimmung mit den größten Fraktionen des Parlaments zu ernennen, wird auf
       das gleiche Spiel hinauslaufen. Der König bleibt der eigentliche Chef im
       Land. Die großen politischen Probleme umschifft er jedoch: den Unmut in der
       Bevölkerung und die Einbindung des politischen Islam.
       
       „Der Sozialvertrag zwischen Bevölkerung und Könighaus ist aus den Angeln
       geraten“, sagt Ahmad Awwad, Leiter des Phenix Centers for Economic and
       Informatics Studies in Amman. Seit seiner Krönung vor 14 Jahren fahre
       Abdullah II. einen neoliberalen Kurs. Wichtige Staatsbetriebe, die Zement-,
       Kalisalz- und Phosphatminen in Tafileh und der Hafen von Aqaba sind an
       ausländische Investoren verkauft worden. „Die staatliche Armutsgrenze liegt
       bei gut 430 Euro. 72 Prozent der Jordanier verdienen weniger.“ Die junge
       Generation leidet unter eine Arbeitslosigkeit von 33 Prozent.
       
       Die Wut war spürbar im Land, nachdem die Regierung Mitte November die
       Subventionen auf Benzin, Diesel und Gas zum Kochen gekürzt hat. Jordanien
       erlebte die größten Proteste seit Beginn des Arabischen Frühlings. In den
       südlichen Regionen, wo die Industriezentren des Landes liegen, formiert
       sich seit zwei Jahren der Widerstand. Dort, wo die königstreuen Stämme
       leben, haben sich Protestgruppen gebildet.
       
       „Die jungen Mitglieder der Familien lassen sich nicht länger von den
       Oberhäuptern der Stämme an ihren Platz weisen“, sagt André Bank,
       Politikwissenschaftler am Hamburger GIGA – Institut für Nahost-Studien.
       Auch die üblichen königlichen Geschenke – wie die kürzliche Senkung der
       Zigarettenpreise – können sie nicht beschwichtigen.
       
       ## Die Muslimbrüder werden stärker
       
       Je länger die Regierung politische Reformen verschleppt, desto stärker wird
       auch der Rückhalt der Muslimbrüder und deren politischen Arm, die Islamic
       Action Front (IAF), die die Wahl boykottiert. Politische Beobachter rechnen
       mit 25 bis 30 Prozent für die Muslimbrüder, würden sie sich entscheiden,
       doch anzutreten. Vor einem solchen Gewinn an Einfluss fürchtet sich vor
       allem die säkulare Oberschicht in Amman, die einer breiten konservativen
       Mehrheit gegenübersteht.
       
       In der Stadt Zarqa, 25 Kilometer nördlich von Amman, wird deutlich, welche
       Herausforderungen Jordanien in den nächsten Jahren meistern muss. Hier hat
       Mosimi Hayyat geschafft, was in Jordanien für eine Frau fast unmöglich ist:
       Bereits vor zehn Jahren hat sie sich als Direktkandidatin durchgesetzt –
       mit ihrer extrem konservativen Politik.
       
       Die 50-Jährige ist Frauenbeauftragte der IAF, die Gewalt gegen Frauen
       verharmlost und islamische Rollenmodelle propagiert. „Im Islam haben wir
       bereits die Lösung für die Rolle der Frauen gefunden. Wir müssen keine
       Konzepte importieren, die sexuelle Freiheit und andere Vorstellungen von
       Familie verbreiten“, sagt Mosimi Hayyat. „Das macht Allah wütend.“
       
       23 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ann-Kathrin Seidel
       
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