# taz.de -- Kolumne Konservativ: Otto von Bismarck und Andrea Berg
       
       > Was ist konservativ? Patriotismus, Christentum und Franz-Josef Strauß
       > sind es jedenfalls nicht.
       
 (IMG) Bild: Kein Konservativer? Katholikenschreck Otto von Bismarck.
       
       Jetzt übertreibt sie aber. „Was konservativ ist, lässt sich nicht in zwei,
       drei Sätzen definieren“, sagt die Freundin mit geweiteten Augen. Die Leute
       am Nebentisch gucken herüber. „Genauso gut könntest du mich fragen: Was ist
       Liebe?“ Also bitte.
       
       „Zu sagen, was konservativ ist, kann doch nicht so kompliziert sein“,
       antworte ich ruhig. „Sogar Markus Söder behauptet, es zu wissen.“ Die
       Freundin, der ich gerade den Restaurantbesuch verderbe, ist Historikerin.
       Ich bitte sie um eine kluge Antwort, schließlich will ich meinem neuen
       Kolumnenthema gerecht werden. Stattdessen sagt sie: „Machen wir’s
       andersrum. Sag mir, was du für konservativ hältst. In zwei, drei Sätzen.“
       Jetzt übertreibt sie aber.
       
       „Also“, sage ich nach kurzer Pause, „Konservative betonen ihre Liebe zur
       Nation.“
       
       „Falsch“, kontert die Freundin. „Die Verbreitung der sogenannten
       Vaterlandsliebe ist Folge der Französischen Revolution: Freiheit,
       Gleichheit, Brüderlichkeit der Bürger in einem Staat, der diese Werte
       gewährleistet. Das Volk als Träger des gesellschaftlichen Willens. Die
       britischen ’conservatives‘ formierten sich Anfang des 19. Jahrhunderts zur
       Abwehr der neuen Gedanken vom Kontinent. Obwohl die Situation in den
       deutschen Staaten etwas anders …“
       
       ## Keine Liebe
       
       „Wie bitte?“, frage ich in den Wortstrom. Mit süffisantem Lächeln antwortet
       die Freundin: „Vaterland ungleich konservativ.“ Also, ihr Verhalten ist auf
       keinen Fall Liebe.
       
       „Na gut. Aber diese ’Christliches Abendland‘-Nummer“, kontere ich nicht
       mehr ganz nüchtern, „von der spricht auch Söder. Das ist doch beinhart
       konservativ.“ – „Wer ist das größte Idol konservativer Deutscher?“, fragt
       die Freundin. Ich bin genervt: „Andrea Berg?“
       
       „Bismarck. Und ebendieser Reichskanzler bekämpfte die katholische Kirche.
       Sogar auf Kosten von Ansprüchen der evangelischen Kirchen, und mit denen
       waren die Konservativen verbündet.“
       
       „Aber Markus Söder sagt …“ – „Hör doch mal auf mit diesem Söder!“, ruft die
       Freundin. Die Tischnachbarn gucken wieder herüber. „Okay“, flüstere ich.
       „Nehmen wir das zweitgrößte Idol konservativer Deutscher.“ – „Andrea Berg?“
       – „Franz Josef Strauß. Strauß soll gesagt haben, man müsse seine Grundsätze
       so hoch hängen, dass man bequem darunter hindurchlaufen kann. Demnach
       verändert niemand sein Weltbild schneller und geschmeidiger als der, der
       behauptet, ein festes Weltbild zu haben.“
       
       ## Gutes bleibt
       
       Einen Trost gibt es: Konservative und Liberale waren im 19. Jahrhundert
       nicht Regierungspartner, sondern erbitterte Gegner. Heute ist also nicht
       alles anders.
       
       Ich zähle auf: „Bundesdeutsche Konservative wie Strauß propagierten den
       Respekt vor staatlichen Institutionen, bürgerlichen Anstand und Abscheu
       gegenüber Sozialisten. Gleichzeitig belog Strauß das Parlament, schmierte
       Saufkumpels und verschaffte den Staatssozialisten in der DDR einen
       lebensverlängernden Milliardenkredit.“ Die Freundin lehnt sich zurück in
       ihrem Stuhl, lächelt und fragt: „Wer sagt, dass das einander widerspricht?“
       
       Ich bin verwirrt. Hätte ich stattdessen bloß Andrea Berg gefragt, was Liebe
       ist.
       
       24 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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