# taz.de -- 150. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Wie die Himmlischen sagten“
       
       > Wie 2009 an höchster Stelle in der FDLR über den Kurs gerungen wurde –
       > und was das mit der Gegenwart zu tun hat.
       
 (IMG) Bild: Seine Verteidigungslinie kommt durch die nun gehörten Audiofiles ins Wanken: Straton Musoni.
       
       GOMA/STUTTGART taz | „Die FOCA haben sich seit Januar 2009 genug geopfert.
       Sie fangen an, müde und entmutigt zu werden. Es sieht so aus, als würden
       sie allein arbeiten und dass die Politik ihnen nicht folgt. Die
       Verzweiflung unter den Abacunguzi in den Wäldern breitet sich aus.“ Diese
       Sätze stammen aus einem Audiofile, das am 6. Juli 2009 vom 2. Kommandeur
       des militärischen FDLR-Flügels FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi),
       Stanislas Nzeyimansa (alias Bigaruka), aus dem Kongo an den Präsidenten der
       im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz „Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas“ (FDLR), Ignace Murwanashyaka in Deutschland verschickt
       wurden.
       
       Sie illustrieren den etwas desolaten Zustand der ruandischen Hutu-Miliz in
       der Zeit kurz nach den beiden Militäroperationen der kongolesischen Armee
       „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ gegen sie. Auf diese Offensiven hatten die
       FDLR-Kämpfer mit Rachefeldzügen gegen die kongolesische Zivilbevölkerung
       geantwortet – jene Rachefeldzüge, für die jetzt Murwanashyaka und der 1.
       FDLR-Vizepräsident Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart angeklagt sind.
       
       Das Interessante an dieser Aufzeichnung, die am 29. April vor dem OLG
       Stuttgart verlesen wurde, ist weniger der Inhalt, sondern die angeblichen
       Unterzeichner: neben Generalmajor Bigaruka auch der 1. Vizepräsident der
       FDLR, also Straton Musoni, der in Stuttgart jetzt auf der Anklagenbank
       sitzt. Dessen Verteidigungslinie ist eigentlich, dass er angeblich in keine
       Entscheidungsprozesse eingebunden war und keine Führungsverantwortlichkeit
       besaß.
       
       Das sieht mit diesem Dokument etwas anders aus, weswegen seine Verteidigung
       am nächsten Verhandlungstag auch bestreitet, dass Musoni das wirklich
       unterschrieben hat, zumal der in Deutschland lebende Musoni wohl kaum mit
       dem in Deutschland lebenden Murwanashyaka über eine im Kongo erstellte
       Aufzeichnung kommuniziert hätte. Es sei vielleicht der 2. Vizepräsident
       Rumuli gewesen.
       
       ## Damals: Bigaruka als Vermittlungskontakt
       
       Unbestritten nur noch von Bigaruka unterzeichnet ist der Schluss des
       Textes. Der fordert FDLR-Präsident Murwanashyaka sowie den 2.
       Vizepräsidenten Rumuli dazu auf, „über eine außerordentliche Versammlung
       des Oberkommandos nachzudenken zwecks a) Situation im Feld, b) Einheiten im
       Kampf einsetzen zu können, c) Umgruppierung der Einheiten im Hinblick auf
       zukünftige Operationen, d) andere Strategien für die Fortsetzung unseres
       Kampfes“.
       
       Die zentrale Rolle Bigarukas bei dem Versuch, die Linie der FDLR zu ändern,
       wird dadurch zum wiederholten Male deutlich. Bereits im September 2011
       hatte vor Gericht zwei Tage lang der norwegische evangelische
       Kirchenunterhändler Karel Lode über seine Bemühungen 2009 ausgesagt, die
       FDLR und Kongos Regierung zum Friedensschluss miteinander zu bewegen. Er
       war damals mit Teilen der FDLR in Kontakt gewesen. Sein Hauptkontakt sei
       Bigaruka gewesen. Murwanashyaka habe eine friedliche Lösung aber
       letztendlich abgelehnt.
       
       ## Hardliner unter sich
       
       Darüber tauschten sich am 1. Oktober 2009 am Telefon Murwanashyaka und der
       damalige FDLR-Stabschef Leodomir Mugaragu aus – ein Telefonat, dessen
       Mitschnitt das zweite an diesem Verhandlungstag in Stuttgart eingebrachte
       Beweisstück darstellt. Hier reden zwei Hardliner miteinander über ihre zu
       weichen Kollegen.
       
       „Es gibt die Bedrohung, dass sie uns führerlos machen wollen und Zwietracht
       in der Führung säen wollen“, so Stabschef Mugaragu zu Präsident
       Murwanashyaka. Es gebe eine „Strömung“, mutmaßlich von Bigaruka
       orchestriert, die das Ende des Krieges fordere.
       
       „Sie sagen vor allem, dass wir Kontakt mit Kinshasa und eine Feuerpause
       akzeptieren wollen, dass wir Kinshasa schreiben sollen, dass wir keinen
       Krieg wollen... Sie üben Druck aus, damit wir dringend eine CD (Sitzung des
       Comité Directeur) abhalten, um sich mit dem Problem auseinandersetzungen,
       oder eine Versammlung mit dem Oberkommando“, so Mugaragu weiter. Bigaruka
       sei nach Süd-Kivu gereist und habe seine vereinbarte Abwesenheitsdauer
       schon um zwei Wochen überzogen.
       
       „Ich weiß alles“, sagt Murwanashyaka. „Wir müssen erwarten, dass wenn man
       im Krieg ist man Verluste hat und Feinde. Das kann uns nicht überraschen.“
       
       ## „Wir werden kämpfen“
       
       Die Linie des FDLR-Präsidenten: Irgendwann werde Kongos Regierung einsehen,
       dass die FDLR nicht militärisch zu besiegen ist, und dann werde es
       Verhandlungen mit Ruandas Regierung geben können. „Kinshasa und Kigali
       haben mit dem Krieg angefangen... sie haaben den Krieg aber verloren. Sie
       sagen, dass sie uns besiegt haben, aber wir kennen die Wahrheit“, so
       Murwanashyaka
       
       „Die Verhandlungen kommen, wenn man feststellt, dass die militärische
       Lösung nicht reicht“, erläutert Murwanashyaka seinen Weg. „Es sei denn, man
       akzeptiert DDRRR (das Demobilisierungs- und Repatriierungsprogramm der
       UN-Mission für ruandische Milizionäre im Kongo) und legt die Waffen nieder.
       Dies ist aber nicht unser Weg. Wir werden kämpfen, bis sie Verhandlungen
       akzeptieren.“
       
       Wobei es bei Verhandlungen nicht darum gehe, Frieden mit Ruandas Regierung
       zu schließen. Mugaragu: „Ja, es ist uns klar: Auch wenn Verhandlungen
       stattfinden würden, würde die Eroberung durch Waffen erfolgen. Das haben
       die Himmlischen gesagt. Davon bin ich überzeugt. Wir müssen kämpfen.“
       
       Murwanashyaka stimmt zu. „Stimmt. Es wurde prophezeit, dass es einen harten
       Kampf geben wird“. Er weiß auch schon, was ihm selbst blüht: „Wir müssen
       uns vorbereiten, dass die Führung verhaftet wird. Das haben sie schon lange
       prophezeit. Aber nichts wird die Leute überraschen, die beten, wie die
       Himmlischen sagten. Das Problem sind die Leute, die nicht beten.“
       
       ## Heute: Bigaruka als Faustpfand
       
       Mittlerweile ist sowieso alles anders. Murwanashyaka und Musoni stehen in
       Stuttgart vor Gericht. Mugaragu wurde Anfang 2012 von einem Killerkommando
       im Ostkongo getötet. Bigaruka wurde Anfang 2013 in Tansania verhaftet,
       wohin er sich aus unklarer Motivation unter Bruch des gegen ihn geltenden
       UN-Reiseverbots begeben hatte.
       
       Aber diese Entwicklungen bedeuten nicht, dass diese Debatten von
       ausschließlich historischem Interesse sind. Aktuell weigert sich Tansanias
       Regierung angeblich, Bigaruka an Ruanda auszuliefern, und fordert
       stattdessen von Ruandas Regierung Gespräche mit der FDLR – entlang der
       Bigaruka-Linie also. Ruanda wittert in dieser Forderung genau denselben
       Trick wie ihn die FDLR 2009 intern diskutierte: durch Verhandlungen eine
       Präsenz in Ruanda aufbauen zu können, mit der die „Eroberung durch Waffen“
       in den Bereich des Möglichen rückt.
       
       Was besonders heikel ist im Zusammenhang mit der aktuellen Situation im
       Ostkongo. Tansania sammelt derzeit Truppen in einer neuen, tansanisch
       kommandierten UN-Eingreifbrigade zum Kampf gegen die mutmaßlich einst von
       Ruanda unterstützte Tutsi-Rebellenarmee M23 und kooperiert dabei mit Kongos
       Armee, die ihrerseits inzwischen wieder mit der FDLR kooperiert. Die
       Vergangenheitsbewältigung im Stuttgarter Gerichtssaal wirft auch neues
       Licht auf die Gegenwart im Afrika der Großen Seen.
       
       3 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
 (DIR) Bianca Schmolze
       
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