# taz.de -- Polizei, Verfassungsschutz und KKK: Es war einmal in Schwaben
       
       > In einem Ableger des Ku-Klux-Klan mischten Neonazis, Polizisten und der
       > Verfassungsschutz mit. Die Chronologie einer Staatsdiener-Affäre.
       
 (IMG) Bild: Sahen die Szenen in Baden-Württemberg auch so aus?
       
       STUTTGART/BERLIN taz | Dies ist eine Geschichte über Geheimdienste und
       Geheimbünde. Über Polizisten und Rassisten. Über Verfassungsschützer und
       V-Leute. Vor allem aber ist es eine Geschichte über Verrat. Auch wenn sie
       nun schon einige Jahre zurückliegt, so hat die Öffentlichkeit von ihr bis
       zum Sommer 2012 gar nichts erfahren – und seitdem nur scheibchenweise Teile
       der Wahrheit.
       
       Es geht um einen deutschen Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klan, dessen
       Mitglieder von 2000 bis 2002 ihr Unwesen trieben, nachts Kreuze verbrannten
       und von einem weißen Europa träumten. „Sei ein Mann – komm zum Klan!“, hieß
       es auf einem Flyer der Truppe. Ihr Anführer war der bei Heilbronn geborene
       Achim S. In den 90ern spielte er in der Neonaziband Wolfsrudel und mischte
       bei der NPD-Jugendorganisation JN mit. Dann ließ er sich als V-Mann des
       Landesverfassungsschutzes anwerben. So steht es in streng vertraulichen
       Behördenakten.
       
       Achim S. fiel dem Geheimdienst zum ersten Mal am Rande eines NPD-Parteitags
       auf und wurde mit 19 Jahren zunächst als gelegentlicher Informant gewonnen.
       1996 heuerte er dann formal als V-Mann des Landesamts an und berichtete
       regelmäßig über die Skinheadszene, regional und überregional.
       
       Doch dann tat Achim S. etwas, das dem Verfassungsschutz gar nicht gefiel:
       Er ließ sich ohne Wissen des Dienstes im Herbst 2000 in den USA zum „Grand
       Dragon“ des rassistischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan schlagen – und startete
       von Schwäbisch Hall aus seinen eigenen Ableger der „European White
       Knights“. Sich selbst nannte er „Reverend Ryan Davis“.
       
       Als der Geheimdienst davon Wind bekam, wurde Achim S. als V-Mann
       abgeschaltet. Doch unbeirrt baute er weiter heimlich vom Kochertal aus
       seine Klan-Zelle auf. Unter den 20 bis 30 Mitgliedern aus ganz Deutschland
       waren neben Neonaziaktivisten auch ein American-Football-Spieler und zwei
       Polizisten der Bereitschaftspolizei Böblingen, die später zugaben, mit
       ihrem Blut dem Klan die Treue geschworen zu haben. Beide Polizisten sind
       bis heute im Dienst. Diesen Skandal hat die taz Ende Juli 2012 mit
       enthüllt. Doch damit endet die Geschichte nicht.
       
       ## Insider-Infos vom Verfassungsschutz?
       
       Was der ehemalige Metzgerlehrling Achim S. nicht wusste: In seinem
       Klan-Ableger tummelte sich auch ein V-Mann des Bundesamts für
       Verfassungsschutz: Thomas R. aus Sachsen-Anhalt alias „Corelli“. Nach
       taz-Informationen spähte er fast 20 Jahre für verschiedene deutsche Dienste
       die rechtsextreme Szene aus. Auch aus dem Inneren der „European White
       Knights of the Ku Klux Klan“ berichtete er, etwa von einer Zeremonie an der
       Geyersburg bei Schwäbisch Hall im Sommer 2002. Die Rassisten trugen dabei
       Klan-Kapuzen, ein Kreuz wurde mit Diesel zum Brennen gebracht.
       
       Doch kurz nach dem Rassistentreff passierte etwas, das den
       Bundesverfassungsschutz und das Stuttgarter Landesamt alarmierte: Achim S.
       bekam von einem anonymen Schreiber eine E-Mail auf Englisch: „Du hast einen
       Verräter in deinen Reihen.“ Sie verabredeten sich zum Chatten. Dabei nannte
       Mr. Anonymus dem Klan-Chef Details, die nur wenige wussten. Genauer: Er gab
       Informationen preis, die nur ein Insider im Staatsdienst haben konnte.
       
       Die Geheimdienste starteten die Operation „Dual“, um das interne Leck
       ausfindig zu machen. Rasch deuteten Indizien darauf hin, dass der Maulwurf
       beim baden-württembergischen Verfassungsschutz sitzen musste. Dem Beamten,
       den sie ins Visier nahmen, konnte der Geheimnisverrat zwar nicht zu 100
       Prozent nachgewiesen werden. Für eine Versetzung reichte der Verdacht aber.
       Später ließ sich der Mann für acht Jahre beurlauben.
       
       Auf ein Disziplinarverfahren hatte das Land damals aber verzichtet. Erst
       seit Oktober 2012 versucht das Stuttgarter Innenministerium, den Beamten
       aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu lassen. Das Verfahren laufe nach
       wie vor, heißt es aktuell aus dem Ministerium.
       
       ## Rassisten im Polizeidienst
       
       Die „European White Knights“ fielen schon vor rund zehn Jahren nach und
       nach auseinander. Wohl auch, weil die Geheimdienste eigens eine Operation
       mit dem Namen „Limerick“ gestartet hatten, um die Kapuzen-Rassisten zu
       verunsichern. Beamte suchten die über mehrere Länder verstreuten Neonazis
       auf und signalisierten ihnen: Wir haben euch im Blick. Da bekamen einige
       Muffensausen. Auch Klan-Anführer Achim S. stieg aus, private Probleme
       sollen dabei auch eine Rolle gespielt haben.
       
       Im Sommer 2003 kam er aber noch mal mit dem Verfassungsschutz ins Geschäft.
       Wie aus internen Akten hervorgeht, bot er dem Geheimdienst gegen Geld Infos
       über den Klan an. Man traf sich zu zwei „Abschöpfungsgesprächen“. Dabei
       nannte Achim S. zahlreiche Namen – und ließ den Dienst wissen, dass es
       zwischenzeitlich eine Gruppe von zehn bis zwanzig Stuttgarter Polizisten
       mit einem „klar rechtsextremistischen Weltbild“ gegeben habe, die am Klan
       interessiert gewesen seien.
       
       Einmal hätten die Polizisten damit angegeben, einen „Neger“ verhaftet und
       ihn dann mit weißen Kutten verkleidet in der Zelle aufgesucht zu haben. Das
       Landesinnenministerium verwies auf Nachfrage auf einen Bericht vom letzten
       Jahr, der „keiner weiteren Ergänzung“ bedürfe. Darin waren lediglich die
       zwei Polizisten als Klan-Mitglieder genannt worden.
       
       Als vor einigen Wochen erste Gerüchte kursierten, Ex-Klan-Chef Achim S. sei
       einst V-Mann gewesen, hat er dies gegenüber einem Boulevardblatt
       bestritten. So war es mit dem Geheimdienst abgesprochen. Auf Anfragen der
       taz hat er bisher nicht reagiert. Aus der rechtsextremen Szene ist er aber
       offenbar längst raus. Er habe sich schon vor Jahren „von der Ideologie
       wegbewegt“, sagte er im Herbst Beamten des BKA. 2006 zog er in einen
       kleinen Ort ganz im Norden Deutschlands und startete ein neues Leben.
       Früher sang er von „White Power“, heute von „Sternschnuppenregen“.
       
       9 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) N. Michel
 (DIR) W. Schmidt
       
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