# taz.de -- Suhrkamp vor der Insolvenz: Die Möglichkeit eines Plans
       
       > Drei Monate bleiben dem zerrütteten Traditionsverlag, um die Insolvenz zu
       > vermeiden. Eine Zerschlagung wäre ein herber Verlust für die deutsche
       > Literatur.
       
 (IMG) Bild: Zu bunt ging es bei Suhrkamp auch intern zu.
       
       Selbst bei wohlmeinenden Beobachtern ist inzwischen Überdruss am Kampf um
       Suhrkamp spürbar. „Da kann man ja gleich ’Game of Thrones‘ gucken“, sagte
       neulich eine Bekannte. Aber Überdruss ist die falsche Reaktion. Dazu steht
       kulturell zu viel auf dem Spiel. Außerdem ist die aktuelle Wendung auch
       intellektuell von einigem Reiz.
       
       Suhrkamp hat eben gerade nicht klassisch Insolvenz angemeldet, sondern
       steht jetzt unter einem sogenannten Rettungsschirm und hat drei Monate
       Zeit, eine Insolvenz zu vermeiden – ein Instrument, das es im deutschen
       Insolvenzrecht erst seit einem Jahr gibt. Der Clou dabei: Bisher hatten die
       Gerichte bei allen Verfahren zwischen der Verlegerin Ulla Berkéwicz und dem
       Minderheitsanteilseigner Hans Barlach ohne Rücksicht darauf zu entscheiden,
       welche Folgen die Urteile für den Verlag und seine Angestellten haben.
       
       Alle diese Verfahren hat bislang Barlach gewonnen, auch wenn durch manche
       gerichtliche Entscheidungen – Revisionen stehen allerdings noch aus – der
       Bestand des Hauses gefährdet wurde. Die drohende Insolvenz ergab sich etwa
       daraus, dass Barlach sein Recht auf eine hohe Gewinnausschüttung eingeklagt
       hatte.
       
       Unter dem Rettungsschirm sind die Interessen des Verlags selbst und seiner
       Mitarbeiter nun aber durchaus von Belang, könnten sogar über die Interessen
       der Anteilseigner gestellt werden. Im Klartext: Der Fortbestand des
       Verlages könnte nun vor Gerichten für wichtiger eingeschätzt werden als die
       Eigentumsrechte von Barlach. Es bleibt alles natürlich kompliziert.
       
       ## Blockierte und nicht blockierte Lösungen
       
       Aber immerhin kann Barlach nicht weiter alle Lösungsmöglichkeiten, die
       nicht in seinem Sinne sind, blockieren. Der Ball liegt nun wieder im Feld
       der Suhrkamp-Geschäftsführung, der es hoffentlich gelingt, mit dem vom
       Amtsgericht eingesetzten Generalbevollmächtigten in drei Monaten eine
       überzeugende Zukunftsperspektive zu entwickeln.
       
       Frank Kebekus heißt dieser Bevollmächtigte. In der Zeit von dieser Woche
       klingt er ganz vernünftig. Er sagt, am Ende des Verfahrens „soll ein
       restrukturierter Suhrkamp Verlag stehen“. Das hört sich immerhin nach der
       Möglichkeit eines Plans an. Sinn des Rettungsschirm-Gesetzes ist es gerade,
       Lösungen für Unternehmen zu finden, deren Inhaber Teil des Problems sind.
       Klingt eigentlich wie extra für den Suhrkamp-Fall geschnitzt.
       
       Eine Zerschlagung Suhrkamps wäre auch wirklich ein nicht auszudenkender
       Verlust. Um die Bedeutung dieses Hauses klarzumachen, wird ja meistens auf
       seine große Tradition verwiesen. Aber von solcher Rückschau sollte man
       sowieso langsam wegkommen. Man braucht sie auch gar nicht mehr.
       
       Die Bedeutung Suhrkamps für die Gegenwart ist auch immens, zumal nach dem
       insgesamt gelungenen Umzug des Hauses von Frankfurt nach Berlin. Es ist so
       etwas wie Deutschlands größter Independentverlag und Deutschlands kleinster
       Buchkonzern zugleich. Und gerade in dieser Dopplung liegt seine
       Wichtigkeit.
       
       Man kann bei Suhrkamp wie bei einem Kleinverlag mit großer Freiheit an
       Liebhaberprojekten werkeln – und hat zugleich das Herstellungs-Knowhow und
       die Vertriebswege, um damit an die große Öffentlichkeit zu treten. Zuletzt
       etwa ist die Arno Schmidt Stiftung mit aufwändigen Neueditionen und
       Bildbänden unter das Suhrkamp-Dach geschlüpft.
       
       ## Bestseller mit Fußnoten
       
       Für den Theoriebereich gibt es viele spezialisierte Verlage, aber nur bei
       Suhrkamp hat so ein Buch mit vielen Fußnoten auch die Möglichkeit, sich zum
       kleinen Bestseller zu entwickeln. Colin Crouch oder Eva Illouz wären
       aktuelle Beispiele. Und literarischen Erfolg hat das Programm auch, etwa
       mit William Vollmanns Großroman „Europe Central“.
       
       Buch- und Literaturverrückte gibt es in jedem Verlag, der auf sich hält.
       Aber nirgendwo sind so viele von ihnen so sehr unter sich wie bei Suhrkamp.
       Überdruss wäre wirklich falsch. Tatsächlich nämlich ist es ein wichtiger
       Kampf, eine neue, tragfähige Verlagsstruktur für dieses vielfältige
       Programm zu finden. Ob Hans Barlach darin noch eine Rolle spielt, liegt an
       ihm selbst. Nun sind wieder konstruktive Ideen gefragt. Blockade allein
       funktioniert jetzt nicht mehr.
       
       28 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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