# taz.de -- Überwachungssoftware aus Deutschland: Exportschlager Protesttrojaner
       
       > Bürgerkrieg in Syrien, Widerstand in Bahrain: Zur Verfolgung von
       > Oppositionellen wird weltweit deutsche Software eingesetzt. Kontrolle?
       > Fehlanzeige.
       
 (IMG) Bild: Bösartige Trojaner: deutsche Überwachungssoftware ist weltweit beliebt.
       
       BERLIN taz | Als Alaa Shebabi die entscheidende E-Mail erhielt, war die
       Oppositionelle aus Bahrain nur einen Klick davon entfernt, ihre Existenz
       aufs Spiel zu setzen. Im Anhang der Mail fand sie Fotodateien, angeblich
       von einem prominenten Folteropfer aus dem Widerstand im Arabischen
       Frühling. Die Mail lieferte Shebabi jedoch noch etwas anderes mit: einen
       bösartigen Trojaner.
       
       Ein Klick auf die Fotos und Alaa Shebabi hätte dem autoritären Regime,
       gegen das sie kämpft, intimste Informationen über ihr Leben in der
       Opposition geliefert. [1][FinFisher] heißt der Trojaner, der später bei ihr
       gefunden wurde – produziert von der [2][//www.gammagroup.com/:Firma Gamma
       International]. Firmensitz: Obersendling bei München.
       
       Alaa Shebabi ist nur ein Fall, den eine neue Kampagne zweier
       Grünen-Politiker im Netz dokumentiert. Shebabis Erfahrung soll für ein
       Problem stehen, von dem deutsche Unternehmen angeblich zunehmend
       profitieren: [3][Softwareprodukte made in Germany], geeignet zur
       Überwachung und Zensur von Oppositionellen, sind unter autoritären Staaten
       weltweit gefragt – die Exportkontrolle solcher Software dagegen ist lax.
       
       Das zumindest bemängelt die Menschenrechtspolitikerin Barbara Lochbihler,
       frühere Amnesty-Funktionärin und heutige Grünen-Politikerin im europäischen
       Parlament. „Deutsche IT-Unternehmen tragen weltweit zur Unterdrückung von
       friedvollem Protest und Menschenrechten bei. Sie profitieren davon, sich
       wissentlich gegen demokratische Entwicklungen zu stellen“, sagt Lochbihler.
       
       ## Übersicht deutscher Firmen
       
       Auf dem Kampagnenportal [4][www.frieden2punkt0.de] hat sie gemeinsam mit
       dem netzpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz,
       eine Übersicht deutscher Firmen erstellt, die von dem Geschäft mit der
       Überwachung profitieren sollen. Darunter finden sich Großunternehmen wie
       die Siemens AG und die Nokia Siemens Networks, aber auch kleinere Firmen
       wie die [5][trovicor GmbH], die [6][utimaco Safeware AG], [7][die
       Syborg-Informationssysteme mit Sitz in Bexbach] oder die Lepiziger
       [8][ipoque GmbH].
       
       Was tatsächlich aus deutschen Programmierstuben bei Machthabern in Syrien,
       Libyen, in Bahrain und anderswo landet, ist für die Öffentlichkeit kaum zu
       überprüfen – auch weil der Markt abgeschottet agiert. Gamma International
       etwa – der Produzent des Trojaners, den Alaa Shebabi in ihrem Posteingang
       fand, war am Montag für die taz nicht zu erreichen. Auch andere Unternehmen
       aus dem Segment wollen sich auf Anfragen nicht äußern.
       
       Wie die Kontrolle sogenannter Dual-Use-Güter verbessert werden kann, ist im
       Detail kompliziert. Dual-Use-Güter sind Produkte, die sowohl zu friedlichen
       als auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können. Ab wann genau
       eine Software als Überwachungs- oder Spähsoftware zu definieren ist, ist im
       Einzelfall nicht immer leicht zu sagen.
       
       Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte am Montag der taz:
       „Die Bundesregierung wirkt auf multilateraler Ebene konstruktiv und in
       Abstimmung mit ihren internationalen Partnern an den Verhandlungen über
       eine Erweiterung der Kontrolle von Überwachungstechnik mit.“ Etwaige
       Listungen von Gütern, so der Sprecher, müssten technisch präzise sein,
       „denn viele Technologien haben mehrere Funktionalitäten und sind auch für
       den ordnungsgemäßen Betrieb des Internets sowie des
       Telekommunikationsnetzes erforderlich.“
       
       ## „Ein hartes Vorgehen“
       
       Konstantin von Notz fordert von der Bundesregierung dagegen „ein hartes
       Vorgehen bei Produkten, bei denen es sich eindeutig um digitale Waffen
       handelt“ – etwa durch ein Verbot von Hermes-Bürgschaften sowie
       Einzelembargos gegenüber autoritären Regimen.
       
       Erst am Wochenende war auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten
       Andrej Hunko hin bekannt geworden, dass Beamte des Bundeskriminalamts noch
       im Oktober 2010 Schulungen „zugunsten des ägyptischen
       Staatssicherheitsdienstes“ durchgeführt haben. Ihr Thema:
       Internetauswertung. Damals war in Ägypten der inzwischen verurteilte
       Staatschef Husni Mubarak an der Macht. Auch in Tunesien und anderen
       arabischen Staaten hatten deutsche Beamte noch kurz vor dem Ausbruch des
       Arabischen Frühlings Geheimpolizisten Nachhilfe in Sachen
       Überwachungstechnik gegeben.
       
       29 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.finfisher.com/FinFisher/en/index.php
 (DIR) [2] http://https
 (DIR) [3] /!83768/
 (DIR) [4] http://www.frieden2punkt0.de/
 (DIR) [5] http://trovicor.com/en/
 (DIR) [6] http://www.utimaco.com/de/
 (DIR) [7] http://www.syborg.de/
 (DIR) [8] http://www.ipoque.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
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