# taz.de -- Die Wahrheit: Vorausschauend geplanter ...
       
       > ... Jahresrückblick. Die korrupteste Zeit des Jahres liegt zwischen
       > Weihnachten und Neujahr.
       
       Die korrupteste Zeit des Jahres liegt zwischen Weihnachten und Neujahr.
       Gern wird sie „zwischen den Jahren“ genannt, offenbar in der verfehlten
       Annahme, dann könne man alles tun, brauche sich aber hinterher für nichts
       zu rechtfertigen, wenn Bilanz gezogen wird. Nur „zwischen den Tagen“ ist
       noch schlimmer – als ob der jährlich wiederkehrenden punktuellen
       Kauf-Ess-Betrink-Verknall-Hysterie eine verschärfte Bedeutung zukäme.
       
       Da „zwischen den Jahren“ niemand damit rechnet, dass man für irgendein
       sinnvolles Vorhaben ansprechbar ist, hat man tatsächlich mal Zeit. Zeit, um
       depressiv auf dem Sofa herumzurollen, weil exzessives Spielen auf dem Handy
       doch nicht so toll ist, wie man immer gedacht hat. Na gut, das ist mein
       persönliches Problem, alle anderen wissen das bestimmt schon längst.
       
       Zeit zum Zeitungslesen. Wie schön, das habe ich nie, jedenfalls nicht so
       viel. Aber ausgerechnet in diesen Tagen füllen sich die Zeitungen mit
       Jahresrückblicken, weil das sonstige Weltgeschehen offenbar Pause macht.
       Wahrscheinlich rollt es depressiv auf einem Sofa herum, vermutlich sogar
       auf meinem, ja, ich bin sicher, ich habe es gesehen. Es war grau und
       faltig, stöhnte und roch nicht sehr gut.
       
       Derweil wurde ich mit „Die wichtigsten Themen des Jahres“ (Menschen,
       Politiker, Bücher, Konzerte) unterhalten. Das mag interessant sein für
       jemanden, der einen Teil der letzten zwölf Monate im Koma verbracht hat.
       Vielleicht sind ja Bewusstseinsgestörte die einzig übriggebliebene
       Print-Zielgruppe, und nein, ich rede nicht von Bild. Für wen Turboquatsch à
       la „240 Fragen, die man 2012 unbedingt hätte stellen sollen“ gedacht ist,
       mag ich mir nicht mal vorstellen.
       
       Wer denkt sich so was aus? Wahrscheinlich dieselben gebeutelten
       Journalisten, die mich vor Weihnachten jedes Mal aufs Neue mit besorgten
       Tipps zum erfolgreichen Absolvieren der anstehenden Großfeste versorgen.
       „Waffen wegschließen!“ Nein, das steht da nicht. Bizarrerweise läuft es
       immer auf vernünftige Mäßigung hinaus. Dafür soll Weihnachten erfunden
       worden sein? Silvester? Was ist los mit den Leuten?
       
       Gerührt war ich einzig davon, dass die Lokalzeitung einen Jahresrückblick
       auf das örtliche Wetter wagte. Was soll ich sagen, ich war jeden Tag dabei,
       aber man liest es ja trotzdem immer nochmal gern, wie es hier mal zu warm
       und dann wieder etwas zu frisch war. Geweht hat es auch mal, glaube ich
       jedenfalls.
       
       Dieselbe Zeitung versorgt mich auch sonst mit zuverlässigen, jahreszeitlich
       angemessenen Tipps („Im Winter die Handschuhe nicht vergessen!“) und
       versucht mich außerdem seit Tagen hartnäckig zum Besuch eines
       Abba-Coverband-Konzerts zu veranlassen, das im Jahresrückblick 2013 sicher
       einen prominenten Platz einnehmen wird.
       
       Ich arbeite inzwischen verschärft an meiner eigenen künftigen Rückschau.
       Die interessantesten Frühstücke des Jahres, Regentropfen, die mir gefielen,
       und wie der Sessel erst so und dann wieder so stand. Erscheint zwischen den
       Tagen. Das Exklusiv-Interview mit dem Weltgeschehen gibt es als Bonustrack.
       
       9 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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