# taz.de -- Internationaler Frauentag: Die Unsichtbaren: Ich bin die Sahne auf dem Ganzen
       
       > Sie ist die Freundin eines katholischen Priesters, der ohne Familie und
       > ohne Sex leben soll. Eine Frau ringt um ihren Platz in einer ungleichen
       > Beziehung.
       
 (IMG) Bild: „Die Unsichtbaren“ – Protokolle der taz zum Internationalen Frauentag.
       
       Ich hatte schon viel von Peter* gehört. Er bietet Exerzitien, also
       spirituelle Übungen an, die einen sehr mit sich selbst konfrontieren. Ich
       fing an, ihn zu besuchen. Er lebt in einer Gemeinschaft mit vielen
       Menschen. Ich fuhr hin, nahm an seinem Leben teil. Peter ist ein
       engagierter Ordensmann, der sich viel einmischt, damit konnte ich etwas
       anfangen. Ich war gleich ganz aufgehoben.
       
       Der Schlüsselmoment: Ich fragte ihn, ob er mich seelisch begleiten wolle.
       Ich musste zu der Zeit mit einer Krankheit fertigwerden. Begleiten, das
       heißt, man spricht regelmäßig einmal im Monat miteinander, um etwas zu
       lösen oder durch eine Phase zu gehen, die schwierig ist, um zu schauen, wie
       es im Leben weitergeht. Ich fragte ihn also, ob er mich begleiten würde,
       und die Antwort lautete: „Ich warte auf dich.“ Nicht „okay“ oder „nein“.
       Nicht: „Ja, ich will dich begleiten“, sondern: „Ich warte auf dich.“
       
       Zu dem Zeitpunkt war ich schon in ihn verliebt. Wir haben angefangen, zu
       kuscheln, uns zu küssen, er hat mich besucht und bei mir im Bett
       geschlafen. Aber ich wusste nicht genau, was das bedeuten sollte. Er
       knuddelte viele Frauen, er ging mit einer Ordensschwester wandern. Er zog
       sich auf sein Priestersein zurück. Er kann nicht mit einer Frau zusammen
       sein – also ist er es auch nicht. Was irgendwann eine einzige Farce wurde.
       Er hatte sich auch verliebt. Das war nicht mehr zu übersehen.
       
       Aber wir sprachen mit den anderen nicht darüber, nicht in seiner
       Gemeinschaft, nicht mit Freunden. Auf der Straße hielten wir nicht
       Händchen. Ich konnte ihn nie anfassen – außer wir waren allein. Und da er
       in seiner Gemeinschaft praktisch nie allein ist – tja. Meine Freundin hat
       uns dann ab und zu ihre Wohnung zur Verfügung gestellt, das war schon sehr
       merkwürdig.
       
       ## Ein Ordensmann, durch und durch
       
       Ich fühlte mich damit überhaupt nicht wohl. Er verleugnete mich. Er hielt
       die ganze Frage von sich weg. Er ist ja Priester. Er sitzt da in seiner
       Gemeinschaft und ist dort der Guru, sie schmieren ihm die Butterbrote,
       putzen ihm das Klo, räumen für ihn auf, das ist ein gutes Leben. Und er ist
       ein Ordensmann, durch und durch. Es war völlig klar, dass er den Orden nie
       verlassen wird. Aber was war mit meinem eigenen Leben?
       
       Darüber habe ich mich als Erstes beschwert. Was ist mit meinem Leben? Wie
       kann ich die Liebe leben? Ich sitze auf dem Land, habe keine Gemeinschaft
       und muss arbeiten gehen. Und ich muss mein Haus und den Garten versorgen.
       Und dann fahre ich in die Stadt rein zu ihm und seinem tollen Leben, wo ihm
       alles abgenommen wird, während ich mir einen abbreche. Das hat er
       verstanden.
       
       Nun besuchen wir uns abwechselnd, und er hilft mir. Dass er das verstanden
       hat, war für mich sehr wichtig. Denn er ist ohnehin in der besseren
       Position. Es ist ein Machtungleichgewicht. Er hat seinen Orden, die vielen
       familiären Kontakte in seiner Gemeinschaft. Und dazu noch eine Freundin.
       Ich bin das Sahnehäubchen obendrauf. Besser geht’s ja wohl nicht. Aber ich
       zahle den Preis.
       
       Ich lasse zu, dass ich unsichtbar bleibe. Ich verzichte auf ein
       vollständiges Paarleben. Wir können nicht zusammenziehen, wir könnten nicht
       heiraten, wenn wir wollten. Wir können nicht als Paar auftreten. Von den
       Finanzen gar nicht zu reden. Könnten wir heiraten, wäre ich über Peter mit
       abgesichert. „Weißt du“, habe ich gesagt, als gerade die Missbrauchsdebatte
       tobte, „vielleicht ist das, was ich hier mit mir machen lasse, auch eine
       Art Missbrauch.“
       
       ## Die Frau ist die Sündige
       
       Wir haben viel darum gerungen. Ich bin nicht irgendeine Freundin, die man
       nach Bedarf in sein Leben einfügen kann, wie es gerade passt, und bei
       anderen Gelegenheiten wieder ausschließt, das habe ich immer wieder betont.
       Denn es ist ein Ausschluss, er räumt mir in seinem Leben nur einen
       untergeordneten Platz ein. Er konnte darauf nicht gut reagieren, weil er
       den Status quo auf keinen Fall verlassen wollte. Er sei mir dankbar dafür,
       dass ich sein Ordensleben respektiere.
       
       Na super. Ich habe nie von ihm verlangt, dass er den Orden verlässt. Denn
       der ist sein Leben. Peter hat sein ganzes Leben Gott geschenkt. Deshalb
       leben die Priester ja angeblich zölibatär. Nichts soll sie ablenken von
       Gott. Dagegen habe ich schlechte Karten: Ich kann nicht sagen: „Ich oder
       dein Ordensleben“. Das will ich nicht. Und doch kann es sein, dass ich es
       eines Tages sagen werde.
       
       Aber dieses Verschweigen, dieses Lügen. Nie konnte ich sagen, wie es mir
       wirklich geht, weil ein Teil meines Befindens mit ihm zu tun hat. Ich will
       kein Objekt sein, sondern seine Freundin. Und dann nervte mich auch immer
       mehr, dass ich das System stütze, das in sich nicht gerecht, sondern
       lebensfeindlich ist. Ich helfe mit, den Zölibat aufrechtzuerhalten. Als
       wäre Gott eifersüchtig auf die Frauen. So ist Gott nicht. Der Zölibat hat
       eine reine Machtfunktion, die Kirche greift in dein Innerstes, in dein
       Sexualleben ein.
       
       Und dann schwingt natürlich auch noch mit, dass die Frau früher als unrein
       galt. Wer sagt denn, dass eine Frau einen Mann von Gott ablenkt? Oft lenkt
       sie ihn ja noch mehr hin! Nein, wenn es hart auf hart kommt, ist immer noch
       die Frau die Sündige. Die Gleichstellung der Frauen ist weit weg. Das kann
       ich auch nicht auf mir sitzen lassen.
       
       ## Leben in großer Eigenständigkeit
       
       Was uns dann geholfen hat, war unser Mut. Nach dreieinhalb Jahren Beziehung
       haben wir beschlossen, uns gegenüber seinem besten Freund, der auch
       Priester ist, zu erklären. Das war schon mal gut. Er hat uns als Erstes
       beglückwünscht. Bei ihm hatten wir für unsere Liebe einen Schutzraum. Ich
       war mit drin. Ich war sichtbar. Dann habe ich gesagt: So, und jetzt gehe
       ich zu deinem Ordenschef. Und er antwortete einfach: Ja, okay.
       
       Peter ist ein Mensch, der nicht viel Angst hat. Das ist eine seiner tollen
       Eigenschaften. Es gab keine langwierige Überlegung, sondern: Bei der
       nächsten Gelegenheit, ihn zu treffen, gehen wir zusammen hin. Das haben wir
       dann gemacht: Peter hat mich vorgestellt, und ich habe gesagt: Ich bin
       seine Freundin. Wir haben eine Liebesbeziehung. Der Ordenschef war peinlich
       berührt. Er murmelte etwas von: „Das kann ja mal passieren, dass man sich
       verliebt. Das geht auch wieder vorbei.“ Das war’s. Er kehrte es unter den
       Teppich.
       
       Es war trotzdem gut für mich. Wir zeigen uns jetzt klarer als Paar. Wer es
       wissen will, der weiß es. Das hat mich sehr erleichtert. Natürlich bleiben
       wir in einer ungelösten Situation. Trotzdem, jetzt ist für mich die
       Richtung klar: Wir leben, was möglich ist. Da spiele ich nun schon mal eine
       größere Rolle. Zum Beispiel: Wir fahren zu einem Treffen seines Ordens. Und
       Peter schläft nicht bei seinen Mitbrüdern, sondern geht mit mir ins Hotel.
       Solche Sachen.
       
       Dabei habe ich gemerkt, dass ich diese Ungleichheit sehr stark angenommen
       hatte. Ich reproduziere selbst diesen Missbrauch, wenn ich mich füge. Jetzt
       habe ich begonnen, daraus meine eigene Stärke zu entwickeln. Die
       gegenseitigen Besuche. Wenn er zu mir fährt, dann muss er andere Termine
       absagen. Da habe ich schon mal etwas gewonnen.
       
       Und was ich erst jetzt langsam merke: Ich kann mein Leben in großer
       Eigenständigkeit leben – denn das tut er ja auch. Ich mache, was ich will.
       Ich teile ihm mit, dass ich allein in den Urlaub fahren will, und – das ist
       wieder das Wunderbare an ihm – er sagt: Ja, prima, fahr in den Urlaub. Ich
       kann keine Besitzansprüche stellen – aber er eben auch nicht. Peter ist ein
       Mensch, der damit zurechtkommt.
       
       Das ist der Vorteil meiner merkwürdig unsichtbaren Situation: Ich habe
       einen Freund, aber ich habe auch ein ganz starkes eigenes Leben. Ich bin
       manchmal einsam. Aber ich fühle mich auch frei.
       
       *Name geändert
       
       7 Mar 2013
       
       ## TAGS
       
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