# taz.de -- Adoptionsrecht für homosexuelle Paare: Ein Schritt auf dem langen Weg
       
       > Zwei erwachsene Pflegetöchter wollen offiziell die Töchter ihrer
       > lesbischen Pflegemütter sein. Darüber hat nun das
       > Bundesverfassungsgericht zu entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Hut ab: Richter des Bundesverfassungsgerichts.
       
       BERLIN taz | Die beiden Frauen haben gemeinsam zwei Pflegekinder
       großgezogen, mehr als zehn Jahre lang. Die Mädchen sind inzwischen
       erwachsen. Nun wollen die Pflegemütter und ihre Pflegetöchter auch
       offiziell das werden, was sie ohnehin längst sind: Mütter und Töchter. Sie
       haben deshalb beim Familiengericht Berlin-Schöneberg die gemeinsame
       Adoption beantragt.
       
       Ihr Schritt klingt so folgerichtig wie selbstverständlich – ist es aber
       nicht. Der Adoptionsantrag liegt inzwischen beim Bundesverfassungsgericht
       in Karlsruhe. Die zuständige Berliner Familienrichterin hat den Fall
       dorthin verwiesen. Denn das geltende Recht verbietet ihr, diese Adoption zu
       vollziehen. Homosexuellen Paaren ist die gemeinsame Adoption nach wie vor
       untersagt. Die Berliner Richterin allerdings ist überzeugt: Lehnt sie –
       paragrafentreu – diesen Adoptionswunsch ab, verstößt sie damit gegen den
       Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz.
       
       Der Normenkontrollantrag aus Berlin, sechs DIN-A4-Seiten, Aktenzeichen 24 F
       172/12, liegt seit März in Karlsruhe, ist aber noch nicht terminiert.
       Deshalb ist unklar, wann die Entscheidung fällt. Der Lesben- und
       Schwulenverband (LSVD) zeigt sich schon jetzt „sehr erfreut“ über den Fall.
       „Fünf Frauen werden Grundrechtsgeschichte schreiben“, prophezeit die
       LSVD-Sprecherin Renate Rampf. „Es sei denn, die nächste Bundesregierung
       kommt ihnen zuvor.“
       
       Doch dafür spricht wenig, sollte Angela Merkel nach dem 22. September im
       Kanzleramt bleiben. Sowohl SPD wie auch FDP dürften in möglichen
       Koalitionsverhandlungen von der Union die Öffnung der Ehe für Schwule und
       Lesben einfordern – nur die Unionsstrategen werden ihrer Basis bei diesem
       Thema kaum einen weiteren spontanen Kurswechsel verordnen.
       
       ## Schwule CDUler von eigener Partei enttäuscht
       
       Julia Klöckner, CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz, gilt als progressive Stimme
       im Parteivorstand. Auf dem Bundesparteitag Ende 2012 votierte die studierte
       Theologin – im Gegensatz zur Mehrheit – für die steuerliche Gleichstellung
       homosexueller Paare. Beim Adoptionsrecht aber bremst selbst sie. Unlängst,
       bei einer von den „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU) organisierten
       Diskussion zum Thema „Die CDU auf dem Weg zur bunten Volkspartei?“ im
       Berliner Konrad-Adenauer-Haus, redeten sich von der Rückwärtsgewandtheit
       ihres eigenen Ladens enttäuschte schwule Christdemokraten Frust von der
       Seele. Klöckner gab sich verständnisvoll und warnte zugleich, die Partei
       nicht zu überfordern: „Wenn man Schritt für Schritt weiterkommen will, muss
       man moderat bleiben.“ Zugeständnisse bei Koalitionsverhandlungen schloss
       sie nicht gänzlich aus, aber: „Ich würde davon abraten, es ohne
       Parteitagsbeschluss zu tun.“
       
       Wie schwer sich CDU und CSU mit dem Homo-Thema tun, demonstrierten sie kurz
       vor der Sommerpause im Bundestag. Von Karlsruhe zur Gleichstellung beim
       Ehegattensplitting verdonnert, sollte die Fraktion noch fix das
       entsprechende Gesetz durchwinken. Es kam zum Eklat. Ohne Vorwarnung
       erklärten dies gut 15 Abgeordnete zur Gewissensfrage und stimmten gegen den
       Entwurf der eigenen Fraktion. Acht Unionspolitiker verschriftlichten ihren
       Unmut obendrein fürs Protokoll.
       
       Die Protestnoten lassen ahnen, wie das Thema beim rechten Flügel der Partei
       ankommt. Der sächsische CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe und sein hessischer
       Parteifreund Klaus-Peter Willsch beispielsweise schreiben: „Zwar ist der
       Gesetzgeber bei der Grundrechtsauslegung an Entscheidungen des
       Bundesverfassungsgerichts gebunden, umgekehrt kann aber auch das
       Bundesverfassungsgericht nicht in die freie Gewissensentscheidung des
       Abgeordneten eingreifen.“ Frei übersetzt: Liebe Verfassungsrichter, ihr
       könnt uns mal.
       
       Schwule Christdemokraten betrachten die Verhinderungsstrategie solcher
       Parteifreunde als Zumutung. Doch die Zahl jener, die sich öffentlich mit
       der LSU-Position solidarisieren, ist überschaubar. Als Arbeitsministerin
       Ursula von der Leyen vor Kurzem in einem Radiointerview das
       [1][Adoptionsrecht für homosexuelle Paare forderte], reagierten selbst
       Mitglieder der „Wilden 13“ irritiert, die doch eigentlich selbst die
       Parteilinie in diesem Punkt modernisieren wollen. Der Berliner
       Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) stimmte zwar bei der
       Justizministerkonferenz für die Öffnung des Adoptionsrechts, schweigt aber
       öffentlich lieber dazu.
       
       ## Verbot wird mit dem Kindeswohl begründet
       
       Denn die mit Mühe umgesetzte Gleichstellung beim Ehegattensplitting gilt
       unionsintern als undramatisch – verglichen mit dem Adoptionsrecht.
       Begründung: Man streite hier nicht nur ums Geld, sondern ums Kindeswohl. So
       bewegt sich Julia Klöckner im CDU-Mainstream, wenn sie [2][im Onlinemagazin
       queer.de mahnt,] es gehe beim Adoptionsrecht „weder um den Wunsch noch das
       Glück der Paare – ob homo oder hetero –, sondern ausschließlich um die
       Perspektive des Kindes“.
       
       Allerdings versagt ebendiese Argumentation im Fall jener Berliner Familie,
       mit dem sich die Karlsruher Richter demnächst befassen müssen. Denn die
       „Kinder“, um die es hier geht, sind ja inzwischen schon erwachsen.
       
       8 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Adoptionsrecht-fuer-Homosexuelle/!117808/
 (DIR) [2] http://www.queer.de/detail.php?article_id=19623
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Geisler
       
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