# taz.de -- Kommentar Ägypten: Unschöner Nachgeschmack
       
       > Staatsstreich? Putsch? Aufstand? Das Vorgehen des Militärs wird von
       > vielen Ägyptern begrüßt. Die Repressionen jetzt geben allerdings zu
       > denken.
       
 (IMG) Bild: Ein junger Ägypter vor einem Anti-Mursi-Graffito, das sich vorerst erledigt hat.
       
       Zugegeben: Wenn man die Begeisterung in den Gesichtern der Menschen auf dem
       Tahrir-Platz sieht, wenn man Jung und Alt tanzend durch die Straßen Kairos
       ziehen sieht, fällt es schwer, den Staatsstreich in Ägypten zu verurteilen.
       
       Nachdem das Militär den islamistischen, aber eben frei gewählten
       Präsidenten Mohammed Mursi am Mittwochabend entmachtet hat, ist die Freude
       noch immer überwältigend. „Wir lieben das Militär“, hört man immer wieder
       in den Straßen Kairos. Mursi ist weg – das ist es, was für die Jubelnden
       momentan zählt.
       
       Das Argument, die Ägypter hätten bis zu den nächsten Wahlen warten sollen,
       um der Regierung die Quittung zu präsentieren, ist schwach. Es mag
       plausibel klingen in den Ohren überzeugter Demokraten im Westen, nicht aber
       in denen derer, die stundenlang an Tankstellen anstehen, denen täglich der
       Strom abgestellt wird und die aufgrund des ausbleibenden Tourismus' und
       einer hinkenden Wirtschaft ihr tägliches Brot nicht mehr verdienen können.
       
       Es zeugt auch von einem fragwürdigen Demokratieverständnis, allein auf
       Wahlen zu setzen. Für viele Mursi-Gegner war die Entmachtung des
       Präsidenten durch das Militär kein Putsch, sondern die folgerichtige
       Reaktion der Generäle auf die breite Protestbewegung. Das Militär habe doch
       gar nichts gemacht, argumentieren sie, die Millionen von Menschen seien es
       gewesen, die Mursi gestürzt hätten.
       
       Doch das ist nur die eine Seite. Es dauerte keine 24 Stunden, bis das
       Militär eine Kampagne gegen die Muslimbrüder startete, die stark an die
       repressive Politik von Ex-Diktator Hosni Mubarak erinnert. Der Führer der
       Muslimbruderschaft, Mohammed Badia, sein Vorgänger Mohammed Mehdi Akif und
       seine Stellvertreter Raschad al-Bajumi und Saad al-Katatni wurden ins
       Gefängnis geworfen. Gegen andere Muslimbrüder wurden Haftbefehle
       ausgestellt. Auch gegen die Medien gingen das Militär hart vor und schloss
       Fernsehkanäle, die der Muslimbruderschaft nahestehen.
       
       Es bleibt ein enorm unschöner Nachgeschmack nach dem von einer breiten
       Protestbewegung unterstützten Militärputsch. Vor allem aber stellt sich die
       Frage, wie es nach der Konfrontation zwischen Militär und Islamisten
       weitergehen soll. Es wird unmöglich sein, in einem auch nur annähernd
       demokratischen System die Muslimbrüder aus dem politischen Prozess
       herauszuhalten.
       
       Der Übergangspräsident Adli Mansur kündigte zwar bereits an, sie in eine
       neue Regierung einbinden zu wollen. Dass diese aber kategorisch ablehnten,
       mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten, erstaunt nicht. Es ist dies
       der erste Vorgeschmack auf die Reaktion der Muslimbrüder, die nach
       Jahrzehnten der Unterdrückung durch demokratische Wahlen an die Regierung
       gekommen sind – um nach nur einem Jahr bereits wieder gestürzt zu werden.
       
       5 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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