# taz.de -- Arzneimittelskandal in Frankreich: Pille wegen Missbrauch verboten
       
       > Bayers „Diane 35“ ist als Mittel gegen Akne zugelassen. In der Praxis
       > wird sie auch als Verhütungsmittel benutzt. Mindestens vier Frauen kamen
       > deswegen ums Leben.
       
 (IMG) Bild: Mehr als 300.000 Frauen, die in Frankreich Diane 35 oder dessen Generika einnehmen, müssen mit ihrem Arzt eine Alternative finden.
       
       PARIS taz | Frankreich hat einen neuen Arzneimittelskandal. Das von Bayer
       produzierte Medikament „Diane 35“ mit dem Wirkstoff Cyproteronazetat wird
       auf Anordnung der [1][Aufsichtsbehörde ANSM] binnen drei Monaten vom Markt
       genommen. Wie erst jetzt der Öffentlichkeit mitgeteilt worden ist, wird
       Diane 35 in Frankreich seit der Zulassung als Mittel gegen Akne 1987 für
       den Tod von mindestens vier Frauen verantwortlich gemacht. Auch mehrere
       hundert andere Patientinnen erlitten Verstopfungen eines Blutgefäßes, die
       aber nicht tödlich verliefen.
       
       Bayer kritisierte das Verbot als „unverständlich“. Denn diese möglichen
       Nebenwirkungen waren bekannt und auch in Frankreich auf dem Beipackzettel
       vermerkt. Darauf stand ebenfalls, dass Diane 35 ausschließlich zur
       Behandlung von Akne zu verwenden sei.
       
       Die Realität sieht in Frankreich anders aus. Sehr viele Ärzte haben bis
       heute dieses Hormonpräparat als Pille zur Empfängnisverhütung verschrieben
       oder nach einer anfänglichen Akne-Behandlung das Rezept jahrelang
       verlängert.
       
       Heute ist klar, dass Diane 35 keine zuverlässige Schwangerschaftsverhütung
       bietet. Einige Mediziner antworten jetzt, sie hätten aus Gefälligkeit
       gehandelt, weil ihre Patientinnen dieses Medikament verlangt hätten. Mehr
       als 300.000 Frauen, die in Frankreich Diane 35 oder dessen Generika
       einnehmen, müssen mit ihrem Arzt eine Alternative finden.
       
       ## Sträfliche Nähe zur Pharmaindustrie
       
       Die ANSM muss sich nicht zum ersten Mal vorwerfen lassen, sie habe zu lange
       gewartet oder gar aus sträflicher Nähe zur Pharmaindustrie
       unverhältnismäßige Nebenwirkungen vernachlässigt. Über die Risiken einer
       missbräuchlichen Verwendung von Diane 35 waren die Fachkreise spätestens
       seit Mitte der Neunzigerjahre informiert.
       
       In Deutschland beispielsweise warnte das Arznei-Telegramm im September 1994
       Ärzte und Apotheker sehr ausführlich über die statistisch und durch
       Versuche belegten Probleme und Einwände ausländischer Kontrollstellen.
       Darin wird auch die kuriose Geschichte des von Schering – lange vor der
       Übernahme durch Bayer – entwickelten Wirkstoffs CPA aufgerollt. Er sollte
       nämlich als „Androcur“ zuerst als „Pille für den Mann“ sowie anschließend
       als Libidohemmer oder chemische Kastration für männliche Sexualtäter
       eingesetzt werden.
       
       Schon bald wurden aber Leberschäden und -tumore gemeldet. Diesen Warnungen
       zum Trotz fand Schering eine neue Verwendung in der Dermatologie: „Diane.
       Sie will die Pille und lupenreine Haut“, lautete 1984 der Slogan der
       Schering-Werbung. Damit wurde bereits suggeriert, dass Diane neben der
       Akne-Therapie eine Empfängnisverhütung biete.
       
       Vor allem in Frankreich brachte der vermeintlich Doppelnutzen Diane 35 den
       großen Durchbruch. Aus Präventionssicht hatte dies den Vorteil, dass auch
       junge Frauen mit einem Akne-Mittel die „Pille“ bekamen, ohne das den Eltern
       ausdrücklich sagen zu müssen.
       
       ## Überstürzte Handlung
       
       Renommierte Ärzte wie der Gynäkologe Israel Nisand in Straßburg werfen der
       ANSM vor, sie habe mit dem sofortigen Verbot überstürzt gehandelt. Jetzt
       werde die Sache von den Medien aufgebauscht, was zu einer gefährlichen
       Verunsicherung bei der Verhütung führe.
       
       Dennoch macht dieser Skandal erneut deutlich, wie schlecht auch trotz
       diverser Präzedenzfällen die Koordination zwischen den nationalen
       Arzneimittelkontrollbehörden funktioniert. Und er zeigt, wie ungenügend
       viele Ärzte in ihrer Praxis durchaus vorhandene Informationen über Risiken
       von Medikamenten berücksichtigen.
       
       31 Jan 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://ansm.sante.fr/Dossiers-thematiques/Diane-35-et-ses-generiques/Quelle-est-la-situation-actuelle-de-Diane-35-en-France/(offset)/0
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
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