# taz.de -- Jugendheimforscher über Haasenburg-Heime: „Das erinnert an die DDR“
       
       > Forscher Christian Sachse fordert, die Einrichtungen der Haasenburg GmbH
       > aufzulösen. Dort gebe es zu viele Ähnlichkeiten mit den ehemaligen
       > Jugendwerkhöfen.
       
 (IMG) Bild: Eine Fotografie des Innenhofes des ehemaligen Jugendwerkhofes Torgau
       
       Herr Sachse, Sie haben die Jugendheime und Jugendwerkhöfe der DDR
       untersucht. Fallen Ihnen Parallelen zu den [1][Heimen der Haasenburg GmbH]
       in Brandenburg auf? 
       
       Christian Sachse: Vieles, etwa die Isolation und das Stehen im Zimmer, die
       Ausstattung der Räume mit nur einem Tisch und Matratze: Das erinnert
       frappierend an die Jugendwerkhöfe in der DDR.
       
       Gab es auch ein entsprechendes Belohnungssystem? 
       
       Ein Chip-System gab es nicht, allerdings mussten sich die Kinder wie in dem
       Heim der Haasenburg GmbH die einfachsten Dinge verdienen. Es gab ein sehr
       differenziertes Belohnungs- und Bestrafungssystem in den Jugendwerkhöfen.
       Etwa die Reglementierung der Kontakte zu den Eltern oder von Urlauben.
       
       Das erinnert an Dressur? 
       
       Ja, es gab auch eine Theorie, die sich an das Pawlow’sche Reflexschema
       anlehnte. Sie gingen davon aus: Bestrafung führt auf zu
       Vermeidungsverhalten und Belohnung verstärkt gewünschtes Verhalten. Da
       wurde ein sehr simples Schema angewandt und das scheint mir auch hier der
       Fall gewesen zu sein.
       
       Geht es darum, Kinder zu brechen, um sie danach wieder neu zu konstruieren? 
       
       Genau das ist das Konzept. Es wird versucht, die Verhaltensweisen und den
       Willen des Einzelnen zum Widerspruch zu brechen. Dann bearbeitet man die
       einzelnen Verhaltensweisen so lange, bis der Betroffene „erziehungsbereit“
       ist. Das war in Torgau im Jugendwerkhof die Standardformulierung: „Die
       Erziehungsbereitschaft herstellen.“
       
       Welche Spätfolgen hatte diese Behandlung? 
       
       Ein Großteil der Betroffenen ist schwer traumatisiert aus diesen Anstalten
       herausgekommen. Die Brechung des Willens ist zwar gelungen, aber nicht der
       Aufbau einer neuen Persönlichkeit. Das haben wir fast als Standardbild,
       wenn wir mit den Geschädigten sprechen.
       
       Wie äußert sich das? 
       
       Die haben schwere Depressionen, Nichtigkeitsgefühle, ihr eigene
       Selbstwertschätzung ist auf null – und zwar dauerhaft. Ähnliche Folgen
       würde ich in diesem Heim der Haasenburg GmbH befürchten. Auch dort wird der
       Wille gebrochen. Es wird zu schweren Depressionen kommen und zur
       Unfähigkeit, mit normalen Lebenssvollzügen zurechtzukommen. Auch
       Beziehungsunfähigkeit muss befürchtet werden.
       
       Hängt das damit zusammen, dass in Brandenburg die Vergangenheit nicht
       aufgearbeitet wurde, was sich schon darin äußert, dass es erst seit 2010
       erstmals eine Landesbeauftragte für die Aufarbeitung gibt? 
       
       Diesen Zusammenhang sehe ich ganz eindeutig. Es gab ja diese
       verhaltenstherapeutisch orientierten vier Sonderheime der DDR. Da warten
       wir seit 25 Jahren darauf, dass sich das Land Brandenburg dieser Geschichte
       stellt.
       
       Ist die Situation im Heim der Haasenburg GmbH durch erneute Auflagen durch
       das Land heilbar? 
       
       Ich weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, solche Heime wie die der
       Haasenburg GmbH zu reformieren. Da wäre am besten ein richtiger Schnitt.
       Vielleicht kann es eine Nachfolgeeinrichtung geben, die eine neue Führung
       und ein neues Konzept bekommt. Da bin ich klar für die Auflösung dieser
       Einrichtung.
       
       17 Jun 2013
       
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