# taz.de -- Nachruf Willi Sitte: Bergarbeiter, Wollust und Geilheit
       
       > Am Samstag ist der Maler Willi Sitte im Alter von 92 Jahren in seiner
       > Heimatstadt Halle gestorben. Er war einer der umstrittensten Künstler der
       > Gegenwart.
       
 (IMG) Bild: Willi Sitte vor dem Bild „Rückgabe des Apfels“ aus dem Jahr 1992
       
       Was haben wir ihn gehasst, den „Chemiearbeiter am Schaltpult“. Dieses
       großflächige Bild eines Facharbeiters, wie der konzentriert und
       selbstbewusst mit der einen Hand einen Hebel bedient und mit der anderen
       gleich einen Knopf drückt – irgendwo in einem sozialistischen Superbetrieb,
       auf die Leinwand gebracht von Willi Sitte. Am Samstag ist der Maler im
       Alter von 92 Jahren in seiner Heimatstadt Halle gestorben. Er war einer der
       bedeutendsten, aber auch umstrittensten deutschen Gegenwartskünstler.
       
       Am „Chemiearbeiter“ lernten viele Schülerinnen und Schüler in der DDR, was
       sozialistischer Realismus in der Malerei hieß. Und das hieß auch, dass man
       Sitte fortan toll zu finden hatte.
       
       Aber wir fanden Sitte nicht toll. Im Gegenteil, Sitte war für die meisten
       ein rotes Tuch. Inhaltlich, ideologisch, ästhetisch. Der Präsident des
       Verbandes Bildender Künstler war ein Staatskünstler par excellence,
       zeitweilig saß er im Zentralkomitee der SED. Dafür musste sich Sitte nach
       der Wende immer wieder rechtfertigen. In den Achtzigern war für junge
       Menschen nichts uncooler als sozialistisches Leben, verpackt in
       sozialistischer Kunst.
       
       Dieses pralle Dasein Werktätiger und der Kampf um Höchstleistungen in der
       Produktion, die Bereitschaft, das eigene Leben der Partei unterzuordnen.
       Und dann noch Sittes erotische Malerei: fleischige Körper, breite Hintern,
       zupackende Hände, in Rosa und Hellblau. Sinnlichkeit stellten wir uns
       damals anders vor, weniger brutal, weniger tierisch, weniger gierig.
       
       Als die ersten Sitte-Nackigen in den Galerien und an Wänden ganz normaler
       Wohnhäuser prangten, glaubten indes manche, das sei ein Zeichen für die
       Öffnung der DDR. Aber die Hoffnung wurde enttäuscht. Und Sitte malte
       weiter: Brigadiere und Bergarbeiter, Wollust und Geilheit. Er galt auch als
       Formalist.
       
       9 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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 (DIR) Vertreter des sozialistischen Realismus: Willi Sitte ist tot
       
       Er war einer der DDR-Malerfürsten, doch nach der Wende verschwand er aus
       dem Kunstbetrieb. Seine Nähe zum SED-Regime hing ihm an. Nun starb er
       92-jährig in Halle.