# taz.de -- Auswirkungen der EU-Sparpolitik: Die Cholera in Zeiten der Eurokrise
       
       > Mehr Selbstmorde, mehr HIV-Neuerkrankungen, Engpässe bei
       > Krebsmedikamenten: Die EU-Sparpolitik gefährdet die Gesundheit in den
       > Krisenländern.
       
 (IMG) Bild: Die Gesundheitssysteme in den Krisenländern geraten in Schieflage: Krankenhaus in Spanien.
       
       BRÜSSEL taz | Mehr Selbstmorde, mehr Aidskranke und sogar erste Fälle von
       Malaria: die Sparpolitik im Zuge der Eurokrise hat katastrophale Folgen für
       die Gesundheit. Dies geht aus einer am Mittwoch vorgelegten [1][Studie der
       medizinischen Fachzeitschrift The Lancet] hervor. Vor allem Griechen,
       Spanier und Portugiesen können sich eine medizinische Behandlung kaum noch
       leisten, haben die britischen Experten herausgefunden.
       
       Infolge der Sparpolitik habe sich der frühere Trend zur Abnahme von
       Selbstmorden seit 2007 wieder umgekehrt, meldet Lancet. Immer mehr Menschen
       setzten ihrem Leben ein Ende. Besonders in Griechenland sei die Lage
       katastrophal.
       
       Die Krankenhäuser kämpften darum, medizinische Mindeststandards
       einzuhalten. Ende 2012 hatte der deutsche Pharmakonzern Merck sogar die
       Lieferung eines Krebsmedikaments eingestellt. Ein klarer Fall für die EU,
       sollte man meinen – doch Brüssel schweigt.
       
       „Die Europäische Kommission ist dazu verpflichtet, die Auswirkungen ihrer
       Politik auf die Gesundheit zu prüfen“, sagte der Leiter der Studie, der
       britische Experte Martin McKee. Die Verantwortlichen entzögen sich jedoch
       nicht nur dieser Verpflichtung, sondern sie leugneten sogar noch das
       Problem. Die taz bemühte sich nun um eine Stellungnahme zu diesem Vorwurf –
       vergeblich.
       
       ## Die Verantwortlichen leugnen das Problem
       
       Es sei noch zu früh, die Auswirkungen der Krise auf die Gesundheit zu
       bewerten, teilte der Sprecher von Gesundheitskommissar Tonio Borg auf
       Anfrage mit. Bisher seien nur Daten aus dem Jahr 2010 verfügbar – also aus
       der Zeit vor der EU-Sparpolitik. Auf den Vorwurf, die EU-Kommission
       vernachlässige ihre Pflichten in der Gesundheitspolitik, ging Brüssel nicht
       ein.
       
       Dabei sprechen die Zahlen des Lancet eine deutliche Sprache. In
       Griechenland habe die Zahl der Selbstmorde 2011 gegenüber dem Vorjahr um 40
       Prozent zugenommen, so die Studie. Im vergangenen Jahr habe es zudem eine
       massive Zunahme von HIV-Erkrankungen gegeben – unter anderem, weil
       Drogensüchtige nach der Streichung von Hilfsprogrammen wieder öfter
       kontaminierte Spritzen untereinander teilen. Zudem habe Athen Ausbrüche von
       Malaria, Denguefieber und dem West-Nil-Fieber gemeldet.
       
       „Sparmaßnahmen haben die wirtschaftlichen Probleme nicht gelöst und sie
       haben große Gesundheitsprobleme entstehen lassen“, bilanziert Studienleiter
       McKee. „Menschen brauchen die Hoffnung, dass die Regierung ihnen durch
       diese schwierige Zeit hilft.“ Doch weil sich die Arbeitslosigkeit
       ausbreitet und wegen der tiefen Einschnitte ins soziale Netz fühlten sich
       viele kranke Menschen alleingelassen.
       
       ## Island zeigt, wie es auch anders gehen könnte
       
       Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Island. Statt eines harten
       Sparkurses hatte sich die Insel in der Finanzkrise für eine harte Sanierung
       der Banken entschieden. In Island sei die Zahl der Selbstmorde nicht
       gestiegen und die Gesundheit der Bevölkerung habe sich sogar verbessert,
       stellen die Lancet-Forscher fest.
       
       Doch in Brüssel zeichnet sich kein Umdenken ab. Zwar hat Sozialkommissar
       Laszlo Andor am Dienstag einen Bericht über die soziale Krise vorgelegt.
       Die Sparpolitik schlage sich sogar auf die Geburtenrate nieder, räumte
       Andor darin ein. Doch der Ungar steht allein auf weiter Flur. Er kann sich
       weder gegen Währungskommissar Olli Rehn noch gegen die deutsche Kanzlerin
       Angela Merkel durchsetzen, die beim letzten EU-Gipfel erneut den Sparkurs
       bekräftigt hat.
       
       Gegenwind kommt nun aus dem Europaparlament. „Die neuen wissenschaftlichen
       Erkenntnisse verweisen auf den Zusammenhang zwischen Austerität, Krankheit
       und Tod“, sagt der österreichische Fraktionschef der Sozialdemokraten,
       Hannes Swoboda. Die EU müsse den Sparkurs lockern. Ähnlich wie auf
       Zigarettenpackungen müsse es künftig auch für Kommissionsberichte einen
       Warnhinweis geben: „Austerity kills.“
       
       28 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.thelancet.com/series/health-in-europe
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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