# taz.de -- Internationaler Frauentag: Die Unsichtbaren: Ich wollte Licht, Glück und Reichtum
       
       > Carla Has-Salant suchte ein besseres Leben als das in ihrem Heimtland
       > Rumänien. Und zog als Arbeitsmigrantin durch Europa.
       
 (IMG) Bild: „Die Unsichtbaren“ – Protokolle der taz zum Internationalen Frauentag.
       
       Erst ging es nach Ungarn und Österreich, später nach Deutschland und
       Italien. Und dann wieder zurück nach Hause, nach Rumänien, wo ich geboren
       und aufgewachsen bin. Immer wieder. Das ist der Kreislauf, der viele Jahre
       mein Leben ausmachte – mein Leben als illegale, unsichtbare
       Arbeitsmigrantin.
       
       Ich wollte raus aus meinem Heimatland, das keine Zukunft versprach, und
       rein in den Westen, der Glück, Licht, Reichtum verhieß. Rumänien, das war
       vor über zwanzig Jahren Armut, Bespitzelung, Unfreiheit. Ein Leben in
       Dunkelheit und Unsichtbarkeit. Ich wollte Sichtbarkeit: öffentlich sagen
       dürfen, was ich denke, ohne dafür bestraft zu werden. Lernen, was ich
       wichtig finde. Arbeit haben, die ich mir selbst aussuche und von der ich
       gut leben kann.
       
       Das erste Mal schlich ich mich im April 1989 über die Grenze, wenige Monate
       bevor der Eiserne Vorgang und das Regime des rumänischen Diktators
       Ceausescu fielen. Damals war ich 19. Ich bin einfach losgegangen, mit drei
       Freunden und einem Rucksack. Wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten.
       Klar war nur, dass wir nach Ungarn wollten, die Grenze war ungefähr zwanzig
       Kilometer von meinem Heimatort entfernt.
       
       Auf unserem Weg mussten wir vorsichtig sein, wir mussten uns unsichtbar
       machen. Das ist uns gelungen. Nach einem mehrstündigen Marsch kamen wir in
       Ungarn an, von dort flüchteten wir weiter nach Österreich.
       
       ## Wie im Gefängnis
       
       Ich kam ins Flüchtlingslager in Traiskirchen, einer Stadt zwanzig Kilometer
       von Wien entfernt. Dort befindet sich die offizielle Betreuungsstelle für
       Asylbewerber. Man pferchte uns in enge Bungalows mit vielen Stockbetten, 30
       Personen in ein Zimmer. Es war schmutzig, die Leute waren unfreundlich und
       hatten Angst vor uns. Ich fühlte mich wie in einem Gefängnis. Von
       Traiskirchen wurden wir über ganz Österreich verteilt, in irgendwelche
       Ausländerheime. Ich landete in einem Dorf in der Nähe von Hartberg, in
       einem heruntergekommenen Gasthof. Der kleine Ort hatte maximal 30 Häuser,
       und nun kamen ungefähr 250 Ausländer.
       
       Die Leute dort wollten uns nicht, sie übersahen uns und taten so, als
       existierten wir gar nicht. Auf das Ortsschild hatte jemand gesprüht:
       Ausländer raus! Wir hatten nur ein kleines Taschengeld und durften nicht
       arbeiten. Das habe ich nicht ausgehalten und bin von dort abgehauen. Ich
       wollte mein Leben selbst bestimmen und nicht über mich bestimmen lassen.
       
       Also bin ich weiter illegal durch Europa gezogen. Überall, wo ich war, habe
       ich gearbeitet, in Privathaushalten geputzt, in Küchen geschuftet, in Cafés
       und Bars gekellnert. Immer schwarz und im Verborgenen.
       
       ## Drei Jobs, aber keine Heimat
       
       In Italien hatte ich drei Jobs gleichzeitig. Da kam ein bisschen Geld
       zusammen. Aber das hat alles nichts gebracht. Nirgendwo, in keinem Land,
       bekam ich eine offizielle Aufenthaltserlaubnis, überall wurde ich
       abgewiesen – und blieb unsichtbar.
       
       Das Schlimmste war: Ich hatte keine Heimat, ich fühlte mich verloren und
       allein, ich war so gehetzt. Mein Leben in der Unsichtbarkeit im Westen war
       zwar eine Katastrophe, es hat mich einige Jahres meines Lebens gekostet.
       Aber es war immer noch besser als das, was mich in Rumänien erwartet hätte,
       wäre ich dort geblieben. Irgendwann hatte ich Routine beim Übertreten der
       Grenze. Ich wusste genau, wo und wie ich am besten rüberkomme, ohne dass
       ich erwischt werde. Da hat mir meine Unsichtbarkeit endlich mal genutzt.
       
       So ein Leben ist anstrengend, zermürbt und macht müde. Ich konnte nichts
       planen, keine Familie gründen, keine Beziehungen aufbauen. Nicht einmal
       Urlaub war drin. Das wollte ich nicht mehr. Ich wollte wieder festen Boden
       unter den Füßen. Und habe mich irgendwann entschieden, in Österreich zu
       bleiben. Kurz nachdem die Regierung beschlossen hatte, dass Ausländer hier
       leben dürfen, wenn sie einen Job nachweisen können.
       
       Das konnte ich irgendwann. Dann ging alles sehr schnell. Ich bekam eine
       Wohnung und machte meinen Führerschein. Ich war so glücklich darüber, dass
       ich die Welt hätte umarmen können.
       
       Später machte ich noch verschiedene Ausbildungen, zum Beispiel als
       Tagesmutter. Jetzt habe ich ein Kaffeehaus, achtzig Kilometer entfernt von
       Wien. Die Leute hier kennen mich, sie kommen gern zu mir. Später, wenn ich
       nicht mehr kellnern kann, will ich mich als Tagesmutter um die Kinder und
       Enkel meiner Bekannten kümmern.
       
       Mittlerweile fühle ich mich hier zu Hause. Ich habe selbst eine Familie und
       einen kleinen Sohn. Jetzt führe ich das Leben, das ich immer wollte.
       
       8 Mar 2013
       
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