# taz.de -- Hamburger Kurzfilmfest wächst: Das Fest der Stiefkinder
       
       > Kurzfilme sind weitgehend nichtkommerzielle Produkte. Das Internationale
       > Kurzfilmfestival in Hamburg wird trotzdem immer größer: Dieses Jahr
       > werden dort mehr als 400 Kurzfilme gezeigt.
       
 (IMG) Bild: Nichtkommerzielle Filme sorgen für gute Atmosphäre: Szene von der Festivaleröffnung 2011.
       
       BREMEN taz | Bei Kurzfilmen ist manchmal die Zahl der Macher größer als die
       der Zuschauer. Es ist eine Gattung ohne ein gewinnträchtiges
       Verwertungssystem – in einigen Kommunal- und Programmkinos werden zwar
       regelmäßig Kurzfilme gezeigt und in den Kulturkanälen des Fernsehens gibt
       es ein paar Sendungen, in denen Kurzfilme gezeigt werden, aber an den
       Kassen wird kaum einer von ihnen seine Kosten wieder einspielen. Kurzfilme
       sind weitgehend nichtkommerzielle Produkte.
       
       Die Filme werden manchmal von Hochschulen oder durch Fördergelder
       finanziert, meist entstehen sie aber durch schiere Selbstausbeutung und
       Freundschaftsdienste. Wenn also bei den Beiträgen des Internationalen
       Kurzfilmfestivals, das derzeit in Hamburg stattfindet, der Abspann länger
       zu sein scheint als das Werk, dann wegen der langen Liste von
       Unterstützern, die umsonst zur Fertigstellung des Films beigetragen haben.
       
       Die digitale Technik und das Netz haben auch hier die Regeln verändert: Das
       Klischee von der Hypothek auf das Familienheim, mit der die Eltern den Film
       ihres Wunderkinds ermöglichen, ist nicht mehr aktuell, weil Filmemachen
       viel billiger geworden ist. Zudem gibt es im Internet Foren und Portale,
       auf denen massenhaft Kurzfilme angesehen und kopiert werden. Doch das
       Grundproblem wird dadurch nicht aufgehoben: Verhältnismäßig viele machen
       Kurzfilme, nur wenige schauen sie sich an.
       
       Deshalb sind Filmfestivals für die Branche – wenn man von einer solchen
       überhaupt sprechen kann – so wichtig. Hier werden die Filme auf großer
       Leinwand und vor vielen Leuten gezeigt. Es winken Preise und mit einem
       prämierten Film stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass der Filmemacher
       zu weiteren Festivals eingeladen wird.
       
       Das älteste und wichtigste Kurzfilmfestival findet jährlich in Oberhausen
       statt, aber das Kurzfilmfestival Hamburg hat sich über die Jahre
       erstaunlich vergrößert. Ursprünglich als NoBudget-Festival gegründet, wird
       es von der Kurzfilmagentur Hamburg organisiert.
       
       In diesem Jahr werden an sieben Tagen über 400 Filme in neun Spielstätten
       gezeigt, es gibt sieben Wettbewerbe und angegliedert sind das
       Kinderkurzfilmfestival „Mo & Friese“ sowie das „Kinokabaret“, bei dem Filme
       in 48 Stunden entstehen und dann sofort öffentlich aufgeführt werden.
       
       Da beim Kurzfilmfestival die Länge die einzige Auswahlbeschränkung ist –
       kein Film darf mehr als 30 Minuten dauern –, werden Filme in den
       verschiedensten Formaten, Stilformen und Genres gezeigt. Zum Teil direkt
       aufeinander folgen Dokumentationen, Kurzspielfilme, Animationsfilme,
       Experimentalfilme und Filmessays.
       
       Geordnet wird nach anderen Kriterien: So gibt es einen internationalen
       Wettbewerb mit acht Programmblöcken, einen deutschen Wettbewerb und die
       „Pilsner Urquell Hamburg Nacht“, bei der Werke von Hamburger Filmemachern
       gezeigt werden. Beim Wettbewerb „Flotter Dreier“ dürfen die Filme nicht
       länger als drei Minuten sein und sie müssen zumindest lose zu einem
       vorgegebenen Thema passen. Das Thema in diesem Jahr lautet „Durchbruch“.
       
       Auch von dem Prinzip „No-Budget“ hat sich das Festival nicht verabschiedet.
       In diesem Wettbewerb werden Filme gezeigt, die mit wenig Geld, aber viel
       künstlerischem Ehrgeiz produziert wurden. Dies könnte man etwa von Daniel
       Seidenmeyers und Daniel Pfeiffers „Hurdy Gurdy“ sagen: In dem Film wird mit
       einer digitalen Verfremdungstechnik gearbeitet, die das Raumgefühl des
       Zuschauers so manipuliert, dass dokumentarische Außenaufnahmen aussehen wie
       die Bilder aus einer Spielzeugminiaturwelt. Reale Stadtansichten und
       Baukastenszenen werden hier so geschickt montiert, dass es meist unmöglich
       ist, sie voneinander zu unterscheiden. Vielleicht können Kinder mit ihrem
       vorurteilsfreien Blick noch am ehesten das Verwirrspiel durchschauen, und
       vielleicht läuft der Experimentalfilm deshalb auf dem Kinderfestival „Mo &
       Friese“.
       
       Ähnlich irritierend ist der australische Kurzspielfilm „The Captain“ von
       Nash Edgerton und Spencer Susser: Hier irrt ein Pilot durch die
       Abbruchstelle seines Flugzeugs, die so überzeugend in Szene gesetzt ist,
       wie es sich kein Kurzfilmer je leisten könnte. Ist der Unglücksort real
       oder handelt es ich um die Filmkulisse zu einem Hollywoodfilm? Die
       Verunsicherung ist so elementar, dass man die eher banale Pointe verzeiht,
       ja kaum bemerkt.
       
       Mit einer ähnlichen Fallhöhe zwischen Weltgeschehen und Alltagsleben
       spielen Daniel Jenny und Stéphane Guérin in ihrem „inszenierten
       Dokumentarfilm“ namens „Mission Apo11o“. Bei dem ein einziger Satz in einem
       Telefongespräch den „wichtigsten Schritt der Menschheit“ ziemlich
       lächerlich wirken lässt.
       
       In Nebenreihen werden historische Werbefilme gezeigt, es wird die neu
       entstehende Filmszene von samischen Filmemachern aus Norwegen vorgestellt
       und einige der schönsten Stücke aus der Kurzfilmsammlung des 2010
       verstorbenen Filmverleihers Walter Kirchner werden aufgeführt.
       
       Ein Höhepunkt des Festivals ist die Uraufführung der Dokumentation „Romy,
       ich bin krank“ am Freitagabend im Zeise-Kino. Andreas Grützner porträtiert
       darin den Starfotografen Jürgen Vollmer, der als erster Aufnahmen von den
       Beatles auf der Reeperbahn machte und ihnen etwas später den wohl
       folgenreichsten Haarschnitt des 20. Jahrhunderts verpasste. Eine
       interessante Geschichte wird hier filmisch originell und unterhaltsam
       umgesetzt. Das klingt wie die Definition eines gelungenen Kurzfilms.
       
       ## Internationales Kurzfilmfestival: bis 10. Juni, Hamburg
       
       6 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fernsehen
 (DIR) Hamburg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Treffen der Filmbranche: Die versteckten Schmuckstücke
       
       Beim Symposium „Reclaim Television“ ging es um die neue Generation der
       Filmemacher, die besten Stoffe und optimistische Schlagworte.
       
 (DIR) Filmfest Hamburg startet: Gemischt kalkuliert
       
       Das Filmfest Hamburg deckt eine Bandbreite ab, die vom „Großstadtrevier“
       bis zum iranischen Autorenfilm reicht. Ein Profil ist schwer erkennbar.
       
 (DIR) Kino-Kultur: Das Anti-Multiplex
       
       Der Trend geht zum Nobel-Kino, meint Cinemaxx-Erfinder Hans-Joachim Flebbe.
       Mit dem Savoy eröffnet er eines der Hamburger Traditionskinos neu.