# taz.de -- Steinmeier und die Geheimdienste: Seltsam gedämpft
       
       > Steinbrück und Gabriel keilen in Sachen NSA kräftig gegen die Koalition.
       > Der SPD-Fraktionschef gibt sich derweil zurückhaltend und diplomatisch.
       > Warum?
       
 (IMG) Bild: Hat nach eigener Auskunft von nichts gewusst: Frank-Walter Steinmeier.
       
       BERLIN taz | In der SPD-Führung gibt es in der Geheimdienstaffäre eine
       interessante Arbeitsteilung. Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel starten
       eine scharfe Attacke gegen Kanzlerin Merkel nach der anderen. Nur einer
       redet deutlich weniger. Oder bleibt sehr diplomatisch: SPD-Fraktionschef
       Frank-Walter Steinmeier.
       
       Die Abhörmaßnahmen des US-Geheimdienstes seien „aus den Fugen geraten“,
       lautete noch eine der schärfsten Einlassungen des Spitzenmannes. Ansonsten
       gibt Steinmeier Floskeln zu Protokoll, die noch betulicher klingen als
       seine eh schon bürokratische Sprechweise.
       
       Vor der USA-Reise von Innenminister Friedrich (CSU) salbaderte Steinmeier:
       Die Grenze zwischen dem, was zur Sicherheit der Bürger erforderlich und was
       zur Gewährleistung von Freiheit notwendig sei, müsse stets beachtet werden.
       
       Angriffe auf die Kanzlerin, gar Empörung über die Lauschangriffe des
       US-Geheimdienstes NSA? Nicht mit Steinmeier.
       
       ## Seltsame Gedämpftheit
       
       Der Grund für die seltsame Gedämpftheit ist nicht etwa seine diplomatische
       Natur – Steinmeier beherrscht durchaus den politischen Angriff. Es ist wohl
       auch etwas anderes: Steinmeier ist der Sozialdemokrat, der über das
       undurchsichtige Zusammenspiel von Politik und Geheimdiensten am meisten
       weiß. Kaum ein anderer in der Opposition hat so intime Kenntnisse wie er.
       
       Steinmeier war früher selbst für die Koordination der Geheimdienste
       zuständig. Als Rot-Grün 1998 die Regierung übernahm, wurde Steinmeier
       Staatssekretär im Kanzleramt – und Beauftragter für die Geheimdienste. Ab
       1999 leitete er sechs Jahre lang das Kanzleramt, stand damit Gremien vor,
       die das Geheimwissen auswerten und in die Exekutive einspeisen.
       
       Der rot-grüne Sündenfall in dieser Hinsicht heißt Murat Kurnaz. 2002
       entschied die damalige Bundesregierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder
       und dem grünen Außenminister Joschka Fischer, den Guantánamo-Häftling nicht
       in Deutschland aufzunehmen, obwohl die Geheimdienste Deutschlands und der
       USA von Kurnaz’ Unschuld überzeugt waren.
       
       Steinmeier, damals Kanzleramtschef und für die Dienste zuständig, bestritt
       diesen Vorwurf: Ein offizielles Angebot der USA sei ihm nicht bekannt
       gewesen. Ein monatelang tagender Untersuchungsausschuss konnte nie ganz
       aufklären, wer welche Schuld an der Verlängerung von Kurnaz’ Qualen in
       Guantánamo trug. Klar ist jedoch, dass die SPD und Steinmeier damals die
       Sicherheit vor Freiheitsrechte stellten. Die Geheimdienste und ihr
       schmutziges Geschäft zu schützen und zu nutzen gehörte für sie zur
       Staatsräson.
       
       ## Heuchelei-Vorwürfe gegen die SPD
       
       Der unabhängige Abgeordnete und Ex-Bundesrichter Wolfgang Neskovic findet
       ihre aktuell zur Schau gestellte Empörung deshalb unglaubwürdig. „Die
       Heuchelei der SPD ist unerträglich.“ Ihre sicherheitspolitischen
       Vorstellungen „sind keinen Deut besser“ als die der Union, schäumt
       Neskovic.
       
       Auch Koalitionspolitiker lästern derzeit gerne über die Verlogenheit der
       SPD. Dort weist man dies als billigen Versuch der Bundesregierung zurück,
       sich aus der Verantwortung zu stehlen. Steinmeier sei seit acht Jahren
       nicht mehr verantwortlich, sagte etwa Generalsekretärin Andrea Nahles.
       Statt abzulenken, müsse die Regierung „aktiv aufklären“.
       
       Steinmeier verteidigte sich ähnlich. „Die technischen Bedingungen waren vor
       acht Jahren ganz anders. Das sind die Entwicklungen der letzten Jahre.“ In
       seiner Zeit als Kanzleramtschef habe er keine Kenntnis von ähnlichen
       Vorgängen gehabt.
       
       16 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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