# taz.de -- Großrazzia in Baden-Württemberg: Polizei entdeckt Punk-Klassiker
       
       > Wegen des 31 Jahre alten Songs „Bullenschweine“ der Punk-Band Normahl
       > startet der Staatsschutz eine Razzia. Der Vorwurf: Gewaltverherrlichung.
       
 (IMG) Bild: Der Staatsschutz interessiert sich für die Texte der Punk-Band Normahl – hier auf einem Foto aus dem Jahr 2003.
       
       WIESBADEN taz | Lange und akribisch muss das sächsische Landeskriminalamt
       Beweise gesammelt haben, bevor es die Staatsanwaltschaft Stuttgart um
       Amtshilfe bat. Die plante ihre konzertierte Aktion mit hohem logistischem
       Aufwand.
       
       16 Polizisten waren im Einsatz, als am 31. Januar 2013 der Zugriff
       erfolgte. Mit jeweils vier Beamten durchsuchte die Polizei, verteilt über
       das nördliche Baden-Württemberg, gleichzeitig Wohnungen in Heidenheim,
       Winnenden, Sulzbach und Plüderhausen. Im Morgengrauen, um sechs Uhr, wurden
       die Beschuldigten – Mitglieder von Normahl, Deutschlands dienstältester
       Punkband – und ihre Familien teilweise noch im Schlaf überrascht.
       
       Die Beamten hatten es auf den Song „Bullenschweine“ abgesehen, der unter
       anderem auf der LP „Ein Volk steht hinter uns“ erschien. Vor 31 Jahren.
       
       In „Bullenschweine“, einem rührenden Artefakt der kämpferischen
       Achtzigerjahre, heißt es: „Sie nennen sich Helfer der Nation / Bullen soll
       man ehren / Ich scheiß auf diese Tradition / Vor Bullen muss ich mich nur
       wehren / Haut die Bullen platt wie Stullen / Haut ihnen ins Gesicht (…) Bis
       dass der Schädel bricht“.
       
       ## Computer und Platten beschlagnahmt
       
       Die Polizei beschlagnahmte deshalb nicht nur Computer, sondern schaute sich
       auch die privaten Plattensammlungen genau an. Fand sie dort Tonträger mit
       dem Song, wurden die ebenfalls konfisziert. „Die dachten wahrscheinlich,
       wir hätten einen konspirativen Vertrieb“, sagt Lars Besa, Sänger von
       Normahl, der taz. Alle Tonträger gebe es regulär „bei Amazon oder im
       Plattenladen, falls es so was noch gibt“.
       
       Tatsächlich sieht die Staatsanwaltschaft noch immer den Tatbestand der
       Gewaltverherrlichung erfüllt. Laut dem Strafgesetzbuch ist die Verbreitung
       von Texten verboten, die „grausame oder sonst unmenschliche
       Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art
       schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher
       Gewalttätigkeiten ausdrückt“.
       
       Ursprünglich hatten die sächsischen Staatsschützer auch wegen des Liedes
       „1, 2, 3“ ermittelt, in dem Besa singt: „1, 2, 3, wo bleibt die Polizei? /
       Fürs Kapital in Wackersdorf wart ihr immer voll präsent / Doch wo seid ihr,
       wenn in Rostock ein Asylantenheim abbrennt? / 1, 2, 3, so fehlt die
       Polizei, 1, 2, 3, so stinkt der braune Brei.“
       
       Geschrieben wurde dieser Text 1992 als Reaktion auf die Pogrome von
       Rostock-Lichtenhagen, er findet sich auf der unter anderem von der Polizei
       unterstützten Benefiz-CD „Bunt statt braun“ zugunsten der Winnender
       „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Die hätte auch beschlagnahmt werden
       müssen, wäre der Vorwurf gegen „1, 2, 3“ nicht fallen gelassen worden –
       ebenso wie eine Ermittlung gegen Besa wegen „Aufstachelung zum Rassenhass“.
       
       ## „Der Kripo war das ein bisschen peinlich“
       
       Der 47-jährige Besa leitet inzwischen hauptberuflich den väterlichen
       Sanitärbetrieb in Leutenbach bei Winnenden. Über die Polizei vor Ort mag er
       sich nicht beschweren. Die Computer in seinem Betrieb hat man ihm gelassen.
       Und: „Den Leuten von der zuständigen Kripo in Waiblingen war das ja ein
       bisschen peinlich. Die haben uns vorher auf dem kurzen Dienstweg gebeten,
       mal vorbeizukommen. Sie wollten wissen, ob es die Möglichkeit gäbe für uns,
       dass wir einen Anwalt einschalten und gegen die ganze Sache Beschwerde
       einlegen.“
       
       Aber die Staatsanwaltschaft beharrte nach Informationen der Waiblinger
       Kreiszeitung darauf, dass „Gesichtsschläge bis zum Brechen des Schädels mit
       ganz erheblichen Schmerzen verbunden sind“. Die Beschwerde wurde abgelehnt
       und weiter wegen „Bullenschweine“ ermittelt. Es folgte laut Besa „der dicke
       Hammer mit der Hausdurchsuchung“.
       
       Bei der Aufdeckung der NSU-Morde mögen die Behörden mit schlafwandlerischer
       Sicherheit aneinander vorbei ermittelt haben. Im Fall der Linksterroristen
       von Normahl funktionierte die länderübergreifende Zusammenarbeit dagegen
       reibungslos. Und das, obwohl die wackere Polizeidirektion Waiblingen
       bereits 2011 in einem beschwichtigenden Aktenvermerk ihren Ermittlungsstand
       in Sachen Normahl darlegte: Es „konnten Informationen über die Band
       gewonnen werden“, heißt es da. Und zwar „über die Homepage
       www.wikipedia.de“.
       
       7 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Razzia
 (DIR) Punk
       
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