# taz.de -- Heckler & Koch in den USA: Germany liefert
       
       > Seit Obama das Waffenrecht reformieren will, boomt die Branche. Regale in
       > den Shops lichten sich. Der deutsche Konzern Heckler & Koch profitiert.
       
 (IMG) Bild: Ein Premiumprodukt: David Westforth posiert mit einem halbautomatischen Gewehr.
       
       CHICAGO / GARY taz | Halbautomatik, Kleinkaliber, Revolver. Kategorien für
       Anfänger, findet David Westforth. Er unterteilt seine Waffen nach anderen
       Kriterien. Fünf sind es. Spaßwaffen, Investitionswaffen,
       Verteidigungswaffen, Sammlerwaffen. Die letzte Kategorie fällt Westforth,
       29 Jahre alt, nicht mehr ein. Er wird darauf zurückkommen.
       
       David Westforth verschwindet beinahe neben den Revolvern, Gewehren und
       Pistolen, die er verkauft. Er ist blass wie die Wand, vor der sich die
       Waffen noch besser absetzen. Wie eine Aushilfe steht er klein und
       schmächtig hinter der einfachen Registrierkasse. Aber das hier ist sein
       Laden.
       
       Sein Name hängt in großen weißen Lettern über der Eingangstür: „Westforth
       Sports“. In dem flachen Zweckbau am Stadtrand von Gary, Indiana, in der
       Nähe einer mehrspurigen Schnellstraße, kaufen auch Angler ihre Ausrüstung.
       An diesem Tag interessieren sich die Kunden allerdings vor allem für
       halbautomatische Gewehre im Militärstil. Wie das AR-15, mit dem ein junger
       Mann im Dezember in Newtown, Connecticut, 27 Menschen erschoss.
       
       Unter David Westforth’ schwarzer Fleecejacke versteckt sich das Holster mit
       der halbautomatischen Pistole. Wie viele Gewehre und Revolver er genau
       verkauft, darüber schweigt David Westforth lieber.
       
       Es könnte auch damit zusammenhängen, dass die Waffen aus seinem Laden immer
       wieder dort töten, wo sie eigentlich verboten sind: auf den Straßen von
       Chicago, Illinois.
       
       ## 12.106 Waffen
       
       Obwohl kaum ein Staat in den USA striktere Waffengesetze hat als Illinois,
       verzeichnet kaum eine Stadt im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Morde pro
       Jahr als Chicago. 506 waren es im vergangenen Jahr, 440 starben durch eine
       Waffe. 2011 hat die Polizei in Illinois 12.106 Waffen konfisziert, 6.023
       davon in Chicago. In New York City wurden in derselben Zeit 3.980 Waffen
       sichergestellt. Chicago hat 2,7 Millionen Einwohner, New York 8,3
       Millionen.
       
       2. Juli 2013: Terrence Graves, 23 Jahre, Zeitungsverkäufer, erschossen am
       frühen Morgen in Washington Heights, Chicago 
       
       Im Januar 2013 stürmten Drogenfahnder eine Wohnung im Nordwesten Chicagos.
       Sie fanden Kokain, Cannabis, viel Bargeld und eine halbautomatische Pistole
       der Marke Heckler & Koch USP 9 mm. USP wie: universale Selbstladepistole.
       Im März nahmen verdeckte Ermittler einen Drogendealer fest. In seinem
       Wagen: eine Heckler & Koch USP 9 mm. Nur wenige Wochen später fand das
       Drogendezernat bei einer Durchsuchung im Westen der Stadt neben Ecstasy
       zwei halbautomatische Waffen. Eine Beretta und eine Heckler & Koch USP .40
       cal.
       
       Immer wieder: Heckler & Koch. Die Premiummarke ist nicht nur in Läden wie
       dem von David Westforth erfolgreich. Sie profitiert vom weltgrößten zivilen
       Waffenmarkt, von Waffenfantasien und Waffenträumen, die bei Händlern wie
       David Westforth schon in der Kindheit beginnen können. Als Junge stand er
       im Familienbetrieb hinter den Glasvitrinen mit den Pistolen. Er konnte kaum
       drüberschauen.
       
       In seinem Rücken hängen jetzt Flinten und Gewehre. Colt, Smith & Wesson,
       Heckler & Koch. Die Munition stapelt sich sauber in den Regalen. Ein
       ruhiger Tag im Frühsommer. Ein Kunde überlegt, ob er knapp 1.000 Dollar für
       ein halbautomatisches Gewehr ausgeben soll.
       
       Westforth hat das Gefühl, dass es gerade etwas abzuwehren gilt. Die
       politische Debatte um schärfere Waffengesetze nach dem Amoklauf in Newtown
       macht seinen Kunden Angst. Barack Obama hat versucht, Magazine mit mehr als
       zehn Patronen und halbautomatische Sturmgewehre zu verbieten. Die Preise
       steigen zwar und die Hersteller können die Nachfrage kaum befriedigen.
       Westforth kann sich an diesem Boom dennoch nicht richtig erfreuen. Was,
       wenn es Obama irgendwann doch schafft, Ernst zu machen?
       
       Im April waren die Pläne des Präsidenten im Senat gescheitert.
       „Unangemessen“ fand Westforth das ohnehin.
       
       David Westforth greift zu einem schwarzen AR-15, das nach
       Elite-Militäreinheit aussieht, und zu einem Jagdgewehr mit Holzschaft.
       Grimmig das eine, traditionell antik das andere. Beides Sturmgewehre,
       „assault weapons“, um die es in der Debatte jetzt immer geht. „Soll das
       etwa alles verboten werden?“, fragt er.
       
       Heckler & Koch könnte ein weitreichendes Verbot wirtschaftlich ruinieren.
       Der Konzern aus Oberndorf am Neckar braucht die USA, um zu überleben. Alte
       Schulden drücken auf die Unternehmensbilanz – trotz solider Erlöse von 213
       Millionen Euro im vergangenen Jahr. Heckler & Koch habe lediglich
       „limitierte Bargeldquellen, die aus freien Barbeständen in Höhe von 16,9
       Millionen Euro bestehen“, wie die Ratingagentur Moody’s schreibt, die das
       Unternehmen auf Caa2 herabstufte, hellroter Bereich. Schon verzögerte
       Zahlungen können so schnell den finanziellen Ruin bedeuten.
       
       ## Absolut alternativlos
       
       „Das US-Geschäft ist absolut alternativlos für Heckler & Koch. Es ist
       abhängig von der Nachfrage aus den USA“, sagt deshalb Peter Lock, Soziologe
       und Volkswirt, der seit den 70er Jahren zu Rüstung und Militär forscht.
       Auch Jürgen Grässlin, Rüstungsgegner und Kenner des Unternehmens, glaubt,
       nach Saudi-Arabien sei „das US-Geschäft das wichtigste für Heckler & Koch.“
       
       3. Juli: Damani Henard, 14 Jahre, erschossen am frühen Morgen in Austin,
       Chicago, auf dem Heimweg 
       
       Wer aus Chicago, Illinois, kommt und bei David Westforth in Gary, Indiana,
       eine Waffe kaufen will, braucht vom Zentrum aus weniger als eine Stunde. 60
       Kilometer sind es aus der Stadt mit dem Waffenverbot in die Stadt mit den
       Waffenläden.
       
       Dafür, was mit seinen Waffen passiert, fühlt sich David Westforth nicht
       verantwortlich. Er ist ja Geschäftsmann.
       
       Leute, sagt er, die die Waffen auf den Straßen von Chicago weiterverkaufen,
       erkenne er natürlich sofort und weise sie ab.
       
       Eine Statistik des University of Chicago Crime Lab zeigt etwas anderes. Von
       den Waffen, die die Polizei in Chicago von 2008 bis März 2013 konfisziert
       hat und die innerhalb eines Jahres nach ihrem Verkauf für ein Verbrechen
       genutzt wurden, konnten 68 zu David Westforths Laden zurückverfolgt werden.
       Platz 3 in der Statistik. Aus Chuck’s Gun Store, südlich von Chicago
       gelegen, landeten 268 Waffen auf der Straße. Dort spricht man gar nicht mit
       der Presse und auch bei Midwest Guns nicht, Rang 2 in der Negativstatistik.
       Ein Mitarbeiter kann sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Alles, was auch
       nur wie eine Waffe aussieht, verkauft sich.“ Er lacht ein bald zahnloses
       Lachen dabei.
       
       David Westforth lacht nicht, er lächelt. Er checkt Lizenzen. Hat ein Kunde
       noch keine staatliche Erlaubnis, lässt er den vierseitigen Antrag
       ausfüllen. Schon einmal in einer Psychiatrie behandelt worden? Vorstrafen?
       Drogenabhängigkeit? Gibt der Staat das Okay: keine weiteren Fragen.
       
       4. Juli: Ernest McMullen, 26 Jahre, Kopfschuss auf der Straße, West
       Woodlawn, Chicago, um 19.38 Uhr im Krankenhaus für tot erklärt 
       
       Europas führendes Unternehmen bei den Kleinwaffen punktet nicht nur im
       Handel, es hat auch im militärischen Sektor einen guten Ruf. 2008 gewann
       Heckler & Koch eine Ausschreibung, um die US-Marine mit dem Gewehr M27
       auszustatten, das auf dem Sturmgewehr HK 416 basiert. Der Waffe, mit der
       Osama bin Laden im Mai 2011 getötet wurde. Der Fünfjahresvertrag mit dem
       Marine Corps hat laut US-Verteidigungsministerium ein Auftragsvolumen von
       bis zu 23,6 Millionen Dollar, das sind etwa 18,2 Millionen Euro.
       
       ## 38,5 Millionen für Granatwerfer
       
       Ende 2012 schlossen der deutsche Rüstungsbetrieb und die US-Regierung
       außerdem einen Fünfjahresvertrag über die Lieferung von Waffenersatzteilen
       über 4,5 Millionen Dollar ab. Der Versuch, diese Zahlen im Dokument zu
       schwärzen und so zu verheimlichen, misslang. Besser gelang das im
       Schriftstück über die Lieferung von Maschinenpistolen an das
       US-Außenministerium, auch aus dem vergangenen Jahr. Es ist nur von einem
       „fairen und angemessenen“ Preis die Rede.
       
       Offen kommuniziert wurden im Juli 2011 die 38,5 Millionen Dollar, die die
       US-Armee für 18.000 Granatwerfer mit dem H&K-Emblem bezahlte. 2015 soll die
       Produktion der Lieferung abgeschlossen sein.
       
       Der US-Markt ist hart, da er heimische Produkte bevorzugt. „Es ist schwer,
       einen Fuß in die Tür zu bekommen, aber Heckler & Koch hat es geschafft“,
       sagt ein Exmitarbeiter von Heckler & Koch USA. Mittlerweile arbeitet er für
       die US-Regierung, weshalb er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen
       möchte. Das Sturmgewehr H&K XM8 hatte sich als neue Waffe für die US-Armee
       bereits als Favorit herauskristallisiert, bis „mutmaßliche Konflikte beim
       Kauf und Bürokratie die Armee im Oktober 2005 dazu zwangen, den Deal
       abzusagen“, wie es in einem Bericht des US-Kongresses vom Mai 2008 heißt.
       
       9. Juli: Ed Cooper, 15 Jahre, um 5.08 Uhr in East Garfield Park, Chicago,
       in die Brust geschossen, um 5.54 Uhr für tot erklärt 
       
       David Westforth präsentiert seine Waffen wie ein kleiner Junge seine
       Matchbox-Autos. 179 Dollar kostet die günstigste Pistole, fast 1.300 Dollar
       die teuerste. Gewehre können noch teurer werden. Dazu Munition, Ausrüstung,
       Gebühr für die Schießanlagen. Ein aufwendiges Hobby, aber doch kein
       gefährliches.
       
       ## Drei Waffen für den 15-Jährigen
       
       Sheila, eine zierliche Frau und die einzige, die ihre Pistole in einer
       Schublade aufbewahrt und nicht während der Arbeit im Waffenladen trägt, hat
       ihren Sohn früh mit Waffen vertraut gemacht. „Ich habe es ihm beigebracht,
       als er acht Jahre alt war.“ Heute ist er 15 und besitzt drei Waffen. Sheila
       hat sie gekauft, sie hat die Lizenz, ihr Sohn ist zu jung. Wenn andere
       Familien Baseball spielen, geht Sheila mit ihrem Sohn schießen. Kategorie
       Spaßwaffe.
       
       David Westforth schätzt sein Sortiment auf etwa 600 ausgestellte Waffen.
       Und jetzt fällt ihm auch die letzte Kategorie seiner privaten Sammlung ein:
       religiöse Waffen. Solche, die einen traditionellen Wert haben, vom
       Großvater weitergegeben. Er lächelt. Andächtig diesmal, stolz.
       
       12. Juli: Jeremiah Brown, 27 Jahre, gegen 15.30 Uhr in Marquette Park,
       Chicago, in die Brust geschossen, um 5.31 Uhr auf der Straße gestorben 
       
       Seit 1975 wächst Heckler & Koch Inc. als US-Ableger des Oberndorfer
       Stammhauses. „In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen vermehrt
       Schritte unternommen, seinen Anteil am Markt auszubauen“, sagt der
       Waffenmarktexperte Tom Diaz. Mittlerweile unterhält Heckler & Koch Fabriken
       in Georgia, New Hampshire und Virginia. Zutritt wird Journalisten nicht
       gewährt, Interviewfragen werden abgelehnt und schriftlich eingereichte
       Fragen mit einem einzigen Satz beantwortet: Man konzentriere sich bei
       Heckler & Koch Inc. auf den militärischen Markt, der Anteil am zivilen
       Markt in den USA sei zu vernachlässigen.
       
       Es gibt dazu keine verlässlichen Zahlen. „Laut US-Behörde hat Heckler &
       Koch 2009 nur 5.840 Pistolen in den USA hergestellt“, sagt Diaz. Sobald
       jedoch nur ein Teil einer Heckler-&-Koch-Waffe nicht in den USA gefertigt
       werde, gelte diese Waffe als Import. Waffenimportzahlen sind in den USA
       nach Ländern unterteilt, nicht nach Firmen. 2011 importierten die USA knapp
       259.494 Waffen und 41.282 Gewehre aus Deutschland. Die deutschen Firmen
       Walther und Sig Sauer fallen genauso darunter wie Heckler & Koch.
       
       Laut dem Rüstungsbericht der Bundesregierung wurden 2011 insgesamt 1.563
       Genehmigungen für Lieferungen in die USA erteilt. Ihr Wert belief sich auf
       knapp 632 Millionen Euro. Lieferungen aus dem Bereich Handfeuerwaffen
       machten 22,3 Prozent dieser Gesamtlieferungen aus, knapp 141 Millionen
       Euro.
       
       ## Halbautomatische Waffen boomen
       
       „Der zivile Markt ist für Heckler & Koch viel entscheidender geworden als
       der militärische“, sagt Rüstungsexperte Lock. Vor allem halbautomatische
       Pistolen und Gewehre im Militärstil sind dort gefragt, seit 2004 ein
       zwischenzeitliches Verbot halbautomatischer Sturmgewehre wieder aufgehoben
       worden war. Und dann 2008 Obama gewählt wurde. „Beide Ereignisse haben
       Verkäufe um bis zu 50 Prozent in die Höhe getrieben, die jährlichen
       Verkäufe haben sich seitdem also vermutlich verdoppelt. Und viele dieser
       Waffen sind Produkte, auf die Heckler & Koch spezialisiert ist“, sagt Aaron
       Karp, Berater für die „Small Arms Survey“, ein unabhängiges
       Forschungsprojekt mit Sitz in Genf.
       
       Der Markt für Sport und Jagdwaffen stagniere, halbautomatische Waffen, die
       aussehen, als könnte man sie auch im Krieg einsetzen, würden boomen,
       beobachtet auch Experte Diaz. „Heckler & Koch wird sich in den kommenden
       Jahren auf den zivilen Markt konzentrieren und auf die Ausstattung der
       Strafverfolgungsbehörden“, prognostiziert der Exmitarbeiter, der bis 2007
       bei Heckler & Koch gearbeitet hat und vorher für mehrere andere Hersteller.
       Das liege auch daran, dass das US-Verteidigungsministerium kein Geld für
       neue Projekte ausgeben werde. Polizei, FBI und CIA schon eher. „Und wenn
       etwas dort beliebt wird, wird es auch auf dem zivilen Markt gekauft“, sagt
       er.
       
       280 bis 320 Millionen Waffen sind Schätzungen zufolge unter privaten
       Besitzern im Umlauf.
       
       14. Juli: Blake Lamb, 22 Jahre, um 15.43 Uhr in Rogers Park, Chicago, in
       den Kopf geschossen. Er stirbt noch auf der Straße 
       
       Ein älterer Herr hat sich nach langem Überlegen bei „Westforth Sports“
       entschieden: Er wird 827 Dollar für die halbautomatische Heckler & Koch USP
       Kompakt mit .40 S&W Patronen, einem Kaliber ähnlich der 9 mm, kaufen. „Zu
       meiner eigenen Sicherheit“, sagt er. Heckler & Koch, „das ist eine gute
       Pistole“. Verpackt in ihrem schwarzen gepolsterten Kasten sieht sie fast
       aus wie ein Akkuschrauber. Harmlos.
       
       20 Autominuten entfernt sitzt John Hampton im Laden seines Freundes Larry
       Pelcher in Lansing, Illinois. Im Fenster leuchtet ein Neonschild rot in die
       Nachmittagssonne: „Guns“. Hampton hilft hier ab und zu aus. Er ist Mitglied
       der National Rifle Association (NRA). Seine Lieblingswaffe trägt er bei
       sich, verdeckt von einem massigen Oberkörper. Eine 9 mm Glock. Sein
       Übergewicht macht ihn langsam, das blasse Gesicht unter dem Baseball-Cap
       ist aufgedunsen. Doch schnell die Waffe ziehen kann er allemal.
       
       ## Eine Flinte zur Selbstverteidigung
       
       Zur Selbstverteidigung zu Hause empfiehlt Hampton eine Flinte. Damit
       treffen im Zweifel auch ungeübte Schützen, und die Kugeln fliegen nicht so
       weit und durchbrechen keine Wände wie bei einem Sturmgewehr. Man will ja
       den Nachbarn in der Nebenwohnung nicht versehentlich erschießen. Bei einer
       Pistole bedarf es weit mehr Präzision. Wer hat die im Notfall schon.
       
       Die 1.856 lizenzierten Waffenläden in Illinois verkaufen dennoch zumeist
       Handfeuerwaffen oder Gewehre, keine Flinten.
       
       21. Juli: Marcus Holden, 28 Jahre, während einer Schlägerei von mehreren
       Schüssen getroffen. East 131 Street, Chicago. Um 3.00 Uhr für tot erklärt 
       
       „Warum kaufe ich mir einen Sportwagen, wenn überall
       Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten? Weil es meine freie Entscheidung ist.“
       So hält John Hampton es auch mit Waffen. Er würde sich bedeutend besser
       fühlen, wenn er im Supermarkt und im Kino seine Glock tragen könnte.
       
       In Illinois durfte er das bis jetzt nicht. Das Tragen einer Waffe in der
       Öffentlichkeit war verboten. Ein Gericht hat das Gesetz im Dezember 2012
       jedoch für verfassungswidrig erklärt. Seit Juli kostet es nun 150 Dollar,
       eine Lizenz für das Tragen einer Waffe in der Öffentlichkeit zu erhalten.
       Ganz in John Hamptons Sinne. Er bewertet die Debatte alttestamentarisch.
       Auge um Auge, Waffe um Waffe. Für eine sichere Gesellschaft.
       
       Ein Verbündeter von Heckler & Koch heißt damit auch: NRA. 234 Millionen
       Dollar Einnahmen verzeichnete der Verein der Waffenfreunde laut
       Jahresbericht 2011, ein Großteil davon fließt in Lobbyarbeit. Auch vier
       demokratische Senatoren aus ländlichen Bundesstaaten verweigerten Obama im
       April für seine Waffenrechtsreform die Gefolgschaft.
       
       ## Allianz zwischen NRA und Industrie
       
       Die Grass-Roots-Bewegung der NRA ist gut organisiert, mehr als vier
       Millionen Mitglieder füllen nicht nur die Kriegskasse, sie können an viele
       Türen klopfen, wenn es sein muss.
       
       Der Sachbuchautor Tom Diaz, der lange selbst Mitglied der NRA war, kennt
       die enge Verbindung zwischen Industrie und Lobby und sieht einen
       entscheidenden Wendepunkt im Verhältnis der beiden Mitte der 90er Jahre,
       als die letzten großen Waffengesetze in den USA verabschiedet wurden:
       Hintergrundchecks und das mittlerweile aufgehobene Verbot von
       halbautomatischen Gewehren. Eine Handvoll visionärer Führer der
       Waffenindustrie und der NRA hätten da gemeinsam begonnen, „eine breite und
       komplexe Allianz zu schaffen zwischen der Industrie, der NRA und der
       ’National Shooting Sports Foundation‘, dem Wirtschaftsverband der
       Industrie“.
       
       Die Waffenindustrie hat die Macht der NRA schon gespürt. Smith & Wesson
       erlebte das im Jahr 2000, als die NRA zum Boykott der Firma aufrief,
       nachdem sie sich für gewisse Regulierungen des zivilen Waffenmarkts
       ausgesprochen hatte.
       
       23. Juli. Cory Bridgemen, 29 Jahre alt, wird um 22.20 Uhr in Austin,
       Chicago, in den Kopf geschossen. Um 2 Uhr für tot erklärt 
       
       Wayne Weber, Präsident von Heckler & Koch Inc., ist NRA-Mitglied. „Es ist
       Teil des Geschäfts“, sagt auch der Exmitarbeiter von H&K, der selbst
       Mitglied der NRA ist. „Alle Unternehmen müssen die NRA unterstützen, so ist
       das einfach.“ Das Lobbying sei ein sehr komplexes Geschäft, man müsse genau
       wissen, wen man auf welches Thema ansprechen könne. „Man muss das Spiel
       vorsichtig spielen.“
       
       Heckler & Koch spielt gut. Wie alle Händler stehen die Deutschen gerade in
       den USA vor der Herausforderung, ihre Lieferungen dem gestiegenen Bedarf
       anzupassen. In den Glasvitrinen der Waffenläden außerhalb von Chicago
       liegen die Waffen oft weit auseinander, um die Leerstellen zu kaschieren.
       „Wer jetzt schnell liefern kann, verdient Geld. „Heckler & Koch schafft
       das“, sagt der ehemalige Mitarbeiter.
       
       David Westforth’ Kunden müssen auf einige Waffen schon warten. Er stellt
       das begehrte Sturmgewehr, mit dem er gerade noch posiert hat, zurück ins
       Regal. Dann lächelt er wieder, harmlos wie immer.
       
       29 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
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       verstößt.
       
 (DIR) Prozessauftakt gegen Waffenbauer: Heckler & Koch unter Beschuss
       
       Zwei Exmitarbeiter des Waffenbauers klagen gegen ihren Rauswurf: Sie sollen
       illegal Waffen nach Mexiko verkauft haben.
       
 (DIR) Illegaler Waffenexport nach Mexiko: Heikle Beute
       
       In der mexikanischen Provinz stürmen Bürger ein Rathaus. Sie entdecken
       dabei Gewehre der deutschen Firma Heckler & Koch, die dort nicht sein
       dürften.
       
 (DIR) Aktueller Rüstungsexportbericht: „Kanzlerin der Waffenexporte“
       
       Die Verteidigungsausgaben in Europa und den USA schrumpfen. Die Exporte
       deutscher Waffen auch. Besonders beliebt bleiben Kleinwaffen.
       
 (DIR) Neues Drohnen-Projekt: Fliegende Amphibie
       
       Ein US-Forschungunternehmen will eine Drohne entwickeln, die fliegen,
       schwimmen, fahren und springen kann. Das Projekt steht aber noch ganz am
       Anfang.
       
 (DIR) Mord und Totschlag in Hollywoodfilmen: Mehr Gewalt in Jugendfilmen
       
       In Hollywoodfilmen gibt es immer mehr Waffengewalt. Überraschend hingegen:
       In Jugendfilmen wird inzwischen mehr geballert als in Erwachsenenstreifen.
       
 (DIR) Die EU will das Waffenrecht verschärfen: Fingerabdrucksensor für Schusswaffen
       
       EU-Innenkommissarin Malmström spricht von jährlich 1000 Toten durch
       Waffengewalt in der EU. Nun soll das Waffenrecht verschärft werden.
       
 (DIR) Waffendiskussion nach Amoklauf: Reflexhafte Debatte
       
       In Washington erschießt ein Ex-Soldat zwölf Menschen. Doch im Streit um
       härtere Gesetze stehen sich Waffenfans und ihre Gegner unerbittlich
       gegenüber.
       
 (DIR) Schießerei auf US-Marinestützpunkt: Schütze war ein Ex-Soldat
       
       Die Polizei erschoss einen ehemaligen Marine, der zuvor auf einem
       Stützpunkt in Washington zwölf Menschen tötete. Ein terroristisches Motiv
       wird ausgeschlossen.
       
 (DIR) taz-Serie: Die Macht der Waffen: Eine Knarre für 200 Dollar
       
       „Wenn jemand dich schlägt, schlägst du zurück. Immer“, sagt Steven.
       Notfalls auch mit einer Waffe. Respekt, Ehre, das sind Motive für Täter in
       Chicago.
       
 (DIR) taz-Serie: Die Macht der Waffen: Zeit hilft nicht
       
       Marias Sohn starb in Chicago im Kreuzfeuer vor ihrem Haus. „Der Verlust
       wird schwerer, je mehr Zeit vergeht“, sagt sie. Eine Lobby haben die Opfer
       oft nicht.
       
 (DIR) taz-Serie: Die Macht der Waffen: Der Regen und die Polizei
       
       Dreimal berührt der Polizist unauffällig das Auto, das er kontrolliert. Er
       hinterlässt seine Fingerabdrücke – falls geschossen wird. Mit auf Streife
       in Chicago.
       
 (DIR) Illegale Waffengeschäfte mit Mexiko: Die Bauernopfer wehren sich
       
       Heckler & Koch feuerte zwei Mitarbeiter, die ganz allein für illegale
       Waffenlieferungen nach Mexiko verantwortlich sein sollen. Jetzt reagieren
       die Geschassten.
       
 (DIR) Schusswaffenopfer in Chicago: Amerikas Trauma
       
       Mittags kommt der Anruf: schwarzer Mann, Schusswunden. Vier Mal versuchen
       die Ärzte, das Herz des Mannes zu reanimieren. Ein Besuch im Traumazentrum.
       
 (DIR) Buch über deutschen Waffenexport: 114 Heckler & Koch-Opfer pro Tag
       
       Jürgen Grässlins „Schwarzbuch Waffenhandel“ belegt, wie sich Politiker
       aller Couleur für die deutsche Rüstungsindustrie starkmachen.
       
 (DIR) Rüstungsindustrie und Schwarzmarkt: „Deutsche zählen zu Korruptesten“
       
       Der Tod kommt aus Deutschland: Andrew Feinstein über den Widerstand gegen
       bessere Kontrollen beim lukrativen Geschäft mit Kleinwaffen.