# taz.de -- Die Wahrheit: Clown, Clown, Äppelclown
       
       > Man darf gespannt sein, ob am Ende des sogenannten Kirchentages in
       > Hamburg noch irgendwas von Wert zurückgeblieben ist.
       
 (IMG) Bild: Spaßpolitik do Brasil.
       
       „Soviel du brauchst“, lautete leichtfertigerweise das Motto des sogenannten
       Kirchentags in meiner Heimatstadt Hamburg, deren heimliche Hymne
       bekanntlich im Refrain „Klaun, klaun, Äppel wolln wir klaun!“ gipfelt. Ich
       bin gespannt, ob am Ende in Hamburg noch irgendwas von Wert zurückgeblieben
       ist. Das offizielle Hamburg-Lied kommt ja ähnlich lebensmittelorientiert
       daher: „Heil über Dir, Knackwurst in Papier!“ Der erste Teil grammatisch
       fragwürdig, der zweite Teil bezeichnend für den kulinarischen Horizont der
       Hansestadt.
       
       Übrigens würde ich ja gern zur Erntezeit ein paar Hamburger zum Äppelklaun
       in meinen Garten laden, denn die beiden Bäume, deren fünfzigjährige
       Existenz ich in jedem Frühjahr heroisch gegen gierige Sägezähne verteidige,
       geben uns nur Saures. Mehr als eine Portion Apfelmus davon erträgt meine
       Familie nicht, eine Portion pro Saison, meine ich. Dann noch drei Kuchen,
       und dann ist auch gut. Äpfeldiebe bitte hier melden.
       
       Zwar gibt sich dieses Land gern christlich, dennoch ist beinahe jeder, den
       ich kenne, schon mal bestohlen worden. Geld, Bankkarten, Handys,
       Portemonnaies, Schmuck, Laptops, Kameras, Fahrräder, sogar Saxophone und
       Autos wechselten rasch und unbemerkt zu jemandem, der es brauchte. Mir
       selbst kam einst ausgerechnet auf einem Kirchentag eine Brieftasche
       abhanden, in Westberlin, und zwar samt Reisepass, den man damals noch
       benötigte, um wieder herausgelassen zu werden. Eine Regelung, die man von
       mir aus erneut einführen könnte, denn dann hätten wir alle künftig immer
       nur so viel Berliner um uns, wie wir brauchen.
       
       Jedenfalls war ich noch minderjährig, das Handy noch nicht erfunden und die
       Not groß. Aber weil früher alles besser war, war auch die Brieftasche nicht
       gestohlen, sondern nur verloren, und meine christliche Zimmerwirtin meinte,
       ich solle nicht dem Finder, sondern viel mehr Gott danken, dass die
       Dokumente wieder auftauchten.
       
       Seitdem zerbreche ich mir den Kopf, wieso Gott für das Wiederfinden
       zuständig ist, aber nicht für das Verlieren beziehungsweise Klauen. Da soll
       man immer selbst Schuld sein. In den folgenden Jahren habe ich dann Gott
       verloren, und bisher hat ihn mir noch niemand wieder vorbeigebracht, er
       selbst übrigens auch nicht.
       
       Tatsächlich ist mir beinahe noch nie etwas geklaut worden, obwohl ich zu
       den Panikern gehöre, die dauernd meinen, jetzt seien Geld und Handy aber
       wirklich futsch. Katastrophe! Ja, was für eine Katastrophe eigentlich? Wenn
       die anderen es doch brauchen? Seit ich zu dieser menschenfreundlichen,
       Dinge verachtenden Einsicht kam, lasse ich Portemonnaie und Gepäck
       unbewacht im Zug herumliegen, wenn ich zur Toilette muss. Das gestaltete
       sich früher sehr unpraktisch, so mit zwei Koffern.
       
       Was mir tatsächlich mal gestohlen wurde, waren vier Räder, und zwar von
       meinem Auto, das dann unschön und sinnlos auf seinen Achsen herumlag. Bei
       diesem Anblick tat ich das einzig Vernünftige: Ich brach in Tränen aus und
       war persönlich beleidigt. Dann kaufte ich mir neue.
       
       7 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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