# taz.de -- 182. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Intriganten, Verräter, Lügner
       
       > Wie die FDLR-Führung in Europa wenige Monate vor ihrer Verhaftung 2009
       > eine Kircheninitiative zur Entwaffnung ihrer Miliz im Kongo torpedierte.
       
 (IMG) Bild: 2009 hätte dieser FDLR-Kämpfer die Gelegenheit bekommen können, den Krieg zu beenden. Seine obersten Chefs waren dagegen
       
       STUTTART/BERLIN taz | Callixte Mbarushimana und Ignace Murwanashyaka sind
       sauer. Der in Paris lebende Exekutivsekretär der im Kongo kämpfenden
       ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)
       und ihr in Mannheim lebender Präsident haben soeben erfahren, dass
       irgendwelche Exilruander mit der kongolesischen Regierung Gespräche über
       die Entwaffnung der FDLR führen, ohne sie zu fragen.
       
       „Sie laden Leute ein, ohne ihnen die Wahrheit zu sagen“, schimpft
       Exekutivsekretär Mbarushimana in einer Mail an Präsident Murwanashyaka am
       27. März 2009. „Danke für die Infos“, antwortet Murwanashyaka am gleichen
       Tag. und empört sich über die Exilruander: „Sie sollten nicht weiter
       lügen... Sie wollen eine Rebellion gegen uns in Gang bringen.“
       
       So beginnt ein Mail- und Telefonaustausch, der sich über mehrere Monate
       hinzieht und der am 2. und 4. Oktober im Prozess gegen Murwanashyaka und
       seinen Vizepräsidenten Musoni vor dem OLG Stuttgart verlesen wird.
       
       Er ist eine einzigartige Originalquelle dafür, wie die Exilführung der FDLR
       aus Europa heraus 2009 einen kirchlich vermittelten Dialogprozess
       vereitelte, der die Miliz zum Frieden hätte führen können.
       
       ## Vermittlung aus Norwegen
       
       Dies geschah in der Zeit nach der gemeinsamen kongolesisch-ruandischen
       Armeeoperation „Umoja Wetu“, die im Januar und Februar 2009 die FDLR
       empfindlich geschwächt hatte. Er erstreckt sich über den gleichen Zeitraum,
       in dem die meisten der brutalen Kriegsverbrechen der FDLR an kongolesischen
       Zivilisten stattfanden, die die deutsche Anklage den beiden FDLR-Führern
       vorwirft - sie wurden im November 2009 verhaftet und stehen seit Mai 2011
       in Stuttgart vor Gericht.
       
       Mit eingefädelt wurde dieser Dialogversuch vom protestantischen
       norwegischen Kirchenunterhändler Karel Lode, der dazu bereits vor zwei
       Jahren in Stuttgart aussagte (siehe Verhandlungstage 27/28), und Bischof
       Kuye von der protestantischen kongolesischen Kirche ECC (Eglise de Christ
       du Congo).
       
       Bereits 2008 hatte eine Dissidentenfraktion der FDLR namens RUD (Sammlung
       für Einheit und Demokratie) zusammen mit der ruandischen Exilpartei RPR in
       der kongolesischen Stadt Kisangani mit Kongos Regierung eine „Roadmap“ zur
       friedlichen Entwaffnung und Repatriierung ruandischer Hutu-Kämpfer im Kongo
       vereinbart: die Kämpfer würden sich am Ende in einer „Friedenszone“
       sammeln, um nach Ruanda zurückgebracht zu werden.
       
       Die FDLR war von diesem sogenannten „Kisangani-Prozess“ nicht betroffen.
       Aber im März 2009 streckten die Teilnehmer des Kisangani-Prozesses offenbar
       die Fühler Richtung FDLR aus und nahmen Kontakt zu Vertretern des
       militärischen FDLR-Flügels FOCA (Forces Combattants Abacunguzi) auf.
       Darüber ärgern sich jetzt Mbarushimana und Murwanashyaka, die beiden
       wichtigsten politischen Führer der Miliz.
       
       ## „Hier ist die Manipulation“
       
       FDLR-Exekutivsekretär Mbarushimana berichtet FDLR-Präsident Murwanashyaka
       von einem Treffen am 27 .März 2009 in Paris, organisiert von der
       kongolesischen Kirche ECC. Daran hätten „vier RUD-Mitglieder“ teilgenommen,
       „mit denen man Freunde oder Angehörige der Abacunguzi in Verbindung
       brachte“ - und auch ein Bruder des FDLR-Sprechers Laforge.
       
       „Hier ist die Lüge und die Manipulation“, echauffiert sich Mbarushimana.
       „Er rief während der Pause Laforge an. Könnte sein, dass der ihn entsandt
       hat.“
       
       „All diese Leute, die an diesem Treffen teilgenommen haben, sind nicht
       sauber“, so Mbarushuimana in einer weiteren Mail am 31. März. Man müsse
       sich von dieser „Seuche“ verabschieden.
       
       Die FDLR-Exilführer merken, dass ihnen die Felle davonschwimmen könnten.
       Denn am 7. April schreibt der kongolesische Bischof Kuye einen Brief an die
       RUD sowie die FOCA. Inhalt: Die Ergebnisse des Treffens vom 27. März.
       
       Jede Gruppe, wurde vereinbart, soll die Anzahl der niederzulegenden Waffen
       nennen, zwei Orte ihrer Wahl dafür bennen, Anweisungen der kongolesischen
       Armee zur Einrichtung humaniltärer Zonen und Korridore befolgen,
       Vorkehrungen mit den zuständigen kongolesischen Provinzregierungen treffen
       und eine „Zeremonie zur Waffenübergabe und Flüchtlingsrepatriierung“
       vorbereiten, die dann „im Beisein der internationalen Gemeinschaft und
       neutraler Staaten, also Norwegen“ stattfinden wird.
       
       Der Kongo verpflichtet sich, den ruandischen Kämpfern zu überlassen, ob sie
       repatriiert werden oder nicht. Ein UN-Sonderbeauftragter für die
       ruandsichen Flüchtlinge im Kongo wird ernannt, um sichg darum zu kümmern -
       an anderer Stelle war dafür Italiens Expremier Romano Prodi genannt worden,
       der auch schon zugestimmt habe - und „einige Personen“ würden aus den
       geltenden internationalen Sanktionslisten gegen die FDLR gelöscht.
       
       Den Brief mit diesem sehr detaillierten Programm schickte Bischof Kuye eine
       Woche später einem FDLR-Oberst „Alexis Baraka“, der dies wiederum am 17.
       April an Murwanashyaka weiterschickte.
       
       ## „Weder eingeladen noch teilgenommen“
       
       Murwanashyaka will in seiner Antwort erstmal wissen, wer die Mailadresse
       „Alexis Baraka“ benutzt. Vermutliçh ist es FOCA-Chef General Sylvestre
       Mudacumura selbst, denn am 20. April berichtet Murwanashyaka Mbarushimana,
       dies sei „der Brief, den Mupenzi mir geschickt hat“ - Mupenzi ist ein
       Aliasname von Mudacumura. Mbarushimana soll nun eine Antwort der FDLR an
       Bischof Kuye vorbereiten.
       
       „Wir danken Ihnen, dass Sie uns über diese Entscheidungen in Kenntnis
       gesetzt haben“, steht im Entwurf der Antwort, den Mbarushimana am 22. April
       an Murwanashyaka zum Gegenlesen schickt. „Wir haben keine Infos über ein in
       Paris stattgefundenes Treffen. FDLR waren weder eingeladen noch haben
       teilgenommen.“
       
       Für die FDLR bleibe der 2005 in Rom eingeleitete Prozess zur Rückkehr der
       Miliz nach Ruanda - aus dem nie etwas geworden war - „der einzige und
       anerkannte Rahmen für Diskussionen zwischen der DR Kongo und der FDLR“.
       
       Zum Abschluss der Antwort wird Bischof Kuye aufgefordert, seine „offizielle
       Korrespondenz“ in Zukunft an die FDLR-Führung direkt zu richten.
       Murwanashyaka spitzt das beim Gegenlesen noch etwas zu: „Für bessere
       Korrespondenz zwischen ECC und FDLR bitten wir Sie zukünftig, keine
       Schreiben außerhalb des bekannten Rahmens unserer Organisation zu senden.“
       
       Der Brief wird am 23. April 2009 verschickt. Die Kopie davon geht um 18h24
       von Mbarushimana an Murwanashyaka.
       
       ## „Dieser Norweger“
       
       Fünf Tage später ruft FOCA-Chef Mudacumura aus dem Kongo in Deutschland bei
       Murwanashyaka an und beschwert sich. „Dieser Norweger“ - gemeint ist
       Kirchenvermittler Karel Lode - sei mit Bischof Kuye zusammen und wolle das
       FDLR-Antwortschreiben „ignorieren“. Er versuche, Mudacumuras Untergebene zu
       erreichen, um doch noch FDLR-Kampfeinheiten einzubinden.
       
       „Er soll nicht für uns Gesprächspartner suchen“, ärgert sich der
       Militärchef. Er vermutet, dass die Teilnehmer des Pariser Treffens vom März
       damit nur Geld verdienen wollten. Sie würden lediglich behaupten, die FDLR
       hinter sich scharen zu können.
       
       „Wir sollen uns nicht daran beteiligen“, bestätigt Präsident Murwanashyaka.
       „Wenn man sich beteiligt, bekräftigt man, was sie immer sagen: dass bei
       FOCA geteilte Meinung herrscht, dass sie keine Leadership haben, dass wir
       diejenigen sind, die sie daran hindern, nach Hause zu gehen.“
       
       Mbarushimana, verspricht Murwanashyaka, werde klarstellen, „dass wir uns
       nie an dieser Initiative beteiligt haben... wir werden alle diese Intrigen
       aus dem Weg räumen.“
       
       „OK“, antwortet Mudacumura und verspricht, die Kontaktdaten von Karel Lode
       zu übermitteln, damit Mbarushimana ihm diese Klarstellung schreiben kann.
       
       ## „Ihre Antwort wird uns nicht helfen“
       
       Die Klarstellung nützt wohl nicht viel. Am 28. April antwortet Kuye an
       Mbarushimana: „Wir bestätigen den Erhalt Ihrer Nachricht. Doch schätzen
       wir, dass sie uns nicht helfen wird, den Friedensprozess in der Region der
       Großen Seen voranzubringen.“
       
       Murwanashyaka erzählt in diesem Gespräch, dass Bischof Kuye weiterhin
       versuche, direkten Kontakt zur Kommandoebene von FOCA zu erreichen, und
       dass die Kongolesen wohl „den armen Norweger betrügen, dass die FDLR/FOCA
       hinter ihren Ideen stecken“.
       
       Am 30. April kommt es offensichtlich zu einem direkten Gespräch zwischen
       Murwanashyaka und Lode. Davon erzählt Murwanashyaka jedenfalls Mudacumura
       am Abend am Telefon. „Hab fünf Minuten mit ihm gesprochen. Hab ihm erklärt,
       dass ich mit Callixte (Mbarushimana) zuständig für FDLR-Angelegenheiten
       bin, dass er sich an uns wenden soll, dass es nicht richtig ist, die Leute
       im Feld anzuwählen.“ Angebliche FDLR-Vertreter, mit denen er im Kongo in
       Kontakt sei, „sind nicht unsere Repräsentanten“.
       
       „Gut, jetzt sind wir ihn losgeworden“, freut sich Mudacumura. „Ja, wir
       haben ihn nicht mehr am Hals“, sagt Murwanashyaka. Aber er sorgt sich
       weiter um Verräter in seiner Organisation: „Er sagt, dass eine Person bei
       euch ihn angerufen hat. Du sollst rausfinden, wer.“ Mudacumura
       beschwichtigt: „Nein. Er hat uns angerufen und ich geh da nie ran.“
       
       ## Das Telefon bleibt tot
       
       In einer Reihe aufeinanderfolgender Textnachrichten stellt Murwanashyaka
       dann gegenüber Lode nochmal die Lage klar: Murwanashyaka und Mbarushimana
       seien seine Ansprechpartner, sonst niemand, und die FDLR habe ihre Position
       schriftlich erklärt.
       
       Lode nimmt zwei Monate später noch einmal direkten Kontakt mit
       Murwanashyaka auf. In einer SMS nach dem Gespräch schreibt er am 1. Juli:
       „Möchte betonen, dass ich mich wegen praktischen Gründen an Militärs im
       Kongo gewendet habe... Wir hoffen, dass Dialog fortgesetzt werden kann."
       
       Am 6. Juli ruft Lode Murwanashyaka wieder an. Die Verbindung kommt nicht
       zustande.
       
       7 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
 (DIR) FDLR
 (DIR) FDLR
 (DIR) FDLR
 (DIR) FDLR
 (DIR) M23-Rebellen
 (DIR) Kongo
 (DIR) FDLR
 (DIR) Kongo
 (DIR) FDLR
 (DIR) Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) 185.-187. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Dort ist Durcheinander“
       
       Zwei Jahre nach seiner ersten Vernehmung erklärt ein Ex-FDLR-Offizier,
       unter welchen Umständen die ruandische Miliz kongolesische Zivilisten als
       Feinde betrachtete.
       
 (DIR) 184. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Von Kongo war keiner da“
       
       Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Straton Musoni widerspricht der
       Darstellung, man habe keine Demobilisierung gewollt.
       
 (DIR) FDLR im Kongo: Ruandische Hutu-Miliz vs. UNO
       
       Nach dem Sieg gegen die M23-Rebellen tritt die UN-Eingreifbrigade im
       Ostkongo erneut in Aktion – gegen die berüchtigte FDLR-Miliz.
       
 (DIR) 183. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Diese Frau Clinton“
       
       Die FDLR-Führung in permanenter Abwehr: gegen Vergewaltigungsvorwürfe,
       Demobilisierungsansinnen und Armeeangriffe
       
 (DIR) Kommentar Kongo: Krieg wird wieder wahrscheinlicher
       
       Die Regierung hat den Friedensvertrag mit den besiegten M23-Rebellen
       platzen lassen. In dem Friedensprozess sind nun alle blamiert oder
       machtlos.
       
 (DIR) Friedensvertrag für Kongo: Im letzten Moment geplatzt
       
       Die kongolesische Delegation hat die Unterzeichnung des Abkommens mit der
       M23-Miliz abgesagt. Differenzen in Kernpunkten müssten zunächst ausgeräumt
       werden.
       
 (DIR) 188. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Kinderrekrutierung kein Anklagepunkt
       
       Das OLG Stuttgart streicht „Einsatz von Kindersoldaten“ aus der Anklage
       gegen die FDLR-Führung – die UN-Mission hält an ihrem Vorwurf fest.
       
 (DIR) 176.-181. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Kinshasa soll Hutu-Miliz entlasten
       
       Kongos Informationsminister und Regierungssprecher Lambert Mende soll in
       Stuttgart als Entlastungszeuge auftreten.
       
 (DIR) 175. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Was haben Sie denn gesagt jetzt?“
       
       Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Musoni beharrt auf seiner Aussage: Er
       habe keine Ahnung von seiner Organisation und keinen Einfluss gehabt.
       
 (DIR) 150. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Wie die Himmlischen sagten“
       
       Wie 2009 an höchster Stelle in der FDLR über den Kurs gerungen wurde – und
       was das mit der Gegenwart zu tun hat.
       
 (DIR) 27./28. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die gescheiterte Vermittlung
       
       FDLR-Präsident Murwanashyaka zeigte kein Interesse an einem Ende des
       militärischen Kampfes der ruandischen Miliz. Das sagt ein Unterhändler aus.