# taz.de -- Hausdurchsuchungen bei Fotografen: Grundrechte? Lästig!
       
       > Sollten Fotografen ihre Bilder freiwillig der Polizei überlassen?
       > Natürlich nicht - weil ihre Unabhängigkeit sonst infrage stünde.
       
 (IMG) Bild: Sind keine Hilfspolizisten: Fotografen
       
       Was für eine grausame Tat: Schwarz gekleidete Autonome prügeln am Rande
       einer Demonstration vor knapp einem Jahr mit einem Kantholz auf einen
       Polizisten ein, treten ihn, besprühen ihn mit Reizgas. Der Beamte wird
       schwer verletzt, muss ins Krankenhaus.
       
       Am Mittwoch hat die Polizei die Wohn- und Redaktionsräume von neun
       Fotografen durchsucht, die auf der Demonstration Bilder geschossen haben.
       Darunter sind auch zwei Fotografen, die als freie Mitarbeiter regelmäßig
       für die taz tätig sind. Die Polizei hofft, auf den Fotos die Täter
       identifizieren zu können.
       
       Freiwillig hätten wir die Bilder niemals herausgegeben. Aber warum
       eigentlich nicht? Warum hilft die taz nicht, ein solches Verbrechen
       aufzuklären? Haben wir kein Mitleid mit dem Opfer? Wollen wir die Schläger
       schützen?
       
       Mitnichten. Wir geben die Bilder nicht freiwillig heraus, weil das die
       Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Arbeit machen können. Wenn die
       Demonstranten mitbekommen, dass wir unsere Bilder der Polizei überlassen,
       dann werden wir als Hilfspolizisten wahrgenommen. Und das heißt bei
       gewalttätigen Demonstrationen eben auch, dass wir – genau wie der Polizist
       – zusammengeschlagen würden. Unsere Arbeit wäre zu gefährlich. Wir können
       nur dann auch mitten im Getümmel unserer Arbeit nachgehen, wenn unsere
       Unabhängigkeit von allen Seiten anerkannt und respektiert wird.
       
       Oder noch einmal andersherum: Wenn es das Beschlagnahmeverbot für
       Journalisten nicht gäbe, hätten unsere Fotografen auf der Demonstration gar
       nicht ungestört fotografieren können. Die Fotos, die die Polizei haben
       will, würden gar nicht existieren. Die Strafverfolgung der Täter würde
       nicht einfacher. Nur die Berichterstattung über Demonstrationen – die würde
       behindert. Genau deshalb gibt es ja auch ein Zeugnisverweigerungsrecht und
       ein Beschlagnahmeverbot für Journalisten.
       
       Zumindest in der Theorie. In der Praxis hat das die Staatsanwaltschaft am
       Mittwoch nicht abhalten können, die Hausdurchsuchungen abzusegnen. Und
       dafür hat sie eine erstaunliche Erklärung: Man sei „davon ausgegangen, dass
       es sich nicht um Pressefotografen handelt“, so Pressesprecherin Doris
       Möller-Scheu. Wenn sich jetzt „Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich
       doch um Pressefotografen handelt, wird das gesicherte Material nicht
       gesichtet, bis der Sachverhalt insoweit geklärt ist.“ Bei Nichtjournalisten
       wäre die Durchsuchung gemäß Paragraf 103 der Strafprozessordnung erlaubt.
       
       Wusste die Staatsanwaltschaft also nicht, was sie macht? Ist sie wirklich
       nicht in der Lage, Google zu bedienen und die Namen der Durchsuchten dort
       einzutippen? Woher wusste die Staatsanwaltschaft überhaupt, dass die
       Fotografen auf dieser Demonstration waren? Einer von ihnen, Christian Mang,
       ist sich sicher, dass es dafür nur eine Spur geben kann: ein Foto von ihm,
       das am nächsten Tag in der Financial Times Deutschland erschien.
       
       Der zweite betroffene taz-Fotograf hat sogar einen Beweis dafür, dass die
       Behörden wussten, welchen Beruf er hat: Björn Kietzmann gehört zu den
       Journalisten, die so häufig mit der Pressestelle der Berliner Polizei in
       Kontakt sind, dass sie im Dezember mit einer Weihnachtskarte bedacht
       wurden. Auch im Durchsuchungsprotokoll haben die Beamten am Mittwoch
       ausdrücklich vermerkt, sie hätten seinen „Wohn- und Redaktionsraum“
       durchforstet.
       
       Die Aktion sorgt inzwischen für erheblichen Wirbel. Der Vorsitzende des
       Deutschen Journalistenverbands, Michael Konken, sprach von einer
       „erheblichen Berufseinschränkung“ für freie Journalisten. Nach Ansicht der
       Landesgeschäftsführerin der Linkspartei, Katina Schubert, verstoßen die
       „willfährigen“ Hausdurchsuchungen gegen das „hohe demokratische Gut“ der
       Pressefreiheit.
       
       Auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger kritisierte den
       Polizeieinsatz als „völlig inakzeptabel“. Der stellvertretende Vorsitzende
       der Piratenpartei, Sebastian Nerz, monierte: Grundrechte würden nur noch
       als lästige Grenze wahrgenommen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen im
       Landesparlament, Benedikt Lux, wittert: „Das alles riecht mehr nach
       Einschüchterungsversuch als nach gezielter Ermittlung.“ Bei der nächsten
       Sitzung des Innenausschusses wollen sie daher CDU-Innensenator Frank Henkel
       zu dem Fall befragen.
       
       7 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
 (DIR) Sebastian Heiser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hausdurchsuchung
 (DIR) taz
 (DIR) Fotografie
 (DIR) Razzia
 (DIR) Associated Press
 (DIR) Bundesnachrichtendienst
 (DIR) Razzia
 (DIR) taz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Diskussion in Berlin um Demo-Fotos: Selbstbilder linken Widerstands
       
       Im Kreuzberger Mehringhof streitet die linke Szene über das Fotografieren
       auf ihren Demos. Dabei geht es um mehr als eine Sicherheitsfrage.
       
 (DIR) Nachrichtenagentur fühlt sich bespitzelt: Lauschangriff aus Washington
       
       Die Nachrichtenagentur Associated Press ist nach eigenen Angaben von der
       US-Regierung bespitzelt worden. Zwei Monate lang wurden demnach Telefonate
       abgehört.
       
 (DIR) BVerwG zur Auskunftspflicht: Bitte ein Bundesgesetz schaffen!
       
       Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Auskunftspflicht von Behörden
       geurteilt. Nun rätselt die Fachwelt: Ist die Pressefreiheit gestärkt oder
       geschwächt?
       
 (DIR) Großrazzia in Baden-Württemberg: Polizei entdeckt Punk-Klassiker
       
       Wegen des 31 Jahre alten Songs „Bullenschweine“ der Punk-Band Normahl
       startet der Staatsschutz eine Razzia. Der Vorwurf: Gewaltverherrlichung.
       
 (DIR) Hausdurchsuchung bei taz-Fotografen: In eigener Sache
       
       Die taz verurteilt die Durchsuchungen bei zwei unserer Fotografen.
       Chefredakteurin Ines Pohl sieht darin einen gefährlichen Eingriff in die
       Pressefreiheit.