# taz.de -- Kino-Kultur: Das Anti-Multiplex
       
       > Der Trend geht zum Nobel-Kino, meint Cinemaxx-Erfinder Hans-Joachim
       > Flebbe. Mit dem Savoy eröffnet er eines der Hamburger Traditionskinos
       > neu.
       
 (IMG) Bild: Will die Gut-Betuchten zurück ins Kino holen: Unternehmer Hans-Joachim Flebbe.
       
       Der Name klingt schon edel, obwohl er im Englischen ganz banal die Vokabel
       für Wirsingkohl ist. „Savoy“ – so hießen in den 1920er-Jahren
       internationale Hotels und Ballsäle, später dann die großen Kinopaläste der
       Metropolen.
       
       Das Savoy am Hamburger Steindamm wurde 1957 eröffnet und brillierte damals
       mit 957 Plätzen sowie dem grandiosen, inzwischen längst vergessenen
       Todd-AO-Verfahren: Mit dem konnten 70mm-Filme auf eine gekrümmte Leinwand
       projiziert werden, wodurch ein extrem großes Bild möglich wurde. Am
       Mittwochabend wurde das Savoy neu eröffnet und zeigt ab heute vier
       Vorstellungen täglich. Wie damals wird mit der neuesten Ausstattung
       geworben: digitale Projektion in 2-D und 3-D auf einer 8 mal 18 Meter
       großen Leinwand und das neueste Soundsystem mit 26 Surround-Lautsprechern.
       
       Anders als früher ist man stolz auf eine geringe Zahl an Sitzplätzen: In
       dem gleichen Saal sind nun 284 Ledersessel eingebaut. Komfortabel mit viel
       Beinfreiheit und perfekter Sicht auf allen Plätzen. In den hinteren Logen
       gibt es noch mehr Abstand zwischen den Sitzen und Fußbänkchen. In der
       ersten Reihe gibt es sogar Liegen, in denen sicher auch ein erholsamer
       Kinoschlaf möglich ist.
       
       Diese neue Art Kino ist die Antwort auf die Strukturkrise der Branche, der
       das bisher übliche Publikum der 15- bis 25-Jährigen wegbricht, weil diese
       auf Internet oder DVD zurückgreifen. Mit dem Kinobesuch als einer edleren
       Veranstaltung auf dem Niveau eines Theaterbesuchs oder dem Besuch eines
       Restaurants soll eine ältere und zahlungskräftige Kundschaft zurückgewonnen
       werden. Eine, die eigentlich „mit dem Thema Kino schon abgeschlossen“ hat,
       sagt der neue Betreiber Hans-Joachim Flebbe.
       
       Flebbe macht hier mit einer fast mathematischen Reinheit genau das
       Gegenteil von dem, womit er in den 1990er-Jahren jenes Kapital
       erwirtschaftete, das er heute in solche Projekte wie das Savoy steckt. Als
       Mitbegründer der Cinemaxx-Gesellschaft war er der erste, der in den Städten
       Multiplexkinos bauen ließ und damit den Bedarf nach großen, normierten und
       auf dem neusten technischen Strand ausgerüsteten Kinobauten zugleich
       entfachte und bediente.
       
       2009, als die Erfolgswelle der Multiplexe brach, schied Flebbe aus dem
       Unternehmen Cinemaxx aus. Mittlerweile baut er schöne alte Kinos, die im
       normalen Betrieb schließen mussten, zu sogenannten „Premium-Kinos“ um. Das
       Astor in Berlin, das Residenz Kino in Köln und ähnliche Lichtspieltheater
       in Frankfurt und München zeigen, dass dieses Konzept des Kinobesuchs als
       Luxusevent angenommen wird. In Hamburg plant Flebbe in der Hafen-City einen
       Kinoneubau nach diesem Prinzip. In drei Jahren soll dieses Kino fertig
       sein.
       
       Das Savoy eignet sich nur bedingt für dieses Konzept, denn der Steindamm
       mit seinen 1-Euro-Läden, seinen Eckkneipen und Sex-Shops ist eben nicht der
       Jungfernstieg. Doch das Viertel ist mitten im Prozess der Gentrifizierung.
       Flebbe zeigt dort große Hollywood-Filme in Originalfassung, manchmal auch
       mit Untertiteln. Ab heute laufen dort unter anderem Hangover 3, Man of
       Steel und The Place beyond the Pines.
       
       Damit hofft er, ein in Hamburg nicht unerhebliches Nischenpublikum zu
       erreichen. Die Leitung des Kinos hat Gary Rohweder übernommen, der zuvor
       das Streits am Jungfernstieg leitete, das ebenfalls Originalfassungen
       zeigte und mittlerweile geschlossen ist.
       
       Es könnte gut sein, dass Betreiber Flebbe wieder das Gespür eines guten
       Geschäftsmannes beweist. Bislang musste er mit 1,2 Millionen Euro viel mehr
       für sein „Hobby“ investieren, als ursprünglich geplant: Die Bausubstanz und
       Haustechnik des Savoy war seit den 1950er-Jahren nicht mehr erneuert worden
       und zeigte sich entsprechend marode.
       
       Für Cineasten und Kino-Nostalgiker ist diese sehr stilvolle Renovierung auf
       jeden Fall ein Gewinn. Nachdem das Savoy in den 1990er-Jahren auch durch
       den Umbau in sogenannte Schachtelkinos heruntergewirtschaftet worden war
       und danach einige Jahre als Warenlager und orientalischer Schnäppchenladen
       zweckentfremdet wurde, wurde es überraschend 2008 als Kino wiedereröffnet.
       Das kommunale Kino Metropolis nutzte es für die Zeit des Umbaus des eigenen
       Hauses bis 2011 als Spielstätte mit einem erstaunlich großem Zuspruch.
       Versuche, das Savoy danach durch eine Stiftung mit öffentlicher Förderung
       weiterzubetreiben, scheiterten.
       
       Das Engagement von Flebbe wirkt nun auch ein wenig wie kulturelle
       Wiedergutmachung. „Ich will nicht sagen, dass Cinemaxx daran schuld ist“,
       sagt er in Bezug auf das Kinosterben in Hamburg – aber ein wenig erinnert
       seine Verwandlung schon an die Saulus-Paulus-Geschichte.
       
       20 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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